26.04.2024

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Folge 48-21 vom 03. Dezember 2021 / Wirtschaft / Mit einem Trick umgehen große Unternehmen die Quote / Flucht ins EU-Recht: Mit der „Societas Europaea“ fallen Frauen-Pflichtanteil an der Konzernspitze und Mitbestimmung weg

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 48-21 vom 03. Dezember 2021

Wirtschaft
Mit einem Trick umgehen große Unternehmen die Quote
Flucht ins EU-Recht: Mit der „Societas Europaea“ fallen Frauen-Pflichtanteil an der Konzernspitze und Mitbestimmung weg
Norman Hanert

„Europäische Lösungen“ und „mehr EU“ gelten unter vielen deutschen Politikern noch immer als wichtige Ziele. Erleben müssen diese Politiker nun aber auch zunehmend, wie die Übertragung von immer mehr Kompetenzen an die EU hierzulande ihre eigenen Politikziele torpediert. Deutlich wird dies bei den Bemühungen der deutschen Politik, großen Unternehmen eine Frauenquote aufzuzwingen. 

Noch in der Großen Koalition hatten sich erst im Mai dieses Jahres die SPD und die Unionsparteien auf eine Frauenquote für die Vorstände großer Unternehmen geeinigt. Die Regelung sieht vor, dass bei börsennotierten und paritätisch mitbestimmten Unternehmen künftig ab vier Vorstandsmitgliedern mindestens eine Frau in der Spitze vertreten sein muss. Als Bundesjustizministerin hatte Christine Lambrecht (SPD) diese Regelung als „Meilenstein für die Frauen in Deutschland“ und „große Chance sowohl für die Gesellschaft als auch für die Unternehmen selbst“ gelobt.

In der Realität des Wirtschaftslebens erweist sich dies Regelung dann doch als wesentlich unbedeutender, als dies die markigen Worte der SPD-Politikerin suggerieren. Wie eine aktuelle Analyse des Instituts für Mitbestimmung und Unternehmensführung (IMU) und der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung zeigt, umgehen nämlich immer mehr deutsche Großunternehmen eine paritätische Mitbestimmung und damit auch die Pflicht zu einer Frauenquote.

Nur noch vier von 40 DAX-Betrieben

Zurückgreifen können die Unternehmen dabei auf die Rechtsform der Societas Europaea. Die Europäische Aktiengesellschaft, auch bekannt unter der Abkürzung SE, wurde nach der Jahrtausendwende in Brüssel per EU-Verordnung ins Leben gerufen. Laut der nun vorgelegten Untersuchung existieren bereits 424 deutsche SE-Unternehmen.

Sebastian Sick vom IMU sieht hinter dem Trend deutscher Großunternehmen zur SE in den meisten Fällen die Hauptabsicht, die Arbeitnehmermitbestimmung in Aufsichtsräten zu umgehen. Aber: „Sie schließen damit zugleich die Anwendung der Frauenquote in Aufsichtsräten und Vorständen aus“, so Sick.

Für deutsche Unternehmen gilt seit Jahrzehnten die Pflicht, dass ab einer Zahl von 501 inländischen Mitarbeitern im Aufsichtsrat des Unternehmens auch Arbeitnehmervertreter vertreten sein müssen. Bei den Aktiengesellschaften nach EU-Recht ist die Mitbestimmung dagegen eine Verhandlungssache, über die sich Geschäftsführung und Arbeitnehmer verständigen müssen. Als Resultat gibt es immer mehr Großunternehmen ohne eine paritätische Beteiligung im Aufsichtsrat. Laut IMU haben nur noch vier der 40 DAX-Unternehmen einen paritätisch besetzen Aufsichtsrat. Dabei handelt es sich um Allianz, BASF, E.on und SAP.

Beachten müssen deutsche Politiker in ihrem Eifer nach immer neuen Gesetzen und Regelungen noch einen anderen Faktor. Nach dem Willen der EU war die Unternehmensform der Societas Europaea von Anfang an auf Mobilität im Binnenmarkt ausgelegt. Dementsprechend lässt sich eine Europäische Aktiengesellschaft relativ schnell in ein anderes EU-Land verlegen – etwa, weil dem Konzern die nationale Gesetzgebung in seinem bisherigen Heimatland nicht mehr passt.