19.04.2024

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Folge 44-21 vom 05. November 2021 / Toni Schmücker / Unter ihm schrieb VW wieder schwarze Zahlen / Vor 25 Jahren starb der Rheinpreuße, der sieben erfolgreiche Jahre an der Spitze des Automobilkonzerns stand

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 44-21 vom 05. November 2021

Toni Schmücker
Unter ihm schrieb VW wieder schwarze Zahlen
Vor 25 Jahren starb der Rheinpreuße, der sieben erfolgreiche Jahre an der Spitze des Automobilkonzerns stand
Manuel Ruoff

„Schmidt ist schmuck, aber ich bin Schmücker.“ Dieses geistreiche Wortspiel wird dem am 23. April 1921 in der westlich an Köln angrenzenden Stadt Frechen geborenen Industriemanager Toni Schmü­cker nachgesagt. Beide Männer gehörten derselben Generation an, brachten es in der Wehrmacht bis zum Oberleutnant und bekleideten ihre jeweils wichtigsten Ämter fast zeitgleich. Schmidt war von 1974 bis 1982 Bundeskanzler, Schmücker von 1975 bis 1982 VW-Vorstandsvorsitzender. 

Bereits Schmückers Vater hatte bei einem Autohersteller gearbeitet, allerdings nicht als Vorstandsvorsitzender, sondern als Arbeiter, und nicht bei VW in Wolfsburg, sondern bei Ford in Köln. Dort fing auch Toni Schmücker nach dem Erwerb der mittleren Reife an, und zwar mit einer kaufmännischen Lehre. Der Berufsausbildung folgten Reichsarbeits- und Kriegsdienst. Frühzeitig aus der Kriegsgefangenschaft entlassen, konnte er schon bald seine Tätigkeit in dem US-Unternehmen fortsetzen. Schnell stieg er auf. 1950 wurde er Abteilungsleiter, 1961 Vorstandsmitglied. Er wurde bereits als zukünftiger Vorstandsvorsitzender gehandelt, verließ aber 1968 Ford. Zweierlei soll Schmücker bei Ford gestört haben. Zum einen die Abhängigkeit von der Europazentrale in London. Zum anderen die Aussicht, im Rahmen einer weiteren Karriere in dem US-Unternehmen im Ausland eingesetzt zu werden. 

Schmücker wechselte in den Vorstand der Rheinischen Stahlwerke in Essen, in dem er noch im selben Jahr den Vorsitz übernahm. Er holte das Unternehmen aus den roten Zahlen und machte es derart attraktiv, dass es 1973 zu einer freundlichen Übernahme durch die August-Thyssen-Hütte kam. Schmücker wurde in dessen Vorstand übernommen, war dort allerdings nur einfaches Mitglied.

Er hatte sich bei Rheinstahl den Ruf eines Sanierers erworben, und so jemanden war beim Volkswagenwerk gefragt, das tief in den roten Zahlen steckte. Ferdinand Porsches Käfer-Konzept mit luftgekühltem Boxermotor im Heck, der die Heckräder antreibt, hatte VW in der Ära Heinrich Nordhoffs über Jahrzehnte satte Gewinne beschert, aber am Ende dieser Ära galt das Konzept als veraltet und überholt. Unter Nordhoffs beiden Nachfolgern an der VW-Spitze, erst ab 1968 Kurt Lotz, dann ab 1971 Rudolf Leiding, war der revolutionäre Wechsel zum Golf-Konzept mit wassergekühltem Frontmotor, der die Fronträder antreibt, eingeleitet worden. Es war bereits gesät, aber die Ernte fiel noch mager aus, und nach kurzen Amtszeiten von jeweils gut drei Jahren wurden Lotz und Leiding in die Wüste geschickt. Nicht zuletzt die Entwicklungskosten der neuen Modelle mit dem neuen Konzept, aber auch die Ölkrise und der schwache US-Dollar ließen die Verluste 1974, dem letzten von Leiding vollständig verantworteten Jahr, auf eine Höhe von über 800 Millionen D-Mark steigen. Anfang des folgenden Jahres musste er gehen.

Nun erhielt Schmücker seine Chance und genügend Zeit, um die Ernte einzufahren. Unter seinen beiden Vorgängern waren bereits die vier modernen Modelle 

Scirocco, Polo, Golf und Passat auf den Markt gekommen. Schmücker erweiterte das Angebotssegment ab 1977 im Zweijahresrhythmus um Stufenheckvarianten der drei letztgenannten Typen mit den Modellbezeichnungen „Derby“, „Jetta“ und „Santana“. Audi positionierte er als Premiummarke. Dazu passte, dass die Produktion des großen VW K70 und des kleinen Audi 50 1975 beziehungsweise 1978 eingestellt wurde. Aus der mit Porsche gemeinsam angefangenen Entwicklung eines Nachfolgers für den von 1969 bis 1975 gebauten Sportwagen VW-Porsche stieg VW auf Schmückers Geheiß aus. Der VW-Chef hielt dieses Marktsegment zum einen aufgrund der Ölkrise für begrenzt und zum anderen durch den Scirocco bereits genügend durch sein Unternehmen abgedeckt. Soweit zu Schmückers Modellpolitik.

Unabhängig davon, wessen Verdienst sie waren, ließen die Zahlen Schmücker gut aussehen. Im Februar 1975 hatte er den Vorstandsvorsitz übernommen, bereits im August des Jahres schrieb VW wieder schwarze Zahlen. Im ersten Kalenderjahr, das Schmücker voll verantwortete, betrug der Gewinn eine Milliarde D-Mark. Von 1975 bis 1979 erhöhte sich der Konzernabsatz von 1,95 auf 2,54 Millionen Fahrzeuge. 

So war es denn auch nicht sein Aufsichtsrat, sondern sein Körper, der den VW-Vorstandsvorsitzenden nach sieben Jahren schließlich ausbremste. Eine schwere Herzattacke im Juni 1981 zwang ihn noch im selben Jahr zum Rückzug aus der Konzernführung. Im darauffolgenden Jahr wechselte er in den Aufsichtsrat. Am 6. November 1996 starb Toni Schmücker in Bergisch Gladbach.