18.04.2024

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Folge 48-21 vom 03. Dezember 2021 / Großbritannien / Eine Krise folgt der nächsten / Ärger mit Immigranten, den Franzosen und ihrem Premier Boris Johnson macht den Briten zu schaffen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 48-21 vom 03. Dezember 2021

Großbritannien
Eine Krise folgt der nächsten
Ärger mit Immigranten, den Franzosen und ihrem Premier Boris Johnson macht den Briten zu schaffen
Claudia Hansen

Nach einem schweren Bootsunglück, bei dem mindestens 27 Migranten im Ärmelkanal ertrunken sind, beherrscht die Asylkrise nun wieder die Schlagzeilen in Großbritannien und führt auch zu diplomatischen Verstimmungen zwischen London und Paris. Die Migrationskrise am Ärmelkanal hat sich dieses Jahr deutlich verschärft. Nach offiziellen Schätzungen sind schon mehr als 27.500 Menschen über das Meer nach England gekommen, etwa dreimal so viele wie im Vorjahr.

Das Unglück von vergangener Woche war das schwerste, seit Zuwanderer aus dem Nahen Osten und Afrika in kleinen Schlauchbooten das Meer zu überqueren versuchen. „Es war ein extrem fragiles Boot, und als die Retter ankamen, war es zusammengefaltet wie ein aufblasbarer Gartenpool“, erklärte Frankreichs Innenminister Gerald Darmanin. Das Boot kenterte nur wenige Kilometer von der französischen Küste entfernt bei Calais. Zwei Drittel der Insassen waren Männer. Eine Frau aus dem kurdischen Teil des Irak wurde bislang identifiziert. Die französische Polizei hat mehrere Menschenschmuggler festgenommen. Auch eine Person in Deutschland soll beim Kauf des Schlauchbootes beteiligt gewesen sein.

Macron war „not amused“

Der Ärmelkanal ist an der engsten Stelle nur etwas über 27 Kilometer breit, doch ist die Route in den kleinen Booten, die meist in der Nacht losfahren und oft völlig überfüllt sind, sehr gefährlich. Die Bootsmigranten zahlen den Schleppern laut eigenen Aussagen etwa 2500 Euro für die Überfahrt. Für die gesamte Reise etwa vom Irak bis England verlangen Schlepper bis zu 15.000 Euro pro Person – es sind also nicht die Ärmsten der Armen, die sich dies leisten können.

In Nordfrankreich angekommen, schlafen sie in Zelten an den Stränden, bevor sie im Schutz der Dunkelheit Boote besteigen. Die Asylbewerber aus Ländern wie dem Irak und Afghanistan, dem Iran, Syrien, dem Sudan, Äthiopien, Mali, dem Tschad oder Niger betrachten England, wo teils schon Verwandte oder Freunde leben, als das gelobte Land. Die britische Presse bezeichnet sie meist nicht als Flüchtlinge, sondern als Migranten, denn immerhin kommen sie aus einem sicheren EU-Land, bevor sie die riskante Bootsfahrt antreten. 

Premierminister Boris Johnson hat nach dem jüngsten Unglück geschworen, alles zu tun, um den Menschenhändlern das Handwerk zu legen. „Wir werden das Geschäftsmodell dieser kriminellen Banden zerbrechen.“

Der starke Anstieg der Migrantenzahlen führt zunehmend zu Spannungen zwischen London und Paris. Die britische Regierung wirft Frankreich unterschwellig vor, die Küste nicht ausreichend zu bewachen. Nach dem jüngsten Bootsunglück veröffentlichte Johnson einen Brief an „Dear Emmanuel“ Macron mit einem Plan für gemeinsame Patrouillen französischer Grenzpolizei und britischer Sicherheitskräfte. Frankreich solle außerdem illegale Migranten zurücknehmen, die es über den Kanal schaffen. 

Macron reagierte äußerst ungehalten darauf, dass der Brief auf Twitter gepostet wurde. Der Präsident, der nächstes Jahr eine schwierige Wahl zu bestehen hat, interpretierte dies als Affront. Am nächsten Morgen wurde die britische Innenministerin Priti Patel von einer gemeinsamen Besprechung mit ihrem Amtskollegen Darmanin wieder ausgeladen.

Johnsons „Peppa Pig“-Ausrutscher

Für Johnsons Tory-Partei zählt die Zuwandererkrise zu den Themen, die sie besonders bewegen. Zum Brexit hatte man den Wählern versprochen, die Kontrolle über die Grenzen wiederzugewinnen. Das gelingt aber derzeit nicht. Zunehmend frustriert zeigen sich die Beamten im Regierungssitz Downing Street 10 über das Agieren von Innenministerin Patel. Die gibt den Hardliner und fällt immer wieder mit scharfen Ansagen und teils gewagten Ideen auf, wie man die Bootsmigranten abschrecken könnte. 

Jüngst wurde die Ideen eines Abkommens mit Albanien ventiliert, wohin man Asylbewerber schicken könnte, bis ihr Antrag bearbeitet sei – was Tirana sofort dementierte. Die meisten Ideen Patels scheitern an der Realität. In der Tory-Parteizentrale geht die Angst um, dass die ungelöste Migrantenkrise ihnen bei den nächsten Wahlen auf die Füße fallen wird. 

Sinkende Umfragewerte hat Johnson in jüngster Zeit aber vor allem selbst zu verantworten. Eine völlig verunglückte Rede vor dem Industrieverband CBI, in der Johnson entgeisterte Wirtschaftsbosse mit Witzeleien und Erzählungen aus einem „Peppa Pig“-Themenpark überraschte, hat die Riege seiner Gegner darin bestärkt, dass der 58-Jährige nicht der richtige Mann für ernste Zeiten sei. Zuvor hatten Filz- und Lobbyismus-Vorwürfe der Tory-Partei zugesetzt.

Johnson selbst sagte nach der Rede, er habe „das Auto geschrottet“. Seine Beliebtheitswerte sind im Keller. Erstmals seit dem Höhenflug wegen der Corona-Impferfolge liegt die Tory-Partei in Umfragen knapp hinter Labour.