25.04.2024

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Folge 46-21 vom 19. November 2021 / Volkstrauertag / Verzerrtes Gedenken

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 46-21 vom 19. November 2021

Volkstrauertag
Verzerrtes Gedenken
Klaus Weigelt

Der Bundespräsident hatte eigens den Wunsch geäußert, die Rede zum diesjährigen Volkstrauertag im Deutschen Bundestag persönlich zu halten. Dass er dabei an den Angriff der Wehrmacht vor 80 Jahren auf die Sowjetunion hinweisen würde, war vorauszusehen. Dass er darüber hinaus seine ganze Rede weitgehend der Aufzählung aller Verbrechen der Deutschen im östlichen Europa, „durch Polen, das Baltikum und Belarus, durch die Ukraine nach Russland und tief in den Kaukasus“ hindurch sowie in Mittel-, Süd- und Westeuropa widmen würde, war eher nicht zu erwarten. 

Nicht zu erwarten war auch, dass ein Bundespräsident, der zahlreiche Orte deutscher Schandtaten in Erinnerung ruft, mit keinem Wort die deutschen Opfer der beiden Weltkriege erwähnt – obwohl der Volkstrauertag vor Jahrzehnten eigens für sie geschaffen wurde. Die toten deutschen Soldaten auf den Schlachtfeldern von Flandern und Stalingrad kamen bei Steinmeier ebenso wenig vor wie die verbrannten Frauen und Kinder in den Luftschutzbunkern der Großstädte, die von den Alliierten systematisch dem Erdboden gleichgemacht wurden, ebenso wenig die Opfer von Flucht und Vertreibung im Osten sowie auch von Zwangsarbeit und Kriegsgefangenschaft. Obwohl fast alle Soldaten zwangsweise zum Kriegsdienst verpflichtet worden waren und die ums Leben gekommenen Zivilisten vollständig frei von persönlicher Schuld waren, hielt es der Bundespräsident nicht für nötig, auch an sie zu erinnern. 

Stattdessen änderte Frank-Walter Steinmeier auch noch den Text des Totengedenkens, das der Bundespräsident traditionell am Volkstrauertag bei der zentralen Gedenkstunde spricht, und in das er nun ausdrücklich auch Geschehnisse der jüngeren Geschichte und Gegenwart einbezieht: „Wir gedenken heute auch derer, die bei uns durch Hass und Gewalt Opfer geworden sind. Wir gedenken der Opfer von Terrorismus und Ex-tremismus, Antisemitismus und Rassismus in unserem Land.“

Ein Volk als Verbrechensgemeinschaft

Vor den Ohren der Zuhörer wurde das deutsche Volk somit von seinem Staatsoberhaupt als eine Verbrechensgemeinschaft dargestellt, deren Wurzeln bis heute weiterwirken und aus der vom Redner nur die „tapferen Soldatinnen und Soldaten“ der Bundeswehr ausgenommen wurden. Der überholte Begriff der Kollektivschuld der Deutschen wurde, wenn auch nicht expressis verbis, so doch in seinen Konturen greifbar; eine Sicht, die Präsidenten wie Roman Herzog und Joachim Gauck längst weit hinter sich gelassen hatten. In dieser Haltung einig mit den europäischen Nachbarn der Deutschen, die, wie die Ungarn, seit Jahren am 19. Januar einen Gedenktag für die Vertreibung der Deutschen begehen, oder wie die Tschechen an den Todesmarsch von Brünn erinnern, nicht zu reden von der versöhnenden Begegnung des Bundeskanzlers Helmut Kohl mit Ministerpräsident Tadeusz Mazowiecki bereits 1989 in Polen.

Nichts von all dem in der Rede des derzeitigen Bundespräsidenten. Auch Joachim Gauck hatte in seinen Ansprachen an Babi Yar in der Ukraine erinnert, doch im Ton und in der Diktion anders als jetzt Frank-Walter Steinmeier an Maly Trostenez in Weißrussland. In der Rede des Bundespräsidenten des Jahres 2021 wandelte sich der Sinn des Volkstrauertages in einen Trauertag über die unermesslichen Verbrechen des deutschen Volkes, die bis heute nach Ansicht des Präsidenten ihre Fortsetzung finden in Antisemitismus und Rassismus, die in der deutschen Gesellschaft grassieren. Wem soll eine solche verzerrte Sicht dienlich sein? 

Dem Anliegen Steinmeiers jedenfalls nicht. Gegen Ende seiner Rede beklagt der Präsident „die Sprachlosigkeit vieler Teile der Gesellschaft gegenüber unserer Armee“. Doch ist diese Sprachlosigkeit wirklich ein Wunder, wenn selbst das Staatsoberhaupt denjenigen Gedenktag, der einmal zur Erinnerung an die eigenen Opfer von Krieg und Gewalt geschaffen worden war, nun zu einem Tag der ausschließlichen Auflistung deutscher Verbrechen umwidmet? 

Bleibt die Frage: Warum nur will Steinmeier von einem solchen Volk, das er offenbar nur als Verbrechensgemeinschaft kennt, unbedingt Staatsoberhaupt sein?