23.04.2024

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Folge 47-21 vom 26. November 2021 / Östlich von Oder und Neiße / „Wir stehen immer auf dem Podium“ / Der Deutsche Arnold Drechsler leitet seit 30 Jahren den Caritasverband Oppeln Minderheit

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 47-21 vom 26. November 2021

Östlich von Oder und Neiße
„Wir stehen immer auf dem Podium“
Der Deutsche Arnold Drechsler leitet seit 30 Jahren den Caritasverband Oppeln Minderheit
Chris W. Wagner

Du wirst Caritasdirektor!“, sagte Alfons Nossol, damals noch Bischof der Diözese Oppeln, zu dem jungen Geistlichen Arnold Drechsler. Das war vor 30 Jahren. Dabei wollte sich der aus einer deutschen Familie aus dem oberschlesischen Sakrau [Zakrzów] stammende Drechsler in der Bundesrepublik eine Zukunft aufbauen. Doch einem Bischof widersetzt man sich nicht, schon gar nicht einem charismatischen wie Nossol. Heute ist ihm Drechsler dankbar und bewundert die Menschenkenntnis des nun emeritierten Erzbischofs. Denn Drechsler leitet mit Erfolg den ältesten und aktivsten Caritasverband Nachwendepolens.

Nach Kriegsende konnte der katholische Wohltätigkeitsverband nur fünf Jahre arbeiten, bis 1950 die Caritas, wie alle caritativen Einrichtungen der Republik Polen, verstaatlicht wurde. Damals, so Drechsler, habe die Devise von Ernst Bloch gegolten: „Ubi Lenin, ibi Jerusalem“ (Dort wo Marxismus herrscht, ist das gelobte Land), Not und Elend gebe es im Sozialismus eh nicht. Erst nach der politischen Wende konnte die Arbeit der Caritas wieder aufgenommen werden, und Nossol ergriff als erster die Initiative in seinem Bistum Oppeln. Nach 14-monatiger Vorbereitungsarbeit übernahm Drechsler am 1. Februar 1991 das Ruder.

„Die Verkündigung des Gotteswortes, die Feier der Sakramente und der Dienst der Liebe sind das Wesen der Kirche“, zitiert Drechsler sein großes Vorbild, Papst Benedikt XVI. „Die zwei ersten hatten Vorrang in der polnischen Kirche. Als die Caritas verboten wurde, fühlten sich die Geistlichen vom Dienst der Liebe dispensiert. Die Kirche hatte nur Interesse an der geistigen Dimension“, sagt er. 

So sieht Drechsler nach 30 Jahren die Aufgabe der Beheimatung der Caritas in der Mentalität, vor allem in der Seelsorge, immer noch nicht als abgeschlossen. Auch er musste im Ausland lernen, dass der caritative Dienst Teil der pastoralen Arbeit ist. Aber auf die Gläubigen in der Diözese Oppeln und die mittlerweile 3000 freiwilligen Helfer konnte er sich stets verlassen. Aber auch auf die Deutsche Minderheit, durch die Gelder aus Deutschland kamen. 

„Dank der moralischen Institution Alfons Nossol, aber auch dem Engagement der Kommunen, konnte am 10. Oktober 1992 in Groß Döbern [Dobrzeń Wielki] die erste Sozialstation eröffnet werden. Mit 54 Einrichtungen sind wir heute die einzige Diözese polenweit, die über ein flächendeckendes Netz von Sozialstationen verfügt“, freut sich Drechsler. Diese hätten sich vor allem in der Coronakrise bewährt, sagt er, denn als viele Arztpraxen aus Angst vor Ansteckung geschlossen blieben, waren die diplomierten Caritas-Schwestern für die Alleinstehenden und Kranken die einzige Verbindung zur Außenwelt. Eine Mammutaufgabe: 17.000 Hausbesuche pro Monat bei 3500 Patienten, dafür  ist Drechsler den Schwestern und auch ihren Familienangehörigen besonders dankbar. Und das bedeute für ihn, dass die Beheimatung seiner Caritas zumindest in seiner Heimat zum großen Teil gelungen sei.

Doch gab es gerade in Oberschlesien einige Hürden zu nehmen. In der Nachwendezeit, als die Deutschen sich in der Republik Polen öffentlich zu ihrer Nationalität und Sprache bekennen durften und dies auch taten, kam es immer wieder zu antideutschen Vorfällen. In Begegnungsstätten der Minderheit wurden Fensterscheiben eingeschlagen, Hakenkreuze an Türen geschmiert und immer häufiger erschienen Sprüche wie „Deutsche raus“ oder „Nossol nach Berlin“. Letzteres tat Drechsler besonders weh. „Als Zeuge für all das, was er für die Region getan hat, fand ich besonders die Schmierereien wo das Doppel-„s“ im Namen Nossol wie bei der SS geschrieben wurde, als eine Ungerechtigkeit, eine schwere Sünde dem Bischof gegenüber“. 

Auf einem Feld bei Follwark [Folwark] lag ein Dieseltank. Auch darauf haben Unbekannte „Nossol do Berlina“ geschrieben. Drechsler schnappte sich kurzerhand einen Eimer Farbe und ergänzte: „um medizinische Geräte zu organisieren.“ Eine Strafe gab es für ihn nicht und Nossol-Angriffe gab es nun kaum mehr. 2002 ließ Drechsler ein Denkmal für den polnischen Patrioten August Kośny in Alt Schalkowitz [Stare Siołkowice] vor einem von der Caritas übernommenen und zum Hospiz umgebauten ehemaligen Krankenhaus entfernen. „Ich ließ ihn vor der Schule in Chrosczütz [Chruścice], in seinem Geburtsort, aufstellen“, sagt Drechsler. Es gab damals böses Blut, aber eher bei Politikern in Warschau. 

Nun, 20 Jahre später, kommt ein Fernsehteam aus Polens Hauptstadt, um über den bestorganisierten Caritasverband einen Film zu machen. „Wir stehen immer auf dem Podium, wenn es um Spendenaktionen geht. 100.000 Euro haben wir zuletzt für Flutopfer in Deutschland gesammelt“, sagt er stolz. Die nächste Aktion läuft bereits. Derzeit wird für Flüchtlinge und Migranten an der polnisch-weißrussischen Grenze gesammelt.