25.04.2024

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Folge 45-21 vom 12. November 2021 / Preußisch Litauen Seit dem Zerfall der Sowjetunion ist das nördliche Ostpreußen nicht nur Grenzgebiet zwischen der NATO und Russland, sondern auch Gegenstand geostrategischer Planspiele / Erhebt Litauen Ansprüche auf Königsberg? / Der Chefredakteur des russischen Internet-Portals RuBaltic.Ru erhebt in einer 60-seitigen Studie schwere Vorwürfe

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 45-21 vom 12. November 2021

Preußisch Litauen Seit dem Zerfall der Sowjetunion ist das nördliche Ostpreußen nicht nur Grenzgebiet zwischen der NATO und Russland, sondern auch Gegenstand geostrategischer Planspiele
Erhebt Litauen Ansprüche auf Königsberg?
Der Chefredakteur des russischen Internet-Portals RuBaltic.Ru erhebt in einer 60-seitigen Studie schwere Vorwürfe
Wolfgang Kaufmann

In Reaktion auf die NATO-Osterweiterung und geplante oder bereits vollzogene Stationierungen von Raketensystemen im Vorfeld seiner Westgrenze begann Russland im Jahre 2016, mit atomaren Sprengköpfen bestückbare Raketen ins Königsberger Gebiet zu verlegen. Daraufhin entwarfen hochrangige NATO-Vertreter wie der damalige Oberbefehlshaber des United States European Command (USEUCOM), General Philip Mark Breedlove, dramatische Bedrohungsszenarien. 

Außerdem äußerte der Nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Donald Trump, Robert O’Brien, im Mai 2020, die „Region Kaliningrad“ sei ein „Dolch im Herzen Westeuropas“. Man ging seitens der NATO aber davon aus, dass es keine realistische Möglichkeit gebe, Moskaus Brückenkopf zwischen Polen und Litauen auf militärischem Wege zu neutralisieren. Damit kam das 2014 eröffnete NATO Strategic Communications Centre of Excellence (NATO StratCom COE) in der lettischen Hauptstadt Riga ins Spiel. Es nutzt Methoden der psychologischen Kriegsführung, um die russische Exklave zu destabilisieren. 

Eine davon analysiert nun Alexander Nosowitsch, Chefredakteur des russischen Internet-Portals RuBaltic.Ru und Mitglied der Gesellschaftskammer des Königsberger Gebietes. Der Journalist und Politikwissenschaftler gilt im benachbarten Litauen als Persona non grata, weil er angeblich die Sicherheit der baltischen Republik gefährdet. Tatsächlich legt Nosowitsch aber eher die Finger in offene Wunden, wie jetzt wieder mit seiner neuen, 60 Seiten umfassenden Studie namens „Klein-Litauen. Wer versucht warum das Kaliningrader Gebiet von Russland abzutrennen?“ Darin berichtet er über eine aktuelle Kampagne, hinter der scheinbar nur die Regierung in Wilna (Vilnius) steht, die aber auch die Handschrift des NATO StratCom COE trägt.

„Dolch im Herzen Westeuropas“

Wie Nosowitsch nachweist, lanciert die litauische Führung nun systematisch die These, dass Russland die Exklave auf ostpreußischem Gebiet illegal besetzt halte. Dazu bedient sie sich des Mythos des sogenannten Klein-Litauen, einem angeblich traditionell litauischen Siedlungsgebiet, das endlich in die Republik Litauen „zurückkehren“ müsse, nachdem die Rote Armee es 1945 „vorübergehend“ für 50 Jahre annektiert habe. 

NATO StratCom COE

Ziel des Ganzen, so Nosowitsch, sei ganz offensichtlich die Delegitimierung der russischen Gebietsansprüche und die Verunsicherung der russischen Bevölkerung im Königsberger Gebiet, die Moskau schlussendlich dazu veranlassen sollen, die Exklave aufzugeben. Dabei hege man in Wilna gar keine sonderliche Begeisterung für die vermeintliche „Wiege der litauischen Kultur“. 

Hiervon zeugten unter anderem die völlige Vernachlässigung angeblich „heiliger Orte“ der Litauer im Königsberger Gebiet wie des Museums zur Erinnerung an den als Urvater der modernen litauischen Dichtung geltenden protestantischen Pfarrer Christian Donalitius (Kristijonas Donelaitis) in Tollmingkehmen [Tschistyje Prudy]: Weshalb drücke sich Wilna um die Finanzierung der Erhaltung dieses „nationalen Kleinodes“ der Litauer und überlasse sie dem russischen Steuerzahler, während große litauische Medien aufs Übelste über die „minderwertigen Slawen“ herzögen und „rassistische“ Artikel veröffentlichten, in denen die Russen als Wodka-saufende Versager dastünden? Und warum rühre Litauen eigentlich keinen Finger, um den 12.000 ethnischen Litauern in der russischen Exklave das Leben zu erleichtern? Die litten schließlich unter der „Boykotthetze“ der Führung in Wilna, die den eigenen Bürgern nahelege, nicht in das Königsberger Gebiet zu reisen, um dort ihre Verwandten zu treffen.

Für Nosowitsch ist klar, dass die litauische Regierung weder die Interessen ihres Landes noch der litauischen „Titelnation“ im Blick habe, wobei Letztere sowieso aussterbe. Vielmehr fühle man sich in Wilna der „transatlantischen Solidarität“ mit den USA und der „westlichen Wertegemeinschaft“ verpflichtet, deren Hauptziel darin bestehe, Russland „einzudämmen“. Daraus leitet der RuBaltic.Ru-Chefredakteur das folgende Fazit ab:

„Die Verbreitung der Doktrin von ,Klein-Litauen‘ ist Teil des strategischen Plans der NATO, die Region Kaliningrad von Russland loszulösen und so die geopolitischen Verhältnisse in Europa radikal zu verändern. Daher sollten die destruktiven Aktivitäten der Republik Litauen so ernst wie möglich genommen werden. Hier geht es nicht um Phantomschmerzen oder die Phantasien eines kleinen, ressourcenlosen osteuropäischen Landes. Vielmehr sprechen wir hier von einem Spiel mit sehr, sehr hohen Einsätzen“, in dem die wahren Akteure anderswo als in Wilna säßen. 

Sprachrohr des Kreml?

In diesem Zusammenhang bringt Nosowitsch auch einen antideutschen Seitenhieb, indem er auf angebliche Bemühungen zur schleichenden „Germanisierung“ der russischen Exklave verweist, die mit dem Versuch einhergingen, die sogenannte „Königsberger Identität“ herauszubilden. Dem folgt freilich die triumphierende Feststellung, dass solchen Formen der Destabilisierung „vorerst“ durch entsprechende Maßnahmen gegen deutsche Nichtregierungorganisationen Einhalt geboten worden sei.

Es besteht sehr wohl die Möglichkeit, dass Nosowitsch, der seine Studie auch im Rahmen der Online-Fachkonferenz „75 Jahre Kaliningrader Gebiet: Die geopolitischen Herausforderungen eines feindlichen Umfelds“ vorstellte, nicht nur im eigenen Namen sprach. Immerhin charakterisiert der lettische Geheimdienst Drošības Policija RuBaltic.Ru als ein Medium, das dem Kreml nahestehe und für diesen zulasten der drei baltischen Staaten politische Propaganda betreibe.

Interessante Informationen zu dem Thema bietet auch der Beitrag „Bericht: Litauen bereitet Gebietsansprüche auf Kaliningrader Gebiet vor“ auf der Internetseite des russischen Auslandsfernsehprogramms RT (Russia Today) https://de.rt.com. Alexander Nosowitschs Studie „Klein-Litauen. Wer versucht warum das Kaliningrader Gebiet von Russland abzutrennen?“ findet man auf der Internetseite https://www.rubaltic.ru