25.04.2024

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Folge 45-21 vom 12. November 2021 / Hinterpommern / Treptow an der Rega / Viele Persönlichkeiten der Geschichte lebten hier und prägten die Stadt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 45-21 vom 12. November 2021

Hinterpommern
Treptow an der Rega
Viele Persönlichkeiten der Geschichte lebten hier und prägten die Stadt
Erwin Rosenthal

An keinem anderen hinterpommerschen Fluss liegen mehr Städte als an der Rega. Es sind dies Labes, Schiefelbein, Regenwalde, Plathe, Greifenberg und Treptow. Wer großzügig ist, rechnet auch Naugard und Daber hinzu. 

Im Mündungsbereich ist der Fluss geteilt. Die Alte Rega durchfließt den Kamper See, bevor sie beim Dorf Kolberger Deep in die Ostsee mündet. Die Neue Rega, ein künstlicher Flussarm, mündet beim Dörflein Treptower Deep in die Ostsee. Der zu Treptow gehörende Ort ist zugleich Fischerdorf und Badeort. Vor Zeiten gab es hier den Seehafen Regamünde. Treptow war Mitglied der Hanse. 

In den Jahren 1924 bis 1935 lebte der deutsch-amerikanische Maler Lyonel Feininger in jedem Sommer mit seiner Familie in Deep, bevor er 1937 Deutschland verlassen musste. Er erhielt hier Anregungen für seine Arbeiten mit Motiven vom Strand, dem Meer und der Schifffahrt.

Zur Stadt war das kleine Landstädtchen Treptow, das 1939 etwa zehntausend Einwohner hatte, im Jahre 1277 erhoben worden. Heute ist die Ansiedlung, die von drei Seiten vom Fluss eingeschlossen wird, das getreue Abbild einer hinterpommerschen Kleinstadt. Die einst prosperierende, wohlhabende Stadt hinterlässt gegenwärtig jedoch eher einen ländlichen, etwas verschlafenen Eindruck. 

Erhaltener Stadtkern

Besonders sehenswert ist der historische, fast mittelalterlich anmutende, gut erhaltene Stadtkern. Sein Zentrum bildet der quadratische Marktplatz mit dem im Jahre 1701 im Barockstil erbauten Rathaus und den Bürgerhäusern. Die vier Stadttore wurden abgetragen. Von der im 14. Jahrhundert errichteten 2,5 Kilometer langen Stadtmauer sind hingegen große Teile, darunter der 14 Meter hohe Pulverturm, erhalten geblieben. Der Turm soll eine besondere Rolle im Streit zwischen Treptow und Greifenberg um die freie Schifffahrt auf der Rega gespielt haben.

Als Treptow damit begonnen hatte, von Greifenberger Schiffen Zoll einzufordern, verärgerte das die Kaufleute Greifenbergs. Der Konflikt eskalierte, als Treptow im Jahre 1449 versuchte, die Rega für alle aus dem Süden kommenden Schiffe zu sperren. In Treptow machte daraufhin die folgende Geschichte die Runde: Bei seiner Nachtwache, so heißt es, sei einem Treptower „Türmer“ oben vom Pulverturm eine Schüssel mit kochend heißer Grütze aus der Hand gefallen und auf den Köpfen der sich anschleichenden, angriffslustigen Greifenberger gelandet. Die Schmerzensschreie der so Empfangenen weckten die ganze Stadt, worauf der Angriff abgewehrt werden konnte. Die Grütze hatte also die Stadt gerettet, der Turm hieß fortan Grützturm.

Bedeutendstes Bauwerk – Die Marienkirche 

Das eindrucksvollste Gebäude der Stadt ist die im 14. und 15. Jahrhundert erbaut Marienkirche, eine dreischiffige Hallenkirche mit ihrem 90 Meter hohen Turm. Seine heutige Gestalt erhielt der Turm im Jahre 1864 durch den bekannten königlich-preußischen Baumeister Friedrich August Stüler. Das Gotteshaus, bis 1945 die evangelische Stadtpfarrkirche, ein bedeutendes Bauwerk der Backsteingotik, wurde nach dem Krieg zur katholischen Kirche umgewidmet. 

Das klassizistische Schloss, am Mühlbach gelegen, ließ 1750 Herzog Friedrich Eugen von Württemberg auf dem Baugrund der früheren Burg der Greifen errichten. Hier empfing der Herzog seine Gäste, was der Stadt den Glanz einer kleinen Residenz einbrachte. Das Schloss war im Jahre 1754 das Geburtshaus seines Sohnes Friedrich Wilhelm Karl von Württemberg, des späteren ersten Königs von Württemberg. 

1867 erblickte hier Elisabeth Wilhelmine Louise von Württemberg das Licht der Welt. Sie wurde die erste Gemahlin des späteren Kaisers Franz II., des letzten Kaisers des Heiligen Römischen Reiches, der 1804 das Kaisertum Österreich begründete. Ebenfalls in der Treptower Residenz der Württemberger lebte längere Zeit die 1859 in Stettin geborene Prinzessin von Württemberg, Sophie Dorothee Auguste Luise. Sie wurde im Jahre 1796 als zweite Ehefrau des russischen Zaren Paul I. unter dem Namen Maria Fjodorowna Zarin von Russland. Zwei ihrer Kinder trugen ebenfalls die Zarenkrone (Alexander I. und Nikolaus I.). Von 1807 bis 1811 lebte Blücher in dem vornehmen Palast.

Während der Reformation spielte Treptow eine bedeutende Rolle im religiösen Leben Pommerns. Im geschichtsträchtigsten Gebäude der Stadt, der Kapelle des Heiligen Geistes, beschloss der pommersche Landtag im Jahre 1534 auf Veranlassung der Herzöge Barnim IX. von Pommern-Stettin und Philipp I. von Pommern-Wolgast die Einführung der lutherischen Lehre. Ein Jahr später veröffentlichte der pommersche Reformator Johannes Bugenhagen, der in Treptow die Reformation vorbereitet hatte, die erste lutherische Kirchenordnung für das Land. Dies gilt als Geburtsstunde der Pommerschen Landeskirchen. 

Bereits seit dem Herbst 1504 hatte Bugenhagen in Treptow mit großem Erfolg als Rektor der Stadtschule, wo er Latein unterrichtete, kirchlicher Notar, Priester und ab 1517 auch theologischer Lehrer am Prämonstratenser-Konvent Belbuck gewirkt. Die Stadtschule war unter seiner Leitung weit über die Grenzen Pommerns hinaus bekannt geworden. 

Es ist nicht leicht, im heutigen Trzebiatów Spuren Bugenhagens zu finden. Niemand der im Oktober 2021 befragten Stadtbewohner kannte den pommerschen Reformator. Das verwundert nicht, wenn die Reformation in Pommern lediglich als Beschlagnahme von Kirchen- und Klostergütern und die faktische Liquidierung der katholischen Kirche im Herzogtum gesehen wird. Nachzulesen ist das in einem von der Stadt herausgegebenen Faltblatt für Touristen. Luther und unser „Doctor Pomeranus“ (Bugenhagen) werden hier gründlich fehlinterpretiert.