27.04.2024

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Folge 45-21 vom 12. November 2021 / Kommentar / Das Ende der Integration

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 45-21 vom 12. November 2021

Kommentar
Das Ende der Integration
Hans Heckel

Der frühere Richter am Bundesverfassungsgericht Udo di Fabio äußerte sich in der „Welt am Sonntag“ besorgt über die Debatten in Deutschland. An die Stelle des harten, sachlichen Streits seien „eifernde Züge eines Glaubenskampfes“ getreten, der „Andersdenkende nicht als nur mehr Gegner, sondern als Feind betrachtet und mit Hass verfolgt“.

Hinter dem, was der Jurist hier beleuchtet, steckt weit mehr als der Triumph schlechter Umgangsformen. Es kann auch als Verfall dessen gedeutet werden, was das Erfolgsrezept der alten Bundesrepublik war. Dieses Rezept bestand darin, auch stark abweichenden Ideologien und Grundeinstellungen mit einem hohen Maß an Toleranz und Gelassenheit zu begegnen.

Toleranz und Gelassenheit waren dabei keineswegs Luxus, sondern der – erfolgreiche – Versuch, die noch junge Demokratie zu stabilisieren. Dieses Rezept zielte auf die Integration widerstreitender Lager in den gemeinsamen demokratischen Diskurs, um Radikalisierungen vorzubeugen oder entgegenzuwirken. Nur so konnte erreicht werden, was später als „Konsensgesellschaft“ zum Kennzeichen der Bundesrepublik werden sollte.

Erfolgsrezept der Bundesrepublik

Es begann gleich nach dem Krieg. Die Erfahrungen zweier Weltkriege, der Weimarer Zeit und des Nationalsozialismus hatten das Volk zutiefst verunsichert. Die Integration auch zunächst – vorsichtig ausgedrückt – „demokratiekritischer“ Gesellschaftsteile wird heute gern als allzu große Nachsicht mit den „Belasteten“ des NS-Regimes denunziert. Vor allem aber galt sie deren Integration in die neue Republik und ihrer Versöhnung mit der Demokratie.

Ende der 1960er Jahre wurde die Bundesrepublik dann von einer stark linksradikal gefärbten, rote Despoten wie Mao oder Lenin anhimmelnden Bewegung herausgefordert. Abgesehen von jenen, die unrettbar in den Terrorismus abglitten, war es dennoch das Bemühen der tonangebenden Kräfte jener Zeit, die zumeist jungen Revoltierer in den Diskursrahmen der Republik zurückzuholen – wiederum überwiegend mit Erfolg. 

Nach der deutschen Vereinigung lautete die Devise, die Deutschen in alten und neuen Bundesländern wieder in einer Nation zusammenzuführen. Auch das gelang besser, als es viele anfangs zu hoffen wagten, selbst wenn einiges auf der Strecke blieb.

Keine dieser Integrationsanstrengungen war vollkommen erfolgreich, immer blieb auch etwas nach, das die Republik langfristig belastete, etwa über den „Marsch durch die Institutionen“ der 68er. Und dennoch blieb die „Konsensgesellschaft“ im Ganzen intakt, was nach der Vorgeschichte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts keine Selbstverständlichkeit war.

Hier wird etwas zerstört

Vor einiger Zeit jedoch scheint das Integrationsmodell auf dem Müll gelandet zu sein. Man vergleiche den Umgang mit den jungen Grünen, die sich zu einem erheblichen Teil aus K-Grüpplern und anderen Demokratieverächtern speisten, mit der Art, wie die AfD behandelt wird: Einst behutsame Integration, jetzt rabiate Ausgrenzung und maximale Dämonisierung.

Und es trifft bei Weitem nicht nur die blaue Partei: Die linke „Cancel Culture“ hat den streitbaren Dialog verdrängt, Bürgerbewegungen wie „Querdenken“ werden nur noch nach zweifelhaften Demo-Teilnehmern abgesucht, um nachher die gesamte Bewegung denunzieren zu können. Radikalisiert sich die Opposition dann tatsächlich an einigen Ecken, wird dies nicht selbstkritisch als Folge der Ausgrenzung anerkannt, sondern als nachträgliche Bestätigung für deren Richtigkeit. Es ist absurd. Selbst bei rein wissenschaftlichen Fragen wie Klima oder Corona greifen die Eiferer zum Vorwurf des „Leugners“, der erkennbar an die „Holocaust-Leugner“ erinnern und die maximale Verdammung rechtfertigen soll. 

Damit wird die Axt angelegt an das Erfolgsrezept der Republik. Dass dies durchweg aus Versehen geschieht, mag man kaum glauben. Der Verdacht drängt sich auf, dass gewisse Kräfte hier etwas bewusst zerstören wollen. Sie dürfen damit nicht durchkommen.