19.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
Folge 44-21 vom 05. November 2021 / WestBalkan / Alte Konflikte verhindern EU-Beitritte / Machtansprüche, Kirchenhierarchie oder Autokennzeichen – Streitigkeiten der Vergangenheit flammen auf

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 44-21 vom 05. November 2021

WestBalkan
Alte Konflikte verhindern EU-Beitritte
Machtansprüche, Kirchenhierarchie oder Autokennzeichen – Streitigkeiten der Vergangenheit flammen auf

Beim EU-West-Balkangipfel am 6. Oktober in Slowenien sollte es eigentlich um die Zukunft der aus der Restmasse Jugoslawiens entstandenen Staaten gehen, aber die Konflikte der Vergangenheit waren gerade wieder hochgespült worden. Diese Konflikte sind keine gute Werbung für einen baldigen EU-Beitritt. Dennoch ließ EU- Kommissionpräsidentin Ursula von der Leyen wissen: „Wir möchten den Westbalkan in der Europäischen Union haben.“ Aber kleine Länder mit großen Konflikten sind auch für die EU nur eine Belastung und bergen eine Gefahr für Europa. 

Wladimir Putin, Recep Tayyip Erdogan und China sorgen auch auf dem Balkan für genügend Gegenfeuer zur EU. Wie Putin eine „russische Welt“ schaffen will, so möchte auch der serbische Innenminister Alexander Vulin eine „serbische Welt“ schaffen, wie er im Juli sagte. Dazu gehören alle serbisch besiedelten Gebiete außerhalb Serbiens, vor allem im Kosovo und in Bosnien-Herzegowina. Vulin sagte, serbische Soldaten sollten überall auf der Welt Serben verteidigen. 

In den Nachbarländern, insbesondere jenen mit einer großen ethnisch serbischen Volksgruppe wie Bosnien, Montenegro und Kosovo, sorgten diese Worte für Besorgnis und Widerspruch. Nach der Rede kam es deshalb auch zu Konflikten in einigen dieser Nachbarstaaten, nicht zuletzt in Montenegro, wo Anfang  September die Amtseinführung des neuen Metropoliten der serbisch-orthodoxen Kirche für Montenegro, Joanikije II. Micovic, mit einigen Schwierigkeiten verbunden war.

Ähnlich wie die meisten orthodoxen Kirchen und Klöster in der Ukraine zum russisch-orthodoxen Patriarchat in Moskau gehören, gehören in Montenegro die meisten Kirchen und Klöster auch nach der Erlangung der Unabhängigkeit des Landes im Jahr 2006 zur serbisch-orthodoxen Kirche mit Sitz in Belgrad. Montengrinisch-nationalistische Kräfte versuchen, eine montenegrinisch-orthodoxe Kirche als neue Nationalkirche zu etablieren. 

Mit einer eigenen Nationalkirche wollen einige auch die alte Monarchie des Hauses Petrović-Njegoš wiedererrichten, das sehr eng mit der montenegrinischen Kirche verbunden war. Sitz des Königs war die Kleinstadt Cetinje, die heute 14.000 Einwohner hat. Sie war bis 1918 auch die Hauptstadt des Mini-Königreichs. Diese Stadt ist bis heute Sitz der serbisch-orthodoxen Kirche. Deren neuer Metropolit für Montenegro musste im September mit Porfirije Peric, dem Patriarchen der gesamten serbisch-orthodoxen Kirche, per Hubschrauber zu seiner Amtseinführung nach Cetinje eingeflogen werden, weil es massive Proteste gegen seine Amtseinführung gab.

Auch in Bosnien-Herzegowina, das unter drei Volksgruppen aufgeteilt ist, brodeln Konflikte aus der Vergangenheit. Das bosnisch-serbische Parlament hat im Sommer bekannt gegeben, sich nicht mehr an einer gemeinsamen bosnischen Armee zu beteiligen. Das kroatische Mitglied des dreiköpfigen Präsidiums, Zeljko Komsic, sprach zwar von einem „Akt der Rebellion“; im Hintergrund betreiben allerdings auch nationalistische Kräfte in Kroatien die Schaffung einer dritten, kroatischen Entität. Übrigbleiben werden nur die muslimischen Bosniaken, die allerdings nur weniger als ein Drittel des Landes kontrollieren. 

EU bietet Geld statt Garantien

Am Ende des Sommers eskalierte der Kennzeichenstreit zwischen Kosovo und Serbien. Beide Länder wollten nur noch Fahrzeuge mit dem eigenen Landeskennzeichen die Grenze passieren lassen. Im nördlichen Teil Kosovos, wo die Mehrheit der Bevölkerung kosovo-serbisch ist, hatten daraufhin Angehörige der serbischen Minderheit aus Protest an zwei wichtigen Grenzposten Straßenblockaden errichtet. Die kosovarische und die serbische Regierung brachten Soldaten in die Grenzregion, bevor sich die Gemüter wieder beruhigten. Schließlich wollen beide verfeindeten Länder Mitglied der EU werden. 

EU-Mitglieder wie Frankreich, Dänemark und die Niederlande stehen einer neuerlichen EU-Erweiterung Richtung Balkan skeptisch gegenüber. Sie wollen keinen weiteren Staaten ein Vetorecht einräumen, solange sich die jetzigen Mitglieder schon nicht auf gemeinsame Grundlagen in der Außen-, Rechts-, und Migrationspolitik einigen können. Deshalb gibt es vorerst keine Aufnahmeperspektive, aber viel Geld aus Brüssel. In den kommenden sieben Jahren sollen neun Milliarden Euro an Fördergeldern in die Region fließen. Damit hofft Brüssel, dass der Einfluss Russlands, Chinas und der Türkei auf dem Balkan zurückgedrängt wird.