Wenn zwei das Gleiche tun, ist es noch lange nicht dasselbe. An diese Weisheit aus dem Volksmund mag man denken, wenn man dieser Tage die Medienberichte über die Lage an der polnisch-weißrussischen Grenze verfolgt (siehe auch Seite 8). Darin wird Polen, das sich mit einer täglich zunehmenden Welle illegaler Einwanderung konfrontiert sieht, allenthalben für seinen entschiedenen Schutz der eigenen Grenze gerügt und zugleich zur Solidarität mit den Migranten gemahnt.
Dass die Einwanderer aus Afghanistan, Irak und anderen überwiegend mittelasiatischen Ländern auch über Litauen zu Tausenden in die Europäische Union strömen, erfahren die Leser und Zuschauer kaum, dass die Balten dabei ebenso wenig zimperlich ihre Grenze verteidigen wie ihre südwestlichen Nachbarn, schon gar nicht.
Doch was ist anders am entschiedenen Handeln der Polen im Vergleich zum ebenso harten Vorgehen der Litauer? Für die Migranten jedenfalls macht es keinen Unterschied, ob sie bei Brest zurückgeschickt werden oder vor Wilna. Und das harte Zupacken der Grenzer schmerzt hier wie dort.
Liegt die unterschiedliche Bewertung ähnlicher Vorgänge etwa gar nicht in der Sache selbst, sondern vielmehr daran, dass die Polen seit geraumer Zeit einen Grundsatzkonflikt mit der EU über ihre nationale Souveränität ausfechten, während die Litauer als braves Unions-Mitglied gelten? Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. neh