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Folge 48-21 vom 03. Dezember 2021 / Intensivstationen / Viele fühlen sich emotional erpresst und von Angst geplagt / Die Misere liegt nicht immer an schlechter Bezahlung oder Arbeitsverdichtung infolge eines prekären Personalschlüssels

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 48-21 vom 03. Dezember 2021

Intensivstationen
Viele fühlen sich emotional erpresst und von Angst geplagt
Die Misere liegt nicht immer an schlechter Bezahlung oder Arbeitsverdichtung infolge eines prekären Personalschlüssels

Dass eine Pflegefachkraft nicht länger auf der Intensivstation arbeiten will, kann viele Ursachen haben und resultiert oft weder aus finanziellen Gründen noch aus der schon vor der Corona-Pandemie zu beobachtenden Arbeitsverdichtung infolge eines prekären Personalschlüssels.

Zum Ersten wäre da die permanente Präsenz des Todes aus allen nur möglichen medizinischen Gründen, welche zu erheblichen psychischen Belastungen führt, denen die Arbeitgeber aber in der Regel nicht ausreichend Rechnung tragen. In Kombination mit den zumeist großen körperlichen Anforderungen führt das dazu, dass kaum jemand über das 50. Lebensjahr hinaus als ITS-Pfleger zu arbeiten vermag. Darüber hinaus scheiden weibliche Beschäftigte vielfach wegen Schwangerschaft oder der Unvereinbarkeit der ITS-Dienste mit der Betreuung des Nachwuchses aus.

Ein großes Problem stellen jedoch auch die unzureichende Arbeitsorganisation beziehungsweise das schlechte Arbeitsklima in etlichen Kliniken dar. Dazu kommen Mängel bei der apparativen und sonstigen Ausstattung. Gemeinsam mit den vielfach kaum existenten Weiterbildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten führen die genannten Faktoren fast zwangsläufig zur Fluktuation aufgrund einer völligen Entfremdung vom Arbeitgeber. Hierfür ist keine Pandemie mit „volllaufenden“ Intensivstationen nötig, wie die Untersuchungen des Deutschen Krankenhausinstitutes Düsseldorf (DKI) aus dem Jahre 2017 zeigen. Allerdings hat die Situation seit Anfang 2020 die Neigung zu einem individuellen Plexit auch nicht gerade gedämpft.

Viele ITS-Fachkräfte fühlen sich von ihren Arbeitgebern emotional erpresst, zugunsten des Patientenwohls weiterhin unter unzumutbaren Bedingungen zu arbeiten, wozu die Angst kommt, sich selbst mit dem Corona-Virus zu infizieren. Das gilt insbesondere für diejenigen Beschäftigten auf Intensivstationen, welche dort nicht aus freien Stücken arbeiten, sondern zur Unterstützung auf die ITS abdelegiert wurden. Außerdem wäre da noch der Ärger über „Fangprämien“ von bis zu 5000 Euro. Denn die fließen nur in die Taschen der neu Eingestellten, wohingegen das Stammpersonal leer ausgeht.

Konfliktpotential entsteht des Weiteren durch die zunehmende Einbindung von Zeitarbeitskräften oder im Ausland Angeworbenen, deren Integration in den Stationsalltag mit zusätzlichem Arbeitsaufwand verbunden ist. Eine Rolle spielt ansonsten auch das Mobbing gegen all jene, die auf eine Immunisierung gegen SARS-CoV-2 mittels der Verimpfung von in den Augen von Kritikern nebenwirkungsträchtigen Vakzinen verzichten wollen. Ebenso lösen die Überlegungen der Ampelkoalitionäre Sorge aus, die zulässigen Höchstarbeitszeiten zu entgrenzen, wovon die Kliniken sicher Gebrauch machen werden, sobald sie vom Gesetzgeber Grünes Licht dazu erhalten.

Die Gegenwart auf den Intensivstationen ist also vielfach sehr frustrierend, und die Zukunftsaussichten bleiben ebenfalls trübe. Daran ändern die verschwommenen Absichtserklärungen aus der Politik, dem einen oder anderen Übel abhelfen zu wollen, keinen Deut. Und was das Schlimmste ist: Im Gegensatz zur Epoche vor der Pandemie bietet die Freizeit mittlerweile auch nur noch stark eingeschränkte Erholungsmöglichkeiten, was dem Burnout zusätzlich Vorschub leistet. Vieles von dem, was Spaß macht und der Seele Entlastung verschaffen könnte, ist schwierig geworden oder gar verboten. Eine ITS-Fachkraft lässt sich aber noch sehr viel schlechter zur bloßen „Arbeitsameise“ umfunktionieren als jemand, der im Berufsleben keine ständigen emotionalen Ausnahmezustände erlebt.

Um in dieser Situation einen Arbeitgeber zu haben, der seinem Personal wenigstens die Wertschätzung erweist, die im Rahmen des Möglichen liegt, wechseln viele Frustrierte jetzt das Krankenhaus. So kam es beispielsweise an der Universitätsklinik Marburg zu Massenkündigungen, die in der Branche für Aufsehen sorgten. Hilfreich bei der Arbeitssuche dürfte dabei die neue Internetplattform Dienstzimmer.com sein, auf der die Pflegenden ihre Arbeitgeber nun ganz anonym bewerten können.W.K.