20.04.2024

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Folge 45-21 vom 12. November 2021 / An vorderster Virus-Front / Corona erfasst das Fernsehen – ZDF mit einem filmischen Schnellschuss zur aktuellen Pandemie

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 45-21 vom 12. November 2021

An vorderster Virus-Front
Corona erfasst das Fernsehen – ZDF mit einem filmischen Schnellschuss zur aktuellen Pandemie
Anne Martin

Die vierte Corona-Welle, die laut Bundesgesundheitsminister Jens Spahn „mit voller Wucht“ auf uns zurollt, schwappt jetzt sogar übers Fernsehen in die deutschen Wohnzimmer hinein. Das ZDF zeigt einen Katastrophenfilm, in dem der Zuschauer mit dem Spannungs-Virus infiziert werden soll. Es geht um die gegenwärtige Pandemie. Und die Gefahr ist noch lange nicht vorbei.

„Weißt du, was uns am meisten fehlen wird?“, fragt die Ärztin Caroline Mellau ihren Mann Stefan, kaum dass die Pandemie Fahrt aufgenommen und die ersten Sanktionen verhängt worden sind. „Bundesliga, Fernreisen, Haarschnitt?“, mutmaßt der. „Nähe“, antwortet sie. Nicht ahnend, dass ihr ausgerechnet diese Nähe zum Verhängnis werden wird. 

„Die Welt steht still“ heißt der Film zur aktuellen Pandemie, der am 15. November um 20.15 Uhr im ZDF läuft und die aktuelle Krise aufgreift. „Die Personen sind frei erfunden, das Virus ist real“, heißt es im Vorspann. Im Mittelpunkt der Ereignisse stehen die Mitarbeiter eines Krankenhauses in Konstanz, die sich dem unsichtbaren Angreifer entschlossen entgegenstellen. 

Wie es der Autorin Dorothee Schön gelingt, die wichtigsten Aspekte der Seuche in menschlich packende Schicksale zu überführen, ist beeindruckend. Im Fokus steht die Intensivärztin Dr. Mellau (Natalia Wörner, die Partnerin von Bundesaußenminister Heiko Maas), die eigentlich beruflich kürzertreten will, aber unversehens an der Corona-Front unter Einsatz ihres Lebens arbeitet. Der Ehemann im Film, ein Musiker, verliert von einem Tag auf den anderen alle Aufträge und Auftrittsmöglichkeiten. Ein benachbarter Optiker (Klaus Pohl) vertritt Positionen der Querdenker, bestärkt von seiner Frau (Lena Stolze), die ihm in seinen Ansichten getreulich folgt.

Ausgerechnet dieser Skeptiker – man ahnt es gleich – wird erkranken, auch wenn er seine Luftnot zunächst als Grippe abtut. Als Referenz an das Genre des Katastrophenfilms wird immer wieder ein Countdown eingeblendet, der die Dramatik der Lage betont: noch 30 Tage bis zum ersten Todesfall in Konstanz, noch 24, noch zehn, am 1. April ist es dann soweit. 

Im Nachbarland Frankreich ist die Lage längst eskaliert, die Intensivstationen sind überfüllt, eine Patientin aus Straßburg wird per Hubschrauber in das deutsche Krankenhaus verlegt. „Bereitet euch auf einen Krieg vor“, sagt der begleitende Sanitäter. 

Erwartbare ideologische Haltung

Die wichtigste Waffe in diesem Krieg wird der Impfstoff sein, der hier noch keine Rolle spielt. Ein weiteres Hilfsmittel sind Tablet-Computer, mit denen die Ärztin die Kontaktsperre durchbricht und Familienmitgliedern einen letzten Kontakt zu ihren sterbenden Angehörigen ermöglicht. Auch sie selbst versucht die Verbindung zu ihrer isoliert im Heim lebenden Mutter mit Hilfe der Technik zu halten – ein kläglicher Versuch, der die demente alte Frau nur verstört. 

Immer wieder mischt Regisseur Anno Saul die Fiktion mit der Realität. Die Neujahrs-Ansprache 2020 der Kanzlerin wird eingespielt mit der dringlichen Warnung, die Lage ernst zu nehmen. Dazu Originalaufnahmen des Papstes, der ganz allein über den Petersplatz geht und den Segen „Urbi et Orbi“ in Abwesenheit der sonst üblichen Menschenmassen erteilt. Überhaupt geht es um die Einsamkeit in Zeiten der Kontaktverbote, die bis tief hinein in die Familien reicht. Und um die Angst vor der unsichtbaren Gefahr, die überall lauert, der Schrecken, wenn die pubertierende Tochter ihrem Freund zu nahekommt. 

Die Haltung des Films ist klar – er vermittelt Respekt vor den Pflegekräften sowie eine erwartbare deutliche Kritik an den Querdenkern, die von „Gesundheits-Faschismus“ und einer „Bill-Gates-Verschwörung“ reden. Dass dieser Covid-Film nicht zur moralinsauren Belehrung verkommt, ist der Autorin und einer differenziert spielenden Natalia Wörner zu verdanken, die sich auch ketzerische Gedanken erlauben darf. 

Eines Tages wird der Optiker auf ihrer Station eingeliefert, immer noch renitent und jede Hilfe verweigernd. „Ich bin ein schlechter Mensch“, gesteht die Ärztin abends ihrem Mann, „ich habe mich bei dem Gedanken ertappt, dass ich Herrn Schwarz seine Krankheit gönne.“ Ein Reflex, der aus ihrer ärztlichen Sicht verständlich ist. Aber die Situation spitzt sich zu, und diese Ärztin geht ins Risiko. Als der alte Mann weiterhin intensivmedizinische Maßnahmen verweigert, ermöglicht sie seiner Frau wider jede Vorschrift einen letzten Besuch am Sterbebett. Später, nach der Beerdigung, steht sie vor ihrer Tür, um Hilfe anzubieten. 

Das ist ein anrührender Moment, der manch Gewissensentscheidung dieser Zeit auf den Punkt bringt und gleichzeitig eine deutliche Kritik an den rigorosen, staatlich verordneten Kontaktsperren, die gerade Alte und Kranke als Isolationsfolter erlebt haben müssen.  „Ich bin mutterseelenallein“, sagt die Witwe. Da geht die Ärztin spontan auf sie zu und nimmt sie in den Arm. Eine Geste des Mitgefühls, die Folgen haben wird – auch Caroline Mellau erkrankt an Corona. 

Was wird von den Monaten der Pandemie bleiben, wenn alles wieder nahezu normal läuft, wenn der Ausnahmezustand wie versprochen Ende des Jahres aufgehoben wird? Das Script für diese Fortsetzung muss noch geschrieben werden.