25.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
Folge 49-21 vom 10. Dezember 2021 / Kolumne / Spiel mit dem Feuer

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 49-21 vom 10. Dezember 2021

Kolumne
Spiel mit dem Feuer
Florian Stumfall

In den ersten Dezembertagen teilte das Moskauer „Nationale Zentrum für Verteidigungsverwaltung“ mit, zwei russische Kampfjets hätten US-Aufklärungsflugzeuge über dem Schwarzen Meer eskortiert, eine Boeing RC-135 der Air Force und eine Bombardier Challenger CL-600 „Artemis“ der Army. Diese Flugzeuge befanden sich zu dem Zeitpunkt noch über neutralen Gewässern, näherten sich aber der russischen Grenze. Mit dem Auftauchen der russischen Jets drehten die US-Aufklärer dann ab.

Diese Episode ist der Erwähnung nur wert, weil sie als ein bezeichnendes Beispiel für die auffallende Präsenz von US-Kampfeinheiten im Schwarzen Meer dienen kann, ansonsten ist das Routine. Unter der Führung der USA hat im Juni das große Manöver „Sea Breeze“ mit Tausenden von Soldaten sowie Dutzenden von Schiffen und Flugzeugen aus 32 Ländern stattgefunden. Solche Manöver werden seit 1997 regelmäßig abgehalten, dieses jüngste aber war das bisher größte seiner Art. Kaum war es abgeschlossen, passierte Ende November der US-Zerstörer „Arleigh Burke“ von der 6. Flotte den Bosporus und erreichte so das Schwarze Meer. Es handele sich um eine Routinepatrouille, so die offizielle Erklärung.

US-Präsenz im Schwarzen Meer

Zwar ist die Präsenz von Kriegsschiffen aus Ländern im Schwarzen Meer, die keine Anliegerstaaten sind, durch den Vertrag von Montreux aus dem Jahre 1936, das sogenannte Meerengen-Abkommen aufs Genaueste geregelt. Doch dieses Papier ist längst Makulatur. Die US-Kriegsmarine hält sich Abkommens-widrig nach Belieben im Schwarzen Meer auf, und wer sollte sie hindern? Den Zugang beherrscht der NATO-Partner Türkei, und die hat den USA gegenüber noch nie Anstalten gemacht, auf ihren Rechten aus dem Meerengen-Abkommen zu bestehen.

Zwar findet sie keine Beachtung, aber die Rechtslage ist klar, ebenso klar wie die Beweggründe der US-Einheiten zu Wasser und in der Luft. Im Schwarzen Meer geht es Washington um seinen Partner Ukraine und den Gegner Russland. Dabei spielt die Halbinsel Krim eine nicht nur symbolische, sondern auch eine strategische Rolle. Anfang Dezember hat US-Präsident Joe Biden einen, wie er sagte, „Komplex von Initiativen in Bezug auf die Ukraine und Russland“ entworfen. Sicherheitsberater Jake Sullivan und Außenminister Antony Blinken sind mit von der Partie.

Dieser Komplex von Initiativen habe zum Ziel, so wurde verlautbart, die Pläne des russischen Präsidenten Wladimir Putin zu konterkarieren. Diese, so Bidens These, sind es, in der Ukraine einzumarschieren, wobei der anhaltende Bürgerkrieg in diesem Land als glaubwürdige Erklärung herhalten soll. Das macht es notwendig, sich abseits von der gegenwärtigen Lage die Ursachen des Konflikts in Erinnerung zu rufen.

Im Jahr 2014 stürzte ein gewaltsamer Putsch den gewählten Präsidenten der Ukraine Viktor Janukowitsch, worauf dieser nach Russland floh. Der Putsch war begünstigt und – wie die damalige US-Staatssekretärin Victoria Nuland verkündete – durch die USA mit etlichen Milliarden US-Dollar finanziert. In Kiew etablierte sich eine rechtsnationalistische Regierung, die sich vom ersten Tag an gegen Moskau in Position brachte. Daher lehnten es die überwiegend russischen Einwohner der ukrainischen Ostprovinzen im Donbass ab, den Putsch anzuerkennen, und erklärten ihre Abspaltung. Als Russen hatten sie von der Regierung in Kiew nichts Gutes zu erwarten. Das Minsker Abkommen, das die Dinge regeln sollte, führt hauptsächlich deswegen zu keinem Erfolg, weil es Kiew ablehnt, so wie vereinbart und unterschrieben, direkte Gespräche mit den Insurgenten aufzunehmen.

Militärhilfe für die Ukraine

In der Lesart der NATO allerdings ist es Russland, welches das Abkommen hintertreibt. Ebenso wird Moskau vorgeworfen, kämpfende Einheiten im Donbass stehen zu haben, was angesichts des militärischen Patts einer erheblichen Fehleinschätzung der Möglichkeiten der russischen Streitkräfte gleichkommt.

Die Ukraine jedenfalls kann auf die Hilfe der USA zählen. Im März dieses Jahres sagte das Pentagon eine Militärhilfe im Wert von 104 Milliarden Dollar zu, wobei die Lieferung von zwei bewaffneten Schnellbooten eingeschlossen ist. Deren Verwendung erscheint allerdings rätselhaft, schließlich hat der Donbass keine Küste. John Kirby, Sprecher des US-Verteidigungsministeriums, sagte: „Dieses Vorgehen bekräftigt die Zusage der USA, der Ukraine Verteidigungswaffen bereitzustellen, um das Land in die Lage zu versetzen, sich wirkungsvoller gegen russische Aggressionen zu verteidigen.“

NATO-Pläne für eine Erweiterung

Mitte Juni stockte das Pentagon seine Militärhilfe für die Ukraine auf. Dabei geht es um Munition, Funkgeräte, und nicht zuletzt Panzerabwehrraketen. Der Umfang der Hilfe beläuft sich auf rund 60 Millionen Dollar. Washington unterstütze die Ex-Sowjetrepublik angesichts der „russischen Aggression“, erklärte die US-Botschaft in Kiew. Die Ukraine hat derzeit mit 125.000 Mann die Hälfte ihrer Streitkräfte im Donbass stehen.

Diese Militärhilfe für die Ukraine geht einher mit immer neuen Überlegungen, das Land in die NATO aufzunehmen. Doch das scheint derzeit sogar dem Bündnis zu gewagt, sodass man eine Zwischenlösung erwägt. Man könnte, so die Überlegung, von einer förmlichen Mitgliedschaft Kiews derzeit absehen, aber doch dauerhaft NATO-Truppen in der Ukraine stationieren. Für Russland bedeutet diese Finte strategisch nichts anderes als eine Vollmitgliedschaft. Daher verlangte der russische Präsident Putin Anfang Dezember die rechtsverbindliche Zusage, dass die NATO nicht weiter auf die russische Grenze vorrücken werde.

Offenbar um angesichts einer ohnehin schon gefährlichen Lage weiteres Öl ins Feuer zu gießen lässt der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij einen Spitzenbeamten namens Alexej Arestowitsch verkünden: „Putin wird sehen, dass in absehbarer Zeit ukrainische Raketen auf Moskau gerichtet werden, und zwar aus dem einfachen Grund, weil wir an einem Raketenprogramm arbeiten.“ Und er schloss seinen verbalen Kraftakt mit der Drohung, ein Angriff auf die Ukraine würde „das Ende der russischen Armee und das Ende der Russischen Föderation“ bedeuten.