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Folge 48-21 vom 03. Dezember 2021 / Kommentar / Überraschende Akzente

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 48-21 vom 03. Dezember 2021

Kommentar
Überraschende Akzente
Richard Drexl

Der Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien zieht eine Menge Kritik auf sich. FDP, Grüne und SPD servieren Konservativen insbesondere mit Blick auf deren Pläne in der Gesellschaftspolitik, bei Fragen von Migration und Integration schwer verdauliche Kost. Die Wellen schlagen hoch, die Kritik geht ans Eingemachte. Die geplante Möglichkeit, mit einer Versicherung an Eides statt die Identität von Zuwanderern klären zu können, öffne „Straftätern und Identitätsverweigerern Tür und Tor“. So beispielsweise der CSU-Bundestagsabgeordnete Michael Frieser in den „Nürnberger Nachrichten“ vom 29. November.

Bei einem Vertragswerk von 177 Seiten ist jedoch anzunehmen, dass etablierte Parteien darin nicht nur Schlechtigkeiten zu bieten haben. Das nach eigenem Bekunden „mehr Fortschritt wagende“ und selbst ernannte „Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit“ setzt im Koalitionsvertrag denn auch einige überraschend positive Akzente. Im Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik gehört dazu die wiederholte Betonung des Ziels einer „strategischen Souveränität der Europäischen Union“. Ein halbes Dutzend Mal taucht dieser Ausdruck auf, die EU soll als „starker Akteur in einer von Unsicherheit und Systemkonkurrenz geprägten Welt“ wahrgenommen werden. 

Erstaunliche Ziele

Wenn das keine neuen Zeichen am europäischen Sternenhimmel sind? Wir erinnern uns: Der französische Präsident Emmanuel Macron forderte in den letzten Jahren wiederholt mehr eigenständige Handlungsfähigkeit der EU. Allein US-Präsident Donald Trump gab dazu mehrfach Veranlassung. Die deutsche Kanzlerin hielt es nicht mal für nötig, Macron zu antworten und überließ es Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer, diesem eine harsche Absage zu erteilen. Dass die strategische Souveränität der Europäer ein fernes Ziel auf einer kurvenreichen Hindernisbahn darstellt, liegt dabei auf der Hand. 

Wer hätte auch gedacht, dass bei grüner Beteiligung „das transatlantische Bündnis (als) zentraler Pfeiler und die NATO (als) unverzichtbarer Teil unserer Sicherheit“ bezeichnet wird. Als noch erstaunlicher darf gelten, dass die kommende Koalition ein Nachfolgesystem für das Kampfflugzeug Tornado beschaffen und gar „den Beschaffungs- und Zertifizierungsprozess mit Blick auf die nukleare Teilhabe Deutschlands (…) sachlich und gewissenhaft begleiten“ will. Nochmal: Die Grünen begleiten sachlich und gewissenhaft die Beschaffung eines nuklearfähigen deutschen Waffensystems! Selbst die SPD-Linke um den Fraktionsvorsitzenden Rolf Mützenich haderte bekanntlich bislang mit der nuklearen Abschreckung – und dann das. Die gleichzeitige Betonung nuklearer Abrüstung ist nicht mehr als eine Beruhigungspille für linke Pazifisten. Wer hätte sich noch vor ein paar Wochen bei diesen Beteiligten derartige Sätze vorstellen können? Kundige Beobachter reiben sich die Augen. 

Da fällt schon gar nicht mehr groß auf, dass im Koalitionsvertrag nun auch noch der Bundeswehr die Bewaffnung von Drohnen ermöglicht werden soll. Dies unter „verbindlichen und transparenten Auflagen und unter Berücksichtigung von ethischen und sicherheitspolitischen Aspekten“. Wohltönende Begleitmusik, nachdem das Bundesministerium der Verteidigung bereits seit Jahren entsprechende Auflagen festgeschrieben hat. Dass bewaffnete Drohnen den Schutz von Soldaten im Auslandseinsatz erhöhen können, ist Allgemeingut bei unparteiischen Fachleuten. Kampfdrohnen gehören heutzutage in das Inventar jeder halbwegs modernen Streitkraft, wie am Kaukasuskrieg zwischen Armenien und Aserbaidschan vor Jahresfrist zu beobachten war. Kritik sollte sich aber insbesondere daran entzünden, dass die SPD sich diese Einsichten erst mit dem gewonnenen Bundestagswahlkampf zu eigen machen konnte. Dem Wahlbürger wurde anderes suggeriert.

Diese Akzente sind überraschend, im Ergebnis sehr erfreulich. Dass nun selbst die Spitzen der Grünen den Einsatz eines Bundeswehrgenerals als Leiter des Corona-Krisenstabes beklatschen, passt ins neue Bild. Mal sehen, was die rote und grüne Parteibasis dazu sagt.






Richard Drexl ist Oberst a.D. der Luftwaffe, Kommunalpolitiker (Freie Wähler) und Autor (mit Josef Kraus: „Nicht einmal bedingt abwehrbereit. Die Bundeswehr in der Krise“). Seit 2014 ist er Präsident des Bayerischen Soldatenbundes 1874 e.V.           www.m-vg.de