„Die Corona-Krise hat den Minister entzaubert. Nach Lage der Dinge kann Spahn im Moment froh sein, wenn er bald Fraktionsvize seiner Partei im Bundestag wird. Es gibt in der Opposition ja nicht mehr allzu viel zu verteilen“, schrieb das Portal t-online.de in der vergangenen Woche. Das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ nannte ihn den „Absteiger“. Und die sonst eher betuliche Wochenzeitung „Die Zeit“ unterstellte ihm ein „legendäres Chaos.“ Noch auf den letzten Metern hat er mit dem Debakel um den Biontech-Impfstoff viel Porzellan zerschlagen. Da nutzte auch sein Entschuldigungsschreiben an die Ärzte nichts, das er in der vergangenen Woche verschicken ließ.
Der Noch-Gesundheitsminister, so heißt es in Berlin, sei das Gesicht des Niedergangs. „Als Krisenmanager macht Jens Spahn abermals eine katastrophale Figur, in der Partei reichen sie ihn nach unten durch“, kommentierte der „Spiegel“. Immerhin sei Spahn clever genug gewesen, auf eine Kandidatur als Parteichef zu verzichten. So scheint er immer noch auf eine Restchance zu hoffen, der siegreiche Kandidat könnte ihn doch noch für den Stellvertreter-Posten vorschlagen, den er bisher innehatte. Am ehesten könnte dies bei Friedrich Merz der Fall sein, doch ausgemachte Sache ist dies keineswegs. Sollte Norbert Röttgen das Rennen machen, wird er sich kaum mit Spahn belasten wollen, und das Verhältnis des Gesundheitsministers zum dritten Kandidaten, dem bisherigen Kanzleramtschef Helge Braun, gilt ohnehin als nicht gut.
Spahn war nachgesagt worden, er hätte Ambitionen auf den Fraktionsvorsitz gehabt. Doch Amtsinhaber Ralph Brinkhaus, der Spahn schon bei der Listenaufstellung zur Bundestagswahl in Nordrhein-Westfalen einen Strich durch die Rechnung machte, setzte sich durch. Machtoptionen hat der 41-Jährige trotz seines geringen Lebensalters nicht mehr. Dass er sich wie Röttgen in der zweiten Reihe einreiht und sich als Fachpolitiker in der Fraktion wieder hocharbeitet, glauben nur wenige. „Wir werden in ein paar Monaten einander wahrscheinlich viel verzeihen müssen“, hat Spahn zu Beginn der Pandemie gesagt. Nun sieht es so aus, als würden ihm seine Parteifreunde nichts verzeihen.P.E.