18.04.2024

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Folge 43-21 vom 29. Oktober 2021 / Oberlausitz / Ein „vollkommen aus der Zeit gefallener, schädlicher Akt“ / Ein Bautzener Verein will ein Bismarck-Denkmal wiedererrichten. Nach Kritik stellt die Stadt ihre Zustimmung erneut zur Diskussion

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 43-21 vom 29. Oktober 2021

Oberlausitz
Ein „vollkommen aus der Zeit gefallener, schädlicher Akt“
Ein Bautzener Verein will ein Bismarck-Denkmal wiedererrichten. Nach Kritik stellt die Stadt ihre Zustimmung erneut zur Diskussion
Erik Lommatzsch

Ab 1904 stand auf dem Gipfel des Czorneboh (Schwarzer Gott) neben dem Aussichtsturm ein aus Sandstein gehauenes Bismarck-Standbild. Geschaffen hatte es der deutsch-böhmische Künstler Anton Schwarz. Der Czorneboh gehört zum Lausitzer Bergland und befindet sich südöstlich von Bautzen. 1950 fühlten sich Angehörige der Freien Deutschen Jugend (FDJ) bemüßigt, das Denkmal zu zerstören. Spätere Überlegungen, eine Rekonstruktion aus geborgenen Bruchstücken zu realisieren, erwiesen sich als nicht umsetzbar. 

Nun hat die Bautzener Liedertafel, die als „Verein für Liedgut und Heimatpflege“ ins Leben gerufen wurde, die Initiative ergriffen. Auf Kosten des Vereins soll das Bismarck-Standbild wiedererrichtet werden. Der Hauptausschuss des Bautzener Stadtrats – das infrage stehende Gebiet ist Bestandteil des Stadtwaldes, daher die Zuständigkeit – zeigte sich sehr aufgeschlossen und stimmte Anfang Oktober zu, bei zwei Enthaltungen und ohne Gegenstimme.

Erwartungsgemäß folgte die Empörung auf dem Fuß. Das in Bautzen ansässige Sorbische Institut nahm die Entscheidung des Hauptausschusses in einem offenen Brief mit „Bestürzung und Unverständnis“ zur Kenntnis. Man distanziere sich, das Ganze zeuge von „beispielloser Geschichtsvergessenheit“. Bismarck tauge „nicht im Geringsten als positiver Bezugspunkt der Erinnerungskultur einer demokratischen, solidarischen und weltoffenen Gesellschaft“. Der Beschluss sei ein „vollkommen aus der Zeit gefallener, schädlicher Akt“. Der Reichsgründer habe „die Politik eines autoritären, nationalistischen Obrigkeitsstaats“ bestimmt. Diese Politik habe sich abwechselnd „gegen Katholiken, Liberale, Sozialdemokraten sowie nationale Minderheiten“ gerichtet. Wer die Reichsgründung betone, solle auch „vom Großmachtstreben und der Kolonialpolitik Bismarcks reden“. Auf ähnlichem Kenntnis- und Argumentationsniveau heißt es weiter, es handle sich um „ein verstörendes Signal an alle, die sich für ein demokratisches und weltoffenes Bautzen einsetzen“, es „gefährdet das Verhältnis zu unseren Nachbarn erheblich“. Das Sorbische Institut warne „nachdrücklich vor diesem Trojanischen Pferd, das sich rasch als Kult- und Gedenkort für Rechtsextreme, Reichsbürger und sonstige Demokratieverächter erweisen könnte“.

Dawid Statnik, der Vorsitzende der ebenfalls in Bautzen ansässigen Domowina, des Dachverbandes sorbischer Vereine, erklärte, man habe sich „Gott sei Dank vom Denken Bismarcks verabschiedet, dass Krieg ein Teil der Politik ist“. Man wolle „Bismarck nicht einmal geschenkt haben“, er sei ein „Feind der Menschenrechte“. Wenn man schon neue Denkmäler errichte, dann „bitte Persönlichkeiten, die sich für gleichwertigen Umgang mit Menschen unterschiedlicher Herkunft“ einsetzten.

Auch die Bautzener Liedertafel, die für den Wiederaufbau des Bismarck-Standbildes Sorge tragen will, wird im Zuge der Angriffe in den Blick genommen. Laut dem Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) sympathisiert der Verein „mit einer Politik am rechtskonservativen Rand“. Als Vorwurf ist es offenbar zu verstehen, wenn es weiter heißt, „Mitglieder“ sangen „auf Kundgebungen der AfD“. Das in Dresden sitzende Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde (ISGV), dem Aufrufe der Liedertafel zum „gemeinsamen Singen deutscher Volkslieder“ suspekt sind, unterstützt die Ablehnung und unterstreicht: „Heute haben wir es mit einer klaren nationalkonservativen, geschichtsrevisionistischen Ausdeutung zu tun, für die Bismarck als Symbolfigur herangezogen wird.“ 

Eine differenziertere Sicht auf die Dinge und mehr Gespür für Historisches hat der Oberbürgermeister der Stadt Bautzen, Alexander Ahrens. Der Sozialdemokrat, der sich für das Denkmal auf dem Czorneboh ausgesprochen hat, bezeichnete die aufgeheizten Einwände als „Hysterie“. Ahrens sagte, man müsse sich der Geschichte stellen, „Bismarck war kein Verbrecher, und wir müssen ihn auch nicht als solchen behandeln.“ Inzwischen hat der Stadtrat die Entscheidung des Hauptausschusses aufgehoben, die Sache wird erneut diskutiert.