19.04.2024

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Folge 44-21 vom 05. November 2021 / Investitionsstau / Es liegt nicht nur an fehlendem Geld / Die Mittel sind da, sie fließen aber nicht ab: Die Bundesministerien schieben eine Milliarden-Bugwelle von sogenannten Ausgaberesten vor sich her

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 44-21 vom 05. November 2021

Investitionsstau
Es liegt nicht nur an fehlendem Geld
Die Mittel sind da, sie fließen aber nicht ab: Die Bundesministerien schieben eine Milliarden-Bugwelle von sogenannten Ausgaberesten vor sich her
Norman Hanert

Parallel zu den Verhandlungen für eine „Ampel“-Koalition überschlagen sich Ökonomen, Gewerkschaften und Unternehmerverbände mit Forderungen nach mehr öffentlichen Investitionen. In einem ungewöhnlichen Schritt haben der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und die IG Metall in einem gemeinsamen Positionspapier von der künftigen Bundesregierung mehr Investitionen und ein höheres Tempo beim Umbau in eine „digitale und klimaneutrale Zukunft“ gefordert. Jörg Hofmann, der Erste Vorsitzende der IG Metall, beziffert in diesem Zusammenhang den Investitionsbedarf auf mehr als eine halbe Billion Euro für die Jahre bis 2030.

Ein strukturelles Problem

In Deutschland ist vielerorts ein Investitionsstau unübersehbar, dennoch ist angesichts der Geldwünsche von „Ampel“-Politikern, Wirtschaftsvertretern und Gewerkschaftern auch eine gewisse Skepsis geboten. Schon vor der Corona-Krise schoben die Bundesministerien nämlich eine Bugwelle von sogenannten Ausgaberesten vor sich her. Dabei handelt es sich um Mittel, die der Bundesfinanzminister den Ministerien bewilligt hatte, die letztendlich aber gar nicht abgeflossen sind. 

Im Pandemie-Jahr 2020 wuchs der Berg an Ausgaberesten der Bundesministerien auf die stolze Summe von mehr als 67 Milliarden Euro an. Für dringend benötigte Investitionen hatte der Bund vergangenes Jahr mehr als 71 Milliarden Euro eingeplant, am Ende blieben bei den Ministerien aber 21 Milliarden Euro ungenutzt liegen. Mit dabei waren Mittel für den Ausbau von Bundesautobahnen, die Wasserstoffstrategie des Bundes und den digitalen Breitbandausbau in ganz Deutschland. Da die Gelder nicht verfallen, konnten die Ministerien die nicht ausgegebenen Gelder ins laufende Jahr mitnehmen. 

Im Zusammenhang mit Ausgaberesten fiel in den vergangenen Jahren ziemlich regelmäßig das Bundesverkehrsministerium unter Andreas Scheuer (CSU) auf. Im Jahr 2018 saß sein Ministerium auf ungenutzten Mitteln in Höhe von 1,7 Milliarden Euro, 2019 sah es ähnlich aus. Vergangenes Jahr sind die Ausgabereste aller Bundesministerien auf die genannten 67 Milliarden Euro angewachsen

Corona verstärkt die Entwicklung

Verstärkt wurde die Entwicklung durch das mit Corona begründete zeitweilige Aussetzen der Schuldenbremse. Der Bund hat die Gelegenheit genutzt, um die Nettokreditaufnahme kräftig nach oben zu fahren. So sieht der Bundeshaushalt für die Jahre 2020, 2021 und 2022 eine Nettokreditaufnahme von insgesamt rund 470 Milliarden Euro vor. Es ist davon auszugehen, dass die Haushaltspolitiker die Ausnahmesituation dafür genutzt haben, auf Vorrat Kredite aufzunehmen für die Zeit, wenn die Schuldenbremse wieder greift.

 Die regelmäßig angefallenen Ausgabenreste aus der Zeit vor der Corona-Krise zeigen aber, dass es ein generelles Problem bei den öffentlichen Investitionen gibt. BDI-Präsident Siegfried Russwurm verband seine Forderung nach mehr öffentlichen Investitionen denn auch mit der nach schnelleren Planungs- und Genehmigungsverfahren, rascheren Rechtswegen sowie einer Verwaltungsreform. Auch der Wirtschaftsforscher Michael Hüther vom Kölner Institut der deutschen Wirtschaft hat neben einem hohen Nachholbedarf bei Investitionen in Deutschland ein Problem beim „administrativen Staatsaufbau“, also der Verwaltung, konstatiert.

Fachkräftemangel in der öffentlichen Verwaltung spielt dabei ebenso eine Rolle wie immer komplizierter werdende Gesetze und regelmäßige Verschärfungen etwa beim Brandschutz. Parallel zum Beginn der „Ampel“-Koalitionsgespräche haben 14 Wirtschaftsverbände gemeinsam gefordert, beim Verbandsklagerecht die EU-Vorgaben effektiv und sachgerecht, aber auch mit Augenmaß umzusetzen.

Der deutsche Staat ist mit seinem Problem, Investitionsvorhaben umzusetzen, kein Einzelfall. So bemängelte der Europäische Rechnungshof in seinem jüngsten Bericht nicht nur, dass Mittel aus den EU-Töpfen in unsinnige oder mindestens fragwürdige Projekte geflossen seien, sondern auch, dass 300 Milliarden Euro an Fördermitteln von den EU-Mitgliedstaaten nicht abgerufen worden seien. Gerade kleinere Kommunen sind mit der Bürokratie zur Fördermittelbeantragung überfordert. Zum Teil fehlen aber auch ganz einfach förderungsfähige Projekte.