27.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
Folge 46-21 vom 19. November 2021 / Corona / Und wieder herrscht das Chaos / Nichts gelernt aus den Fehlern der Vergangenheit? Harte Kritik an Brandenburgs Pandemie-Management

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 46-21 vom 19. November 2021

Corona
Und wieder herrscht das Chaos
Nichts gelernt aus den Fehlern der Vergangenheit? Harte Kritik an Brandenburgs Pandemie-Management
Hermann Müller

Kaum über die Grenzen seines Bundeslandes bekannt, konnte Matthias Platzeck (SPD) als damaliger Landesumweltminister Brandenburgs beim Oderflutwasser 1997 seine Bekanntheit so steigern, dass sein Name fortan auch bundesweit ein Begriff war und mit Worten wie „Krisenmanager“ in Verbindung gebracht wurde.

Ein völlig anderes Bild liefern die Politiker ab, die derzeit in Brandenburg in Regierungsverantwortung stehen. Bereits als die Corona-Infektionszahlen vor einigen Wochen wieder sprunghaft anstiegen, fiel Beobachtern auf, dass sich Brandenburgs Regierungschef Dietmar Woidke (SPD) in der Öffentlichkeit noch rarer gemacht hat als dies ohnehin für ihn typisch ist. Selbst im öffentlich-rechtlichen Sender rbb befand ein Kommentator mit Blick auf den Ministerpräsidenten: „Er scheint regelrecht abgetaucht.“ Die Fraktion der Linkspartei im Landtag warf dem Ministerpräsidenten sogar ganz direkt vor, sich aus der Verantwortung gezogen zu haben. „Je höher die Infektionszahlen steigen, desto tiefer ist Woidke abgetaucht“, kritisiert der Linke-Fraktionschef Sebastian Walter. Der Politiker diagnostizierte zudem: „Wir erleben wieder ein Regierungsversagen.“

Wette der Politik ging nicht auf

Brandenburg steht wie ganz Deutschland vor einer weiteren Corona-Welle. Schon bisher hat die Landesregierung aus SPD, CDU und Grünen im Laufe der Pandemie mehrmals das Bild von Überforderung geliefert. Im Frühjahr des laufenden Jahres kam unter der Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) beispielsweise die Covid-Impfkampagne nur so schleppend in Gang, dass Brandenburg zeitweise bundesweites Schlusslicht war.

Obwohl landesweit mittlerweile mehr als 90 Prozent der Bewohner von Alten- und Pflegeheimen eine Impfung gegen die Krankheit erhalten haben, sorgte im Oktober ein Corona-Ausbruch in einem Pflegeheim in der Schorfheide bundesweit für Aufsehen. Dabei hatten sich Dutzende Senioren infiziert, die Zahl der Todesopfer unter den meist vorerkrankten Bewohnern ist mittlerweile auf 17 gestiegen.

Angesichts landesweit steigender Infektionszahlen hat die Landesregierung inzwischen eine neue Corona-Eindämmungsverordnung in Kraft gesetzt. Mit der Verordnung haben in Brandenburg nur noch Geimpfte und Genesene Zugang zu vielen öffentlichen Einrichtungen wie Restaurants und Kinos. An den Grundschulen gilt mit der Verordnung nun wieder eine Maskenpflicht für alle Schüler ab der ersten Klasse.

Woidke verteidigte die Wiederverschärfung der Regeln mit Hinweis auf das Vorliegen einer „echten Notfallsituation“. Ganz klar als Fehler benannte er die Abschaffung der kostenlosen Corona-Tests. Diese Tests seien nötig, um zu wissen, wer sich wann infiziert habe, so Brandenburgs Regierungschef.

Wenn nun mit Wucht eine Pandemiewelle Fahrt aufnimmt, spricht das dafür, dass mehr als nur die Teststrategie schiefgelaufen sein muss. Im Kern beruhte die Corona-Politik der Bundesregierung und auch der Landesregierungen bislang auf der Hoffnung auf die neuartigen Impfstoffe. Stark vernachlässigt hat die Gesundheitspolitik dagegen, sich beispielsweise um medikamentöse Therapiemöglichkeiten bei schweren Covid-Verläufen zu kümmern.

Diese Wette der Politik ist offensichtlich nicht aufgegangen. Wie die steigenden Zahlen von sogenannten Impfdurchbrüchen, etwa beim Impfvorreiter Großbritannien, zeigen, können sich auch doppelt Geimpfte infizieren, Coronaviren weitergeben und schwere Krankheitsverläufe aufweisen. Studien aus den USA belegen inzwischen zudem einen dramatischen Rückgang der Schutzwirkung der Covid-Impfstoffe bereits nach sechs Monaten. 

Schweden steht besser da

Der Bonner Virologe Hendrik Streeck warnt, dass sich die Hoffnung auf die Auffrischungsimpfungen, die sogenannten Booster, als Lösung gegen die vierte Pandemiewelle als trügerisch erweisen könnte. Befürworter der Auffrischungsimpfungen verweisen regelmäßig auf das Beispiel Israel. Streeck äußerte allerdings die Vermutung, dass nicht die Booster-Impfungen, sondern ein bisher unbekannter Faktor die vierte Pandemiewelle in Israel gebrochen habe.

Auch bei anderen Wissenschaftlern macht sich die Erkenntnis breit, dass die Pandemie ganz eigenen Regeln folgt, die bislang noch immer nicht erkannt wurden. Tatsächlich gleicht das Agieren der Politik in vielen Bereichen noch immer einem Stochern im Nebel. Beispielsweise stehen Länder wie Schweden, die auf harte Einschränkungen verzichtet haben, mittlerweile besser da als Staaten, die auf einen strengen Maßnahmenkatalog gesetzt haben. 

Fragen wirft ebenso eine paradoxe Entwicklung in Irland auf. Dort ist der Waterford City District mit einer Impfquote von 99,7 Prozent der Erwachsenen eine Region mit einer der höchsten Covid-Impfquoten weltweit. Gleichzeitig liegen dort aber die Corona-Infektionszahlen dreifach über dem irischen Durchschnitt.