20.04.2024

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Folge 43-21 vom 29. Oktober 2021 / Republik Krakau / Das Ende eines polnischen Kernstaats / Vor 175 Jahren verlor Polens einstige Hauptstadt ihre Selbständigkeit und wurde als Teil eines gleichnamigen Großherzogtums österreichisch

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 43-21 vom 29. Oktober 2021

Republik Krakau
Das Ende eines polnischen Kernstaats
Vor 175 Jahren verlor Polens einstige Hauptstadt ihre Selbständigkeit und wurde als Teil eines gleichnamigen Großherzogtums österreichisch
Manuel Ruoff

Nach der letzten der sogenannten drei polnischen Teilungen durch die Nachbarn Preußen, Russland und Österreich war Polen ab 1795 von der Landkarte verschwunden. Der erste Kaiser des traditionell Polen-freundlichen Frankreichs stellte Polen nach dem vierten Koalitionskrieg von 1806/07 als Staat wieder her. Das neue Staatsgebilde hieß zwar aus Rücksicht auf die Teilungsmacht Russland offiziell nicht „Polen“, sondern „Herzogtum Warschau“, kann aber, wenn nicht sogar als polnischer Nationalstaat, doch zumindest als polnischer Rumpfstaat interpretiert werden. Mit dem Kaiserreich Napoleons I. ging auch das von ihm geschaffene und mit ihm verbündete Großherzogtum Warschau unter. Manche sprechen in diesem Zusammenhang von der vierten polnischen Teilung. 

Allerdings ist entgegen landläufiger Meinung auf dem Wiener Kongress von 1814/15 nicht das gesamte Territorium des Großherzogtums unter den in den Befreiungskriegen siegreichen Nachbarn Preußen, Russland und Österreich aufgeteilt worden. Vielmehr wurde auf dem Kongress durch die drei Großmächte am 3. Mai 1815 eine polnische Stadtrepublik, die Freie Stadt Krakau, geschaffen.

Zur Republik gehörte außer der namensgebenden einstigen Hauptstadt des Königreichs Polen auch deren Umland einschließlich der drei Städtchen Chrzanów, Trzebinia und Nowa Góra sowie 224 Dörfern. Auf den 1164 Quadratkilometern ihres Territoriums lebten im Jahre ihrer Gründung etwa 95.000 Seelen, wie man damals zu sagen pflegte.

Gründung auf dem Wiener Kongress

Die Verfassung, welche die drei Gründungs- und Protektoratsmächte der Republik bereits bei ihrer Gründung verliehen, war sehr modern. Das aus Westeuropa stammende Ideal der modernen Gewaltenteilung fand Berücksichtigung. Die Legislative bildete die Abgeordnetenversammlung. Die Exekutive bildete der zwölfköpfige Regierende Senat. Und die Spitze der Judikative bildeten ein Gerichtshof erster Instanz und ein Appellationsgerichtshof. Die rechtsetzende Gewalt ging zwar nicht aus demokratischen, wohl aber aus liberalen Wahlen hervor. Für die Abgeordnetenversammlung galt das Zensuswahlrecht. Hinsichtlich des politischen Systems hatte die Republik also den Feudalismus hinter sich gelassen und war im bürgerlichen Zeitalter, dem Liberalismus, dem Kapitalismus angekommen.

Modern war auch das Rechtssystem, das ebenfalls westlich geprägt war. Es basierte maßgeblich auf dem Code civil. Die Öffentlichkeit der Gerichtsverfahren war ebenso fortschrittlich wie die Beteiligung von Laien in Form von Geschworenen an der Entscheidungsfindung in Strafverfahren. Und das alles im Zeitalter der Restauration, als anderswo in Europa mit mehr oder weniger Erfolg nach Napoleons Niederlage versucht wurde, die Zeit zurückzudrehen.

Krakaus Handel profitierte davon, dass auf dem Territorium der Republik Zollfreiheit herrschte. Das ermöglichte rege Handelsbeziehungen zu allen der drei Nachbarn und Protektoratsmächte. Untertanen und damit Angehörige der späteren Elite aller drei Mächte studierten an Krakaus geschichtsträchtiger Jagiellonen-Universität. Wohlstandsfördernd wirkte sich auch die durch örtliche Steinkohlevorkommen begünstigte Industrialisierung aus. Bis 1843 stieg die Bevölkerungszahl auf etwa 143.000. 

Abstieg seit dem Novemberaufstand

Der Niedergang der Republik Krakau begann mit dem gescheiterten polnischen Novemberaufstand von 1830/31. Die Schutzmächte nahmen der Stadt ihre Rolle beim Schmuggel von Waffen nach Kongresspolen übel – und reagierten mit einer Einschränkung der Autonomie. Ab 1833 nahmen die Protektoratsmächte ein Vetorecht bei der Wahl des Senatspräsidenten für sich in Anspruch. Österreich übernahm die Leitung der Polizei in Krakau. 1836 bis 1841 besetzten Truppen der Schutzmächte die Stadt. Auf die Politik des Senats nahmen die drei Mächte nun ebenso Einfluss wie auf die Gerichtsbarkeit in politischen Angelegenheiten.

Nach dem Novemberaufstand kam es 1846 erneut zu einem Aufstand polnischer Nationalisten. Diesmal sollten allerdings nicht nur Kongresspolen, sondern auch die anderen Teile Polens betroffen sein. Preußen und Österreich reagierten jedoch erfolgreich. Im preußischen Posen war die Polizei durch Informanten rechtzeitig informiert und verhaftete die Anführer bereits im Vorfeld. Und in Galizien verbündete sich die österreichische Obrigkeit im galizischen Bauernaufstand 1846 erfolgreich mit den galizischen erbuntertänigen Bauern gegen deren polnische Gutsherren. Über 1000 polnische Gutsbesitzer sowie mehrere Priester und Beamte wurden getötet, etwa 470 Herrenhäuser zerstört.

Erfolgreich war der Aufstand nur in der Republik Krakau. Die dort aufgestellte kleine Armee hatte jedoch keine Chance gegen das Militär der Großmacht Österreich. Die Donaumonarchie besetzte das Territorium der Republik Krakau, annektierte es am 16. November 1846 und integrierte es als Großherzogtum Krakau in das Kronland Galizien.