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Folge 43-21 vom 29. Oktober 2021 / Vereinte Nationen / Die UN-Sonderorganisation fürs Kulturelle / Nach der Ratifizierung durch 20 Staaten trat der in London unterzeichnete Gründungsvertrag der UNESCO vor 75 Jahren in Kraft

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 43-21 vom 29. Oktober 2021

Vereinte Nationen
Die UN-Sonderorganisation fürs Kulturelle
Nach der Ratifizierung durch 20 Staaten trat der in London unterzeichnete Gründungsvertrag der UNESCO vor 75 Jahren in Kraft
Wolfgang Kaufmann

Zu den 17 rechtlich selbstständigen Sonderorganisationen der Vereinten Nationen gehört auch die United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization (UNESCO, Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur). Vor 75 Jahren, am 4. November 1946, trat ihr Gründungsvertrag in Kraft, nachdem 20 Staaten das am 16. November des Vorjahres von 37 Ländern in London unterzeichnete Vertragswerk ratifiziert hatten. Auf Drängen der Grande Nation, die ihr auf der Französischen Revolution basierendes Kulturverständnis zum Leitbild der Organisation machen wollte, nahm sie ihren Sitz in Paris. Dafür stammte mit Julian Huxley wenigstens der erste Generaldirektor aus der zweiten europäischen Großmacht unter den Gründungsmitgliedern. 

Gastgeberland ist Frankreich

Später stießen noch diverse Staaten dazu, darunter die Bundesrepublik 1951, die damaligen Sowjetrepubliken Russland, Ukraine und Weißrussland 1954 sowie 1972 die DDR. Inzwischen gehören der UNESCO 193 Staaten an. Elf Territorien sind assoziiert. Zu Letzteren zählen vor allem britische, niederländische und französische Überseeterritorien. Außerdem gibt es ständige Beobachter wie den Heiligen Stuhl, die Arabische Liga und die Europäische Union. 

Wie schon aus ihrem Namen hervorgeht, konzentrierte sich die UNESCO zunächst auf die Bereiche Erziehung beziehungsweise Bildung, Wissenschaft und Kultur. Dazu kamen im Laufe der Zeit vielfältige weitere Ziele vom Gewässerschutz bis zur Förderung der Telemedizin. Zu deren Erreichung arbeitet die UNESCO aktuell mit fünf Partnerorganisationen wie beispielsweise dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz zusammen. Außerdem gründete sie diverse Ausschüsse, Einrichtungen und Zentren, darunter beispielsweise das Internationale Institut für die Leistungsfähigkeit Afrikas (IICBA) sowie die Zwischenstaatliche Ozeanographische Kommission (IOC).

Seit den 70er Jahren legt die UN-Sonderorganisation besonderes Augenmerk auf die Bewahrung des Welterbes der Menschheit. Dazu zählt sie sowohl Denkmäler, Ensembles und Stätten (Weltkulturerbe) als auch Naturgebilde, geologische und physiographische Phänomene sowie Naturstätten (Weltnaturerbe). Derzeit sind 897 Lokalitäten als Weltkulturerbe und 218 als Weltnaturerbe gelistet. Dazu kommen 39 weitere Örtlichkeiten, die als gemischte Kultur- und Naturerbestätte geführt werden. Die Bundesrepublik steht dabei auf Platz 3 in der Staatenliste, dicht hinter der Italienischen Republik und der Volksrepublik China.

Die Umsetzung des entsprechenden Übereinkommens zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt vom 16. November 1972 stößt mittlerweile zunehmend auf Kritik. So gibt es Klagen über massive Ungleichgewichte bei der Verleihung des Titels „Welterbe“. Immerhin befindet sich die Hälfte der so geadelten Stätten in Europa und Nordamerika, während Afrika kaum auf ein Zehntel kommt. 

Die USA sind seit 2018 ausgetreten 

Kritiker monieren, dass das an dem komplizierten und kostenträchtigen Antragsverfahren liege, mit dem etliche Staaten überfordert seien. Und auch das Welterbe selbst gerät oft zur Belastung: Seine Erhaltung ist nicht immer billig und die UNESCO gewährt keinerlei finanzielle Zuschüsse; es droht ein Überhandnehmen des Massentourismus; und nicht selten werden die Menschen im unmittelbaren Umfeld in ihrer traditionellen Lebensführung und Religionsausübung beeinträchtigt, um den Zustand der Welterbestätte nach den Richtlinien der UNESCO zu bewahren. Wird hingegen der Zustand der Welterbestätte nicht gemäß den Richtlinien der UNESCO bewahrt, dann droht die Aberkennung der Titels ­– wie im Falle der Kulturlandschaft Dresdner Elbtal. Dort führte der Bau einer dringend benötigten Brücke 2009 zur Streichung von der Welterbe-Liste.

Ambitionierte „Agenda 2030“

Das sind allerdings nicht die einzigen Reibungs- und Kritikpunkte. So störten sich manche Mitglieder daran, dass die Organisation losgelöst von der UN Politik macht. So ist es beispielsweise nicht auf ungeteilte Begeisterung gestoßen, dass im Gegensatz zur UN das oberste Entscheidungs- und Kontrollorgan der UNESCO, die Generalkonferenz, am 31. Oktober 2011 beschlossen hat, Palästina als Mitglied aufzunehmen. Dieser Aufnahmebeschluss führte gut sieben Jahre später zum Austritt der Vereinigten Staaten und Israels. Diese Austritte haben auch finanzielle Konsequenzen für die UNESCO, entfallen damit doch auch die Beiträge der USA, welche immerhin ein Fünftel des Budgets des UN-Sonderorganisation ausmachten. 

Ungeachtet dieser Baustellen setzte sich die UNESCO mit ihrer „Agenda 2030“ neue ambitionierte Ziele – die kaum mehr mit ihren eigentlichen Tätigkeitsfeldern zu tun haben. Dazu zählen die globale Armutsbekämpfung, der sogenannte Klimaschutz, die Durchsetzung von Chancengleichheit und der Einsatz für nachhaltige Produktion.

Das Budget der UNESCO für 2020/21 beträgt rund 1,3 Milliarden US-Dollar. Von denen stammt mit 534 Millionen knapp die Hälfte aus Mitgliedsbeiträgen. Die höchsten Mitgliedsbeiträge zahlen Japan, China und Deutschland. Für die Vertretung in der Generalkonferenz hat das keine Bedeutung. Dort gilt das Prinzip: ein Staat, eine Stimme. Insofern sind die Vertreter der vielen Staaten der sogenannten Dritten Welt in der Lage, Entscheidungen zulasten der westlichen und fernöstlichen großen Nettozahler durchzusetzen. Ein Pendant zum Sicherheitsrat mit Vetorecht für die Großmächte gibt es nicht. Für Letztere bleibt als Ausweg der Austritt nach dem Vorbild der USA.





Kurzporträts

Der sehr prestigebewusste Charles de Gaulle versuchte nach dem Zweiten Weltkrieg, diverse internationale Organisationen nach Frankreich zu holen.

Der aus Großbritannien stammende erste UNESCO-Generaldirektor, der Biologe, Philosoph und Schriftsteller Julian Huxley, blieb nur bis 1948 im Amt.

Der Austritt der USA aus der UNESCO fiel in die von 2017 bis 2021 währende Amtszeit des dezidiert Israel-freundlichen 45. US-Präsidenten Donald Trump.