20.04.2024

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Folge 46-21 vom 19. November 2021 / Inflation / Ein Bündel von Faktoren lässt die Preise steigen und steigen / EZB-Präsidentin Christine Lagarde spielt den Geldwertverfall als vorübergehendes Problem herunter. Doch damit dürfte sie falsch liegen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 46-21 vom 19. November 2021

Inflation
Ein Bündel von Faktoren lässt die Preise steigen und steigen
EZB-Präsidentin Christine Lagarde spielt den Geldwertverfall als vorübergehendes Problem herunter. Doch damit dürfte sie falsch liegen
Wolfgang Kaufmann

Kürzlich sagte die US-amerikanische Investmentlegende Carl Icahn in einem Interview mit dem Sender CNBC: „Wenn man sich umschaut, sieht man überall Inflation.“ Das trifft auch auf die Bundesrepublik zu. Hierzulande stiegen die Preise für Waren jeglicher Art binnen Jahresfrist um durchschnittlich sieben Prozent – wobei die Teuerung im Oktober 2021 besonders hoch ausfiel. Trotzdem wiegeln viele Ökonomen und Institutionen weiterhin ab. So erwartet die Europäische Zentralbank (EZB) für das gesamte laufende Jahr lediglich eine Inflationsrate von 2,2 Prozent im Euro-Raum. Und 2022/23 soll der Preisaufschwung dann sogar bloß bei 1,7 beziehungsweise 1,5 Prozent liegen. Dass momentan fast alles teurer wird, erklärt die EZB-Präsidentin Christine Lagarde mit dem Wiederhochfahren der Wirtschaft nach dem Ende des pandemiebedingten Einbruchs. Deshalb sei es falsch, jetzt „überzureagieren“. Dabei mehren sich aber die Hinweise darauf, dass die aktuelle Inflation kein vorübergehendes Ärgernis darstellt, weil es eine ganze Reihe von preistreibenden Faktoren gibt.

Da wären vor allem die Zentralbanken wie eben die EZB, welche selbst die Inflation anheizen, indem sie – anders als die Bundesbank in Falle früherer Teuerungswellen – weiterhin Unmengen billigen Geldes in Umlauf bringen und gleichzeitig die Leitzinsen auf niedrigste Rekordwerte drücken.

Außerdem sind die Rohstoffpreise in den vergangenen zwölf Monaten nahezu flächendeckend gestiegen: Erdöl verteuerte sich beispielsweise um mehr als einhundert Prozent und Kupfer um über vierzig Prozent. Insgesamt betrug das Plus beim Index für Industriemetalle S&P GSCI fast 35 Prozent. Das könnte auf den Beginn eines sogenannten „Superzyklus“ an den Rohstoffmärkten hindeuten, in dessen Verlauf sich die Preise kontinuierlich erhöhen. Dergestalt lautet unter anderem die Befürchtung der US-Großbank Goldman Sachs. 

Immerhin seien die Rahmenbedingungen heute ähnlich wie zu Beginn des 21. Jahrhunderts, als die Industrialisierung und Urbanisierung in den Schwellenländern für eine Explosion der Rohstoffpreise gesorgt habe. Nur, dass derzeit der Megatrend des Kampfes gegen den Klimawandel als Katalysator wirke. So brauche man Unmengen von Kupfer und anderen, nur begrenzt zur Verfügung stehenden Metallen, um die Umstellung auf „grüne Technologien“ zu bewerkstelligen.

Des Weiteren dürfte sich der Lieferstau aufgrund eingeschränkter Transportkapazitäten noch längere Zeit negativ bei den Warenpreisen bemerkbar machen. Es ist naiv zu glauben, dass das Fehlen von bis zu 80.000 Lastkraftwagenfahrern allein in Deutschland innerhalb weniger Monate kompensiert werden könne beziehungsweise folgenlos bleibe. 

Überdies herrscht ein weltweiter Mangel an Schiffen, der gleichfalls nicht so bald enden wird. Parallel dazu sind die hieraus resultierenden Frachtpreise massive Preistreiber. Der Transport eines Standardcontainers von Asien nach Europa kostet heute nicht mehr 2000 US-Dollar wie vor einem Jahr, sondern 13.000 Dollar – und Besserung ist hier ebenso wenig abzusehen.

Zusätzlich kurbeln die exorbitant hohen Energiepreise die Inflation immer weiter an. Die werden wohl auch kaum sinken, weil die permanente Verteuerung des Verbrauchs fossiler Brennstoffe politisch gewollt und somit weiter vorherbestimmt ist.

Verbraucher spielen wichtige Rolle

Ansonsten – und das ist vielleicht der wichtigste Faktor überhaupt – spielt die Psyche der Verbraucher eine ganz entscheidende Rolle: Wenn Preissteigerungen drohen, werden Anschaffungen vorgezogen, was zwangsläufig zur zusätzlichen Verknappung und Verteuerung von Gütern führt. Die Inflation kommt dann sozusagen als „selbsterfüllende Prophezeiung“ daher. Daraus wiederum resultiert der gefürchtete „Zweitrundeneffekt“: Wenn die Beschäftigten aufgrund der Preissteigerungen höhere Löhne fordern und auch durchsetzen, um Kaufkraftverluste beim „prophylaktischen Konsumieren“ auszugleichen, dann verteuern die Unternehmen ihre Produkte weiter. Damit wird eine Lohn-Preis-Spirale in Gang gesetzt, was besonders wahrscheinlich ist, wenn so wie jetzt Mangel an Arbeitskräften herrscht.

Als Indikator dafür, wie lange die Inflation aufgrund all dessen tatsächlich anhalten könnte, eignet sich die Differenz zwischen der Rendite gewöhnlicher Staatsanleihen und solcher mit Inflationsschutz. Je größer diese ausfällt, umso fester rechnen Investoren mit einem (auch längerfristig) steigenden Preisniveau. Danach erwarten inzwischen immer mehr Anleger sogar noch für die Jahre von 2026 bis 2031 höhere Inflationsraten als in der Zeit vor Beginn der Corona-Pandemie.