18.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
Folge 48-21 vom 03. Dezember 2021 / Schule / Lernaufpasser für hippelige Kinder / Schulbegleiter für verhaltensauffällige Kinder gesucht! – Die Nachfrage nahm schon vor Corona-Zeiten extrem zu

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 48-21 vom 03. Dezember 2021

Schule
Lernaufpasser für hippelige Kinder
Schulbegleiter für verhaltensauffällige Kinder gesucht! – Die Nachfrage nahm schon vor Corona-Zeiten extrem zu
Stephanie Sieckmann

Wenn die kleine Marie Grabowski zur Schule geht, dann geht sie nie alleine. Monika Zimmermann ist stets an ihrer Seite. Gemeinsam machen sich die Zwölfjährige und die 55-Jährige auf den Weg zur Gesamtschule in Köln. Im Klassenzimmer der 6b sitzt die zweifache Mutter neben Marie und unterstützt die Schülerin. Mal hilft sie, wenn es darum geht, eine Aufgabenstellung der Lehrerin zu verstehen. Mal ist sie zur Stelle, wenn im Umgang mit Mitschülern Verständnisfragen aufkommen.

Schulbegleiter wie Monika Zimmermann werden deutschlandweit händeringend gesucht. Auch jetzt, kurz nach dem Start des neuen Schuljahrs, sind viele Stellen noch nicht besetzt. Jahr für Jahr steigt die Anzahl der Schüler, denen ein erhöhter Betreuungsbedarf zugesprochen wird. Die Frage, weshalb das so ist, erfordert einen Blick hinter die Kulissen. 

Rasanter Anstieg von Problemfällen

Die Inklusion, die Teilhabe zusichert, ist vor zwölf Jahren von den Vereinten Nationen beschlossen worden und seit 2015/ 2016 im deutschen Schulgesetz verankert. Diese Maßnahme macht es möglich, dass Kinder mit erhöhtem Unterstützungsbedarf Anspruch darauf haben, durch einen Lern-Assistenten, den sogenannten Schulbegleiter, im Schulalltag unterstützt zu werden und so auf der Schule zu bleiben können, die zu den allgemeinen weiterbildenden Schulen gehört.

Die Unterstützung verbessert die Chancen dieser Schüler auf gute Schulnoten, auf einen Schulabschluss an einer normalen Schule, mit dem sie Aussicht darauf haben, einen Beruf zu erlernen. Der Besuch einer Förderschule und ein dort erworbener Abschluss soll weit weniger gute Aussichten mit sich bringen. Langfristig soll der Einsatz der Schulbegleiter ein sicheres Einkommen und eine sichere Zukunft bedeuten – so zumindest der fromme Wunsch. 

In den vergangenen zehn Jahren ist der Bedarf an sogenannten Schulbegleitern oder Schulassistenten rasant angestiegen. In manchen Kreisen und Städten hat er sich verzehnfacht. Betroffen sind sowohl Kinder in Grundschulen wie auch in weiterführenden Schulen. Daraus könnte man schlussfolgern, dass die Inklusion in Deutschland sehr gut umgesetzt wird. 

Doch der Schein trügt. Anträge auf Unterstützung durch eine Schulbegleitung sind nicht nur dann erfolgreich, wenn ein Kind körperliche oder geistige Einschränkungen oder Behinderungen mitbringt, wenn zum Beispiel bei einem Kind Autismus diagnostiziert wurde. Auch Beeinträchtigungen wie Lese- und Rechtschreibschwäche, Konzentrationsstörungen, ADHS oder andere Verhaltensauffälligkeiten werden als ausreichender Grund akzeptiert. Dazu kommen Kinder, bei denen seelische oder emotionale Belastungen festgestellt werden, zum Beispiel durch die Trennung der Eltern. 

Kinder mit emotionalem und sozialem Förderbedarf – dazu zählen neben Ängsten, Isolation, Drogenkonsum auch Entwicklungsverzögerungen und Verhaltensauffälligkeiten wie Aggressionen – machen inzwischen einen Großteil der Fälle aus. Die Definition von Inklusion – Schüler mit und ohne Behinderung lernen gemeinsam –, die dem Gedanken der Schulbegleitung zugrunde liegt, wird offenbar sehr weit ausgelegt.

Förderhilfen in Milliardenhöhe 

Auf der Webseite des Statistischen Bundesamtes Destatis finden sich dazu interessante Zahlen. Im Schuljahr 2019/2020 lag die Zahl der Schüler mit spezieller Förderung über alle Schularten hinweg bei 557.100 – ein Anstieg um 19,2 Prozent gegenüber 2009. Dazu zählten neben Kindern mit Sprach-, Hör- oder Sehbehinderungen auch solche mit Entwicklungsverzögerungen. In diese Kategorie fallen soziale, emotionale, geistige oder körperliche Probleme. Die Zahlen sorgen inzwischen auch deswegen für Aufsehen, weil der rasante Anstieg bereits im Vor-Corona-Jahr zu beobachten war. Die Pandemie-Lage dürfte es nicht zum Besseren gewendet haben. 

Die steil nach oben zeigende Kurve beim zunehmenden Förderbedarf der Schüler verschlingt viel Geld. Nicht weil Schulbegleiter üppig verdienten, sondern weil die Masse der Bewilligungen die Kassen strapaziert. Schulbegleiter werden von den Kommunen finanziert, die Länder leisten jedoch Ausgleichszahlungen an die Kommunen. 

Für die Unterstützung der Schüler wird kräftig in die Tasche gegriffen. Der Verdienst schwankt, auch nach Qualifikation der Bewerber. Im Durchschnitt erhalten die Schulbegleiter zwischen 2100 und 2500 Euro. Während der Ferien verdienen die Integrationshelfer dabei kein Geld. Trotzdem: Die Kosten für die Kreise explodieren. Das Teilhabegesetz sorgt auf diese Weise dafür, dass Ausgaben für andere soziale Projekte gestrichen werden.

Der Informationsdienst Jugendhilfe KomDat gibt an, dass die Ausgaben für alle Eingliederungshilfen nach Paragraph 35a von 517 Millionen Euro im Jahr 2006 auf 1,4 Milliarden Euro im Jahr 2016 angestiegen seien. Überschlägt man die Summe der Ausgaben für die 2018/2019 gewährten 109.200 Eingliederungshilfen, ergibt sich bereits eine Summe von rund zwei Milliarden Euro.

Die auf den ersten Blick vorbildliche, weil steigende Inklusionsquote kann bei genauerem Hinsehen nicht durchweg optimistisch stimmen. Offensichtlich gibt es in Deutschlands Schulen Probleme, die durch die Hintertür eine Lösung im Bereich der Inklusion suchen. Wenn zunehmend bei den Schülern der Regelschulen ein Förderbedarf attestiert wird, muss das Schulsystem genauer unter die Lupe genommen werden.