29.03.2024

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Folge 44-21 vom 05. November 2021 / Kommentar / Die Quote ist das Gegenteil von Fortschritt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 44-21 vom 05. November 2021

Kommentar
Die Quote ist das Gegenteil von Fortschritt
Hans Heckel

Bärbel ... wer? Als der Name der neuen Bundestagspräsidentin erstmals einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurde, konnte kaum ein Deutscher etwas mit der Sozialdemokratin anfangen. Bärbel Bas hatte bislang nur im Hintergrund der SPD-Führung gewirkt, obschon sie bereits seit 2009 im Bundestag sitzt. 

Die bisherige Gesundheitspolitikerin Bas stammt aus einfachen Verhältnissen und hat sich mit viel Fleiß und Bildungshunger hochgearbeitet – wohlgemerkt, nicht bloß in Partei und Apparat, sondern parallel zu ihrer politischen Tätigkeit auch im „richtigen Leben“. Die 53-Jährige, die zum linken Flügel ihrer Partei zählt, sticht damit hervor aus der mittlerweile fast durch die Bank akademisch und insbesondere berufspolitisch geprägten Funktionärsschicht nicht nur der SPD.

Man könnte versucht sein, in der Personalie Bas eine (kleine) Rückbesinnung der SPD auf ihren alten Kern als Arbeiterpartei zu sehen. Doch zerschellt diese Hoffnung sofort, wenn in den Blick fällt, warum Bas auserkoren wurde – nämlich nicht wegen ihres Werdegangs oder ihrer hervorstechenden Kompetenz für das Amt, sondern, weil sie eine Frau ist.

Vormoderne Auswahlkriterien

Eigentlich hatte SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich auf das Amt des Bundestagspräsidenten spekuliert. Doch da mit Frank-Walter Steinmeier und dem voraussichtlichen Bundeskanzler Olaf Scholz bereits Männer zwei der drei höchsten Ämter im Staate innehaben würden, musste für den Stuhl des Parlamentschefs unbedingt eine Frau her.

Hier zeigt sich eine Verfahrensweise, die sich fortschrittlich dünkt, in Wahrheit aber tief in vordemokratisches Denken zurückführt. Vom Mittelalter bis in die frühere Neuzeit war es in Deutschland und ganz Europa üblich, dass nicht die Befähigung darüber entschied, was jemand werden konnte oder sollte. Stattdessen waren lauter ererbte Merkmale ausschlaggebend wie Stand, Herkunft oder Geschlecht.

Es war ein Ziel und das große Verdienst der modernen Zeit, dieses Dickicht an ererbten oder angeborenen Privilegien und Nachteilen weitestgehend niedergerissen zu haben, um unabhängig von alldem den Menschen Chancen wegen ihrer Fähigkeiten freizumachen. Ein großer Sieg auch der Gerechtigkeit, denn Fähigkeiten kann man sich erarbeiten, angeborene Eigenschaften wie Geschlecht oder Herkunft nicht.

Schon werden weitere Stationen auf dem Weg zurück ins Vormoderne abgesteckt. Immer aufdringlicher erheben Lobbygruppen die Forderung nach „Migrantenquoten“. Mit Einführung solcher Quoten würde die republikanische, demokratische Nation Schritt für Schritt rückabgewickelt.

Republik oder „Libanon“

Die Gesellschaft zerfiele in nationale, religiöse oder nach Hautfarbe getrennte Gruppen, die jeweils ihre Repräsentanten in die Führung des Staates wählten. Diese Repräsentanten fühlten sich dann kaum mehr dem gesamten Volk, sondern zuvörderst ihrer ethnisch oder wie auch immer bestimmten Gruppe verpflichtet. Von einer übergreifenden Bürgergesellschaft könnte keine Rede mehr sein, argwöhnisch würden sich die unterschiedlichen Gruppen und deren Repräsentanten gegenseitig beäugen und um ihren Anteil an Macht und Wohlstand ringen, während das Gemeinwohl aus den Augen geriete.

Für den Althistoriker Egon Flaig folgt eine solche Gesellschaft dem Konzept des Libanon, eine in Gruppen (Moslems, Christen, Drusen) zerfallene Nation, der es an einer gemeinsamen geistig-kulturellen Klammer fehlt. Dem stellt er das Konzept der säkularen Republik gegenüber. Herrscht in der Republik ein gruppenübergreifendes Grundvertrauen, dass auch den Mitgliedern einer unterlegenen Partei alle Rechte bleiben, wenn eine andere die Macht erringt, so fehlt dieses Vertrauen bei den Angehörigen unterschiedlicher Gruppen des Libanon. Das nahöstliche Land verharrt daher in einem labilen Proporzsystem, gebildet aus lauter fein austarierten Quoten. 

Es ist ein Witz, dass die Forderung nach immer mehr Quoten und Proporz als fortschrittlich propagiert wird. Sie ist exakt das Gegenteil.