26.04.2024

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Folge 45-21 vom 12. November 2021 / Umwelt / Rettet die Kastanie! / Der Laubbaum ist durch eine Motten- und eine Bakterienart gefährdet – Eine Herbstaktion durch Laubsammeln soll helfen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 45-21 vom 12. November 2021

Umwelt
Rettet die Kastanie!
Der Laubbaum ist durch eine Motten- und eine Bakterienart gefährdet – Eine Herbstaktion durch Laubsammeln soll helfen
Dagmar Jestrzemski

Bis um 1990 galt die Gewöhnliche Rosskastanie (Aesculus hippocastanum) als ein weitgehend unproblematischer Park- und Straßenbaum, der kaum Krankheiten aufwies. Diese Baumart kommt im Wald nur vereinzelt vor, da sie nicht forstwirtschaftlich genutzt wird. 

Seit Mitte der 90er Jahre aber leidet die Kastanie, genauer gesagt, die weißblühende Rosskastanie, unter dem Befall der Miniermotte, einem winzigen, aus Ostasien über den Balkan eingeschleppten Pflanzenschädling. Um auf den notwenigen Schutz dieser Baumart aufmerksam zu machen, wurde die Kastanie 2005 zum Baum des Jahres gewählt. Aus demselben Grund erklärte die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald 2008 den 13. November zum „Rettet-die-Kastanie-Tag“. 

Jährlich wird in einigen Städten und Gemeinden zu einer Laubsammelaktion am 14. November aufgerufen. Insbesondere richtet sich der Aufruf zum Mitmachen an Kindergartengruppen, Schulklassen und Vereine. Die verpuppten Larven der Miniermotte überwintern im Laub der Rosskastanie. Entfernt man das Laub nicht, schlüpfen die Tiere, kriechen den Stamm hinauf und fressen sich durch die Blätter. Um das schöne Erscheinungsbild der laubtragenden Kastanien zu erhalten, muss der Befall der Miniermotte durch das Laubsammeln möglichst eingedämmt und das gesammelte Laub verbrannt werden, da die Mottenlarven auch harte Winter überleben. 

Befallene Bäume sind mitunter schon im Frühjahr an den bräunlich gepunkteten Blättern erkennbar. Bereits im Sommer verlieren viele Kastanien ihre ausgetrockneten und verwelkten Blätter. Zur Bekämpfung dieser und anderer, meist durch den internationalen Warenverkehr eingeschleppter Schadinsekten ohne spezialisierte Fressfeinde gibt es keine zugelassenen Pflanzenschutzmittel. Es werden jedoch Mottenfallen eingesetzt, die männliche Insekten mit Duftstoffen anlocken. Eine andere naturnahe Methode zur Bekämpfung der Miniermotte sind Meisenkästen, um die Insektenfresser zum Nisten in den Kastanien zu bewegen.

Im städtischen Raum benötigen nicht nur die Kastanien, sondern alle Straßenbäume eine sorgfältige Standortpflege zur Stärkung der Vitalität durch Bewässerung, Nährstoffversorgung und Vermeidung von Stressfaktoren wie zu geringem Platz zum Wachsen. In diesem Jahr haben die Kastanien vielerorts weniger unter der Miniermotte gelitten als in den vergangenen Jahren, da sich mehr Regentage und das kühle Frühjahr günstig auswirkten.

Die Miniermotte kann die weißblühende Rosskastanie bei guter Pflege kaum zum Absterben bringen, ein anderer eingeschleppter Pflanzenschädling hingegen schon. Sowohl rot- als auch weißblühende Rosskastanien sind seit einigen Jahren durch ein Bakterium mit dem Namen Pseudomonas syringae pv. Aesculi gefährdet. Erstmals 2002 in den Niederlanden festgestellt, breitete sich der Erreger schnell in ganz Europa aus. Blutende Stellen und Risse am Hauptstamm, Laubaufhellung und teilweise kleinere Blätter deuten auf einen Befall durch das Bakterium hin. Die Krankheit kann über Sekundärinfektionen mit verschiedenen Pilzarten zum Absterben des ganzen Baumes führen. 

Nicht verwechseln mit Edelkastanie

Die Weltnaturschutzunion hat die Gewöhnliche Rosskastanie mittlerweile als „gefährdet“ eingestuft. Eine gute Nachricht des Hamburger Instituts für Baumpflege ist jedoch die Beobachtung, dass erkrankte Bäume neben befallsfreien Rosskastanien stehen. Daher wird vermutet, dass solche Bäume als Basis für eine Resistenzzüchtung in Frage kommen. Auch in den natürlichen Wildpopulationen wird nach resistenten Arten gesucht.

Norddeutschland ist von der neuen Baumkrankheit besonders betroffen. Möglicherweise stecken sich die Kastanien bereits in den Baumschulen mit dem Bakterium an. In den Niederlanden werden alle Alleebäume gefällt, selbst wenn nur wenige befallen sind. In Hamburg, wo die Krankheit sehr stark grassiert, wurde diese Möglichkeit ebenfalls diskutiert. Doch man entschied sich, die befallenen Bäume nur zu entfernen, sofern sie die Verkehrssicherheit beeinträchtigen. 

Hamburg, die einst regenreichste Stadt Deutschlands, war in diesem Jahr laut dem Deutschen Wetterdienst der trockenste Ort Deutschlands. Auch die zu geringen Niederschläge in der Hansestadt seit mehr als einem Jahrzehnt machen den verbliebenen 6000 Rosskastanien zu schaffen. In Berlin wird diese Baumart nicht mehr angepflanzt, in München nur noch selten. Gern wird stattdessen die Edel- oder Esskastanie (Castanea sativa) als Ersatz nachgepflanzt.

2018 wurde die Edelkastanie zum Baum des Jahres gewählt, eine in Deutschland eher seltene Baumart aus der Gruppe der Gehölze zur Fruchterzeugung. Obwohl der Name es vermuten lässt, haben Edel- und Rosskastanie wenig gemeinsam. Während erstere zur Familie der Buchengewächse (Fagaceae) gehört, bilden die Rosskastanien eine Unterfamilie in der Pflanzenfamilie der Seifenbaumgewächse (Sapindaceae).

Die Edelkastanie gedeiht auf warmen Standorten, ist anpassungsfähig und wärmeresistent. Sie wächst vor allem in den Weinanbaugebieten entlang des Rheins. Als Alleebaum kommt die Edelkastanie bis an den Niederrhein vor. In der Pfalz gibt es weitläufige Edelkastanienwälder sowie größere Vorkommen im Schwarzwald, Odenwald und Taunus. Beide Baumsorten bringen im Herbst von stacheligen Kugeln umhüllte, mahagonibraune Nussfrüchte hervor, die Kastanien. 

Mit den ungenießbaren Früchten der Rosskastanie basteln die Schulkinder im Herbst Figuren, während die Nussfrüchte der Edel- oder Esskastanie hierzulande wegen ihres reichen Gehalts an Mineral- und Nährstoffen vor allem in der Naturheilkunde Anwendung finden. Heiße Maronen kennt man von den Weihnachtsmärkten. Es sind die aromatischeren Früchte von weiter gezüchteten Sorten der normalen Edelkastanie, welche in Südeuropa schon vor Jahrtausenden als Nahrungsquelle und Holzlieferant kultiviert wurde. 

Im Mittelalter forsteten die Klöster viele Berggebiete mit Edelkastanien auf. Besonders im Winter waren deren Früchte eine wichtige Nahrungsquelle, später wurden sie immer mehr zum Brot der Armen. Vor einigen Jahren begann in Frankreich und der Schweiz eine Renaissance der Esskastanie. Maronen werden roh, gekocht oder geröstet verzehrt oder als Mehl zum Brotbacken verwendet. Kenner schätzen den kulinarischen Genuss im Herbst. Wer nach Rezepten sucht, findet zahlreiche herbstliche Ideen für die Zubereitung von Esskastanien.