26.04.2024

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Folge 46-21 vom 19. November 2021 / Meinungsfreiheit in Gefahr / Der Krieg um die Transgender-Fragen / In vielen Ländern kämpfen aggressive LGBTQ-Aktivisten gegen all jene, die nicht die neuen Trans-Dogmen übernehmen wollen. Aber der Wind könnte sich drehen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 46-21 vom 19. November 2021

Meinungsfreiheit in Gefahr
Der Krieg um die Transgender-Fragen
In vielen Ländern kämpfen aggressive LGBTQ-Aktivisten gegen all jene, die nicht die neuen Trans-Dogmen übernehmen wollen. Aber der Wind könnte sich drehen
Claudia Hansen

Früher gab es Männer und Frauen, die menschliche Zweigeschlechtlichkeit war in der Biologie jahrhundertelang unumstritten. Inzwischen aber herrscht postmoderne Unübersichtlichkeit auf dem Feld von Geschlecht und „Gender“. Facebook hat schon vor sieben Jahren sage und schreibe 56 Gender-Optionen aufgelistet. Es gibt demnach Männer, Frauen, Transmänner und Transfrauen, Genderfluide, Genderqueere, Nichtbinäre, Inter- und Asexuelle und vieles mehr. 

Besonders in Universitäten und sozialen Medien kämpfen Aktivisten der LGBTQ-Bewegung (Lesben, Gays, Bi-, Transsexuelle, Queere) verbissen um Anerkennung und immer neue Rechte. Es geht etwa darum, ob Transfrauen (welche biologische Männer sind, die meist auch noch männliche Geschlechtsteile besitzen, sofern nicht operiert) in Toiletten für Frauen, ihre Umkleideräume, Duschen oder Gefängnisse gelassen werden. Einige Feministinnen älteren Schlags sind von dieser Vorstellung abgeschreckt.

In Großbritannien wird dieser Kampf besonders erbittert geführt, und er fordert Opfer wie die Philosophieprofessorin Kathleen Stock von der Universität Sussex. Nach einer jahrelangen, zunehmend heftigeren Kampagne gegen sie, die sich zuletzt zum regelrechten Psychoterror durch vermummte Aktivisten steigerte, hat die 49-Jährige ihre Professur aufgegeben. Überall auf dem Campus hingen eines Tages „Stock out“-Plakate. Sie könne nicht mehr, sie erlebe eine furchtbare Zeit, so die Dozentin. Die Aktivisten jubelten danach im Internet mit der Liedzeile „Ding-dong. Die Hex’ ist tot“. In Zeitungen wie dem „Mirror“ wurde die Kampagne ausdrücklich mit den historischen Hexenverfolgungen verglichen.

Eine neue Hexenverfolgung

Stocks Vergehen, das sie zur „Hexe“ machte, bestand in ihrem Standpunkt, dass es ein biologisches Geschlecht gibt, das über der „Selbstidentifikation“ als „Transfrau“ oder „Transmann“ steht. Deshalb spricht sich die feministische, bekennend lesbische Philosophin auch dagegen aus, dass biologisch männliche Transfrauen in öffentliche Frauenumkleiden, Duschen oder Frauengefängnisse dürfen. Sie zweifelt den Satz „Transfrauen sind Frauen“ an – für die modernen Trans-Dogmatiker eine ungeheure Provokation. Dafür haben sie Stock jahrelang attackiert. 600 Akademiker unterschrieben einen offenen Protestbrief gegen Stocks „Transphobie“. 

Auch wenn die Universität sich hinter sie stellte, wurde der Druck schlussendlich zu groß. Hinterher beklagte die Hochschulministerin „ein toxisches Umfeld“ an der Uni in Sussex. Nachdem Stock sich Ende Oktober dort verabschiedete, hat sie inzwischen in der neuen University of Austin in Texas eine neue Rolle gefunden.

Die Frage der Frauengefängnisse ist dabei keine rein akademische. In Großbritannien werden selbsterklärte Transfrauen, die für eine Straftat verurteilt werden, in Frauenhaftanstalten gebracht. Dass es dabei sehr reale Probleme gibt, zeigt der Fall Karen White, einem Mann und verurteilten Vergewaltiger, der sich als Frau definiert und in einem Frauengefängnis weitere Frauen missbrauchte und vergewaltigte. Solche Fälle haben die „genderkritischen Feministinnen“ wie Stock oder die Kriminologin Jo Phoenix sensibilisiert. Phoenix wurde daraufhin von Trans-Aktivisten mit Urin in ihrem Büro angegriffen.

Eine andere bevorzugte Zielscheibe ist J. K. Rowling. Die Autorin, die zeitweise sehr ärmlich lebte, hat mit ihrer Harry-Potter-Romanreihe einen beispiellosen Welterfolg gelandet und geschätzt über eine Milliarde US-Dollar mit den Büchern und deren Verfilmung verdient. Sie ist selbst eine moderate sozialdemokratische Linke, langjährige Labour-Unterstützerin, und hat die Hilfsorganisation Lumos zur Unterstützung von Kindern und Familien gegründet und finanziert, nachdem sie schockiert das Schicksal von Waisenkindern in Moldawien gesehen hatte.

Auch Rowling steht seit etwa drei Jahren im Dauerfeuer („Shitstorm“) von LGBTQ-Aktivisten. Zwar hat sie Unterstützung für Transpersonen geäußert: Jeder solle sein Leben in Frieden so führen, wie er wolle. Rowling hat aber gezweifelt, ob es richtig sei, „Transfrauen“ in Frauengefängnisse und -Umkleiden zu lassen, und sie hat Sorgen geäußert angesichts der rasant wachsenden Zahl von Kindern und Jugendlichen, die zu Transgender-Fällen erklärt werden und mit Hormonbehandlungen ihr Geschlecht wechseln – mit Unterstützung spezieller Kliniken. Deren Zahl ist in England in zehn Jahren um mehr als 2000 Prozent gestiegen. Rowling sieht auch mit Unbehagen, wie immer mehr Institutionen, etwa der britische Gesundheitsdienst NHS, das Wort „Frauen“ meiden und stattdessen von „Personen mit Uterus“ oder „Leute, die menstruieren“ sprechen.

Was einen regelrechten Shit-Orkan gegen Rowling auslöste, war ihr Tweet im Sommer 2020, in dem sie das verlorene Wort „Woman“ suchte: „Leute, die menstruieren? Ich bin sicher, es gab ein Wort für diese Leute. Helft mir mal: Womben? Wimpund? Woomud?“ Danach brach die Hölle los. Auf Twitter überschütteten Zehntausende Rowling mit wüsten Beschimpfungen, Hassbotschaften, Todesdrohungen und Pornobildchen. Auf einer großen Demonstration für Transgender-Rechte in London dieses Jahr war ein Pappplakat in den blau-rosa-weißen Transfarben (ironischerweise in Herzform) zu sehen mit der Aufschrift „Verrotte in der Hölle, Rowling“. Woher dieser Hass? Woher diese Energie? Sind es Minderwertigkeitskomplexe, die kompensiert werden?

Widerstand kommt auf

Neben den Aktivisten sind Organisationen aus der LGBTQ-Bewegung tätig, die systematisch sogenannte Transrechte einfordern. In England tut sich besonders die 1989 als Homosexuellen-Verband gegründete Organisation Stonewall hervor. Mittlerweile hat sie sich ganz auf Trans-Lobbyismus verlegt und verdient Millionen mit „Beratung“ von Unternehmen, staatlichen Institutionen und Schulen, die dann ein „Diversity Champion“-Zertifikat erwerben, wenn sie ein gender-neutrales Umfeld schaffen, etwa durch „inklusive“ Toiletten oder Regeln für die richtigen Pronomen (He/him, she/her oder they/them für Transsexuelle). Schulen rät die Organisation, dass die Lehrer nicht mehr „Jungen und Mädchen“ sagen sollen, sondern „Lernende“. In drei Jahren hat Stonewall mehr als drei Millionen Pfund staatliche Förderung erhalten.

Seit einigen Monaten jedoch erntet Stonewall Gegenwind. Die neue konservative Außenministerin Liz Truss, zuvor Ministerin für Frauen und Gleichstellung, hat angeordnet, dass ihr Ministerium nicht mehr mit Stonewall zusammenarbeitet. Auch andere Behörden ziehen sich zurück. Der Rundfunkriese BBC hat Mitte November das Stonewall-Diversity-Programm beendet. Der Verein gilt jetzt als „umstrittene Lobbyorganisation“. 

Auch der Fall Stock, die an ihrer Uni von den Aktivisten „gecancelt“ wurde, hat zum Umdenken geführt. Die Öffentlichkeit ist zunehmend dafür sensibilisiert, welchen unverhältnismäßigen Druck winzige, aber gut vernetzte Minderheiten ausüben.