19.04.2024

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Folge 43-21 vom 29. Oktober 2021 / Reformation / Das älteste Lutherdenkmal steht in Wittenberg / Vor 200 Jahren wurde erstmals in Deutschland ein Nichtadeliger mit einem freistehenden Standbild öffentlich geehrt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 43-21 vom 29. Oktober 2021

Reformation
Das älteste Lutherdenkmal steht in Wittenberg
Vor 200 Jahren wurde erstmals in Deutschland ein Nichtadeliger mit einem freistehenden Standbild öffentlich geehrt
Veit-Mario Thiede

Mit dem preußischen König Friedrich Wilhelm III. war ausgerechnet ein Calvinist maßgeblich an der Errichtung des ersten Lutherdenkmals beteiligt. Die Idee zu dem Denkmal für den Reformator in der Lutherstadt Wittenberg geht auf die 1801 gegründete Vaterländisch-literarische Gesellschaft der Grafschaft Mansfeld zurück. Ihrem Wunsch gemäß übernahm der Landesherr, seit dem Wiener Kongress von 1814/15 Friedrich Wilhelm III. von Preußen, die Schirmherrschaft. Später zog er die Verwirklichung des am Reformationstag des Jahres 1821 auf dem Wittenberger Marktplatz feierlich enthüllten Denkmals ganz an sich.

Der von der Berliner Kanonengießerei Claude Fr. Lequin hergestellte, fast drei Meter große Bronzekoloss präsentiert sich nach dem Willen seines Gestalters Johann Gottfried Schadow als „Doctor der Gottesgelehrsamkeit“. Nach dem Entwurf von Karl Friedrich Schinkel steht er auf einem Granitsockel und wird von einem Baldachin aus der Königlich Preußischen Eisengießerei zu Berlin überdacht. Der als gewichtige Erscheinung dargestellte Luther hält eine zu seinen Betrachtern hin aufgeschlagene Bibel und zeigt auf den Text: „Das Neue Testament verdeutscht von Doktor Martin Luther“.

Zunächst aber kam Schadow über die Schaffung einer überlebensgroßen Büste des Reformators nicht hinaus. Ein auf 1807 datierter Abguss steht im Wittenberger Lutherhaus. In den Lebenserinnerungen des Bildhauers heißt es dazu: „Das Denkmal des Dr. Martin Luther wurde damals plötzlich durch den Einfall der französischen Heere gehemmt.“ Nach den Befreiungskriegen kam Friedrich Wilhelm III. auf das Denkmalprojekt zurück. 

Am 31. Oktober 1817, dem 300. Jahrestag der Veröffentlichung von Luthers 95 Thesen, traf er in Wittenberg ein. Am nächsten Tag nahm der König die von Reden, Gesängen und Gebeten, dem Aufmarsch eines Regiments und Kanonendonner begleitete Grundsteinlegung des Denkmals vor. Dass sie wie ein christlich gefärbter Staatsakt anmutet, ist auf die Doppelrolle des Königs zurückzuführen. Friedrich Wilhelm III., der am 27. September 1817 die Vereinigung der reformierten und lutherischen Gemeinden zur „unierten“ Kirche in Preußen angeordnet hatte, war als Landesherr zugleich Oberhaupt der evangelischen Landeskirche. Der Enthüllung des Denkmals am 31. Oktober 1821 aber blieb er fern.

Im Wittenberger Lutherhaus gibt es eine Ausstellungsabteilung, die anhand von Graphiken und Plastiken die Entwicklungs- und Wirkungsgeschichte des Lutherdenkmals veranschaulicht. Es ist zum Vorbild zahlreicher Lutherdenkmäler in aller Welt geworden.