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Folge 48-21 vom 03. Dezember 2021 / Irland / Ein Jahrhundert Unabhängigkeit und Spaltung / Am Nikolaustag des Jahres 1921 unterzeichneten die Parteien des Irischen Unabhängigkeitskrieges in London den Anglo-Irischen Vertrag

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 48-21 vom 03. Dezember 2021

Irland
Ein Jahrhundert Unabhängigkeit und Spaltung
Am Nikolaustag des Jahres 1921 unterzeichneten die Parteien des Irischen Unabhängigkeitskrieges in London den Anglo-Irischen Vertrag
Wolfgang Kaufmann

Der gegenwärtige Zustand auf der Grünen Insel, die Spaltung in ein unabhängiges Südirland und ein zu Großbritannien gehörendes Nordirland, wird 100 Jahre alt. Mit dem am 6. Dezember 1921 von Premierminister David Lloyd George, Kolonialminister Winston Churchill und anderen Vertretern der britischen Regierung sowie den Generalbevollmächtigten der Irischen Republik um Arthur Griffith und Michael Collins unterzeichneten Anglo-Irischen Vertrag wurde Südirland in die Unabhängigkeit entlassen, während Nordirland bei Großbritannien verblieb. 

Bereits vor der Entlassung Südirlands in die Unabhängigkeit hatte Großbritannien das Land gespalten. So sah der Government of Ireland Act, den das britische Parlament am 23. Dezember 1920 verabschiedete und der am 3. Mai 1921 in Kraft trat, vor, dass der nördliche und der südliche Landesteil jeweils eigenständige Regierungen unter der Oberherrschaft des britischen Empire erhalten. 

Die Teilung in einen nördlichen und einen südlichen Teil resultierte aus dem Bestreben Londons, sowohl den vor allem im Südteil immer lauter geäußerten Forderungen der irischen Nationalisten nach Eigenständigkeit als auch dem Willen der im Nordteil die Mehrheit bildenden Unionisten, bei Großbritannien zu verbleiben, Rechnung zu tragen. 

Statut von Westminster 1931

Das Gesetz gewährte dem Süden jedoch zu wenige Rechte, als dass auf seiner Basis der seit 1919 tobende Irische Unabhängigkeitskrieg hätte beendet werden können. Während des Osteraufstandes 1916 hatten die nationalistischen Rebellen der Sinn Féin bereits eine Irische Republik ausgerufen, und am 21. Januar 1919 hatte das von London als illegal angesehene Parlament der Irischen Republik die Unabhängigkeit von Großbritannien proklamiert. Dahinter wollten die irischen Nationalisten nicht mehr zurück. 

Wenn dem Government of Ireland Act auch kein Erfolg beschieden war, so endete der Irische Unabhängigkeitskrieg zwischen der Irisch-Republikanischen Armee (IRA) und den britischen Sicherheitskräften trotzdem noch in dem Jahr, in dem das Gesetz in Kraft trat. Am 11. Juli 1921 schlossen beide Seiten einen Waffenstillstand (siehe PAZ-Ausgabe vom 2. Juli, S. 11). Die britische Seite war wegen ihrer zunehmend brutaler werdenden Vorgehensweise international in die Kritik geraten. Und die irischen Republikaner befürchteten ein Ausbluten der in Guerilla-Manier agierenden Irisch-Republikanischen Armee angesichts der Übermacht des Gegners. Die IRA stand kurz vor der Zerschlagung durch die britischen Sicherheitskräfte. 

Republic of Ireland Act 1949

Der Waffenruhe folgten Friedensgespräche, die am Nikolaustag des Jahres 1921 in den Anglo-Irischen Vertrag mündeten. Das Übereinkommen sah Folgendes vor: Der nunmehr zu bildende Irische Freistaat sollte den Status eines Herrschaftsgebietes mit eigenständiger Regierung innerhalb des Britischen Empire nach dem Vorbild von Kanada, Neufundland, Australien, Neuseeland und Südafrika erlangen, aber weiterhin formell der britischen Krone unterstehen. Ebenso behielt das Vereinigte Königreich die Kontrolle über die drei großen irischen Tiefwasser- beziehungsweise Vertragshäfen Berehaven, Queenstown und Lough Swilly. Außerdem wurde vereinbart, dass Nordirland die Möglichkeit erhält, binnen eines Monats aus dem Freistaat auszutreten, was es dann auch tat. 

Bedenkt man, dass die IRA kurz vor der Zerschlagung stand, waren die Briten der irischen Seite in dem Vertrag weit entgegengekommen. Allerdings waren auf der Seite der irischen Republikaner nicht alle bereit, eine Spaltung Irlands, ein Fortbestehen der konstitutionellen Abhängigkeit vom englischen Königshaus sowie Einschränkungen der Hoheitsrechte hinzunehmen. Der Streit zwischen Unterstützern und Gegnern der Übereinkunft mit den Briten wurde erbittert geführt und mündete im Juni 1922 im Irischen Bürgerkrieg. Diese blutige Auseinandersetzung endete im Mai 1923 mit dem Sieg der Vertragsbefürworter.

Die volle gesetzgeberische Unabhängigkeit von Großbritannien erhielt der Irische Freistaat mit dem am 11. Dezember 1931 durch das britische Parlament erlassenen Statut von Westminster. Am 29. Dezember 1937 trat eine Verfassungsänderung in Kraft, durch die der Name des Staates in „Irland“ geändert wurde. Das war als Vorstufe für ein geeintes Irland gedacht, dem auch die sechs Grafschaften im Norden angehören sollten. 

Karfreitagsabkommen 1998

Mit dem Republic of Ireland Act schied der Staat am 18. April 1949 aus dem Commonwealth aus. Damit war die totale Lösung der Bande zum britischen Monarchen abgeschlossen.

Dahingegen blieb Nordirland bei Großbritannien. Das stieß nicht nur im Südteil der Insel auf Ablehnung. Daraus resultierte der ab 1969 immer stärker eskalierende Nordirlandkonflikt, in dem sich probritische Loyalisten und Verfechter einer irischen Wiedervereinigung gegenüberstanden. Dieser politische Konflikt ist zusätzlich religiös aufgeladen, da Erstere in der Regel Protestanten und Letztere meist Katholiken sind. 

Zu einer spürbaren Deeskalation führte das Karfreitagsabkommen vom 10. April 1998. Gegen humanitäre Zugeständnisse verzichtete Südirland darin auf seine Forderung nach einer Wiedervereinigung mit dem Norden. Allerdings wird die Möglichkeit zu einer Wiedervereinigung offengelassen, wenn denn die Mehrheit der Nordiren sich dafür ausspricht.

Brexit 2020

Ab 1973 waren Südirland und Großbritannien zudem Partner in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft beziehungsweise Union. Das änderte sich allerdings mit dem Brexit. Beim vorausgegangenen Referendum vom 23. Juni 2016 stimmten 55,8 Prozent der Nordiren für den Verbleib in der EU – nicht zuletzt, um zu verhindern, dass die innerirische Grenze zu einer harten EU-Außengrenze mit permanenten Zollkontrollen und dergleichen wird. Durch das Protokoll zu Irland und Nordirland, das zu Beginn dieses Jahres in Kraft trat, soll ebendies verhindert werden. 

Inwieweit dies auf Dauer gelingt, muss die Zukunft weisen. Wenn Großbritannien an seine große Tradition des Freihandels anknüpft, die Europäische Union hingegen angesichts von Energiewende und Überregulierung an Wettbewerbsfähigkeit verliert und darauf nach französischem Vorbild mit protektionistischen Maßnahmen wie Schutzzöllen und anderen Handelshemmnissen reagiert oder umgekehrt Großbritannien sich gezwungen sieht, sich durch ein Hochziehen der Grenzen vor Migranten aus der EU zu schützen, könnte das schwierig werden.