26.04.2024

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Folge 50-21 vom 17. Dezember 2021 / Regierungswechsel / Wie lange wird Scholz’ Schweige-Masche halten? / Schon bald werden die Bruchstellen im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung ins Licht rücken. Der neue Kanzler wird Stellung beziehen müssen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 50-21 vom 17. Dezember 2021

Regierungswechsel
Wie lange wird Scholz’ Schweige-Masche halten?
Schon bald werden die Bruchstellen im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung ins Licht rücken. Der neue Kanzler wird Stellung beziehen müssen
Hans Heckel

Kritischen Beobachtern fiel es gleich auf: Im Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien bleiben viele wichtige Fragen ausgeklammert oder lösen sich auf in unverbindlichen Allgemeinplätzen. So bleibt die außenpolitische Positionierung der neuen Bundesregierung bislang unklar.

Beispiel Nord Stream 2: Gerade erst war Außenministerin Annalena Baerbock bei ihrem Antrittsbesuch in Warschau erneut auf Distanz zur der Gasleitung zwischen Russland und Deutschland gegangen. Dem fertiggestellten Projekt könne derzeit keine Betriebsgenehmigung erteilt werden. Ihre Blockadehaltung begründete die Grüne unter anderem mit dem schwelenden Ukraine-Konflikt. Als Kanzler Olaf Scholz kurz darauf ebenfalls die polnische Hauptstadt besuchte, schwieg der Sozialdemokrat einfach zum Streit um Nord Stream 2.

Angesichts der großen außenpolitischen Bedeutung, die der Pipeline mittlerweile zuteilgeworden ist durch den massiven Widerstand aus den USA, Polen, den baltischen Staaten und der Ukraine, muss solches Schweigen irritieren. Es lässt die Position Deutschlands schwammig und schlimmstenfalls unberechenbar erscheinen.  

Allerdings deutet sich an, dass sich in Scholz’ Schweigen mehr abzeichnet als nur eine zaudernde Haltung zu einem Einzelproblem, sondern eine allgemeine Taktik. Mehrfach schon fiel der neue Regierungschef damit auf, kritische Fragen nicht einmal ausweichend, sondern einfach überhaupt nicht zu beantworten. Als ein niederländischer Journalist ihn nach Abschluss des Koalitionsvertrages zu seiner Rolle als Finanzminister beim Cum-Ex-Skandal oder dem Aufsichtsversagen bei der Wirecard-Pleite befragte, konterte Scholz mit allgemeinem Gerede, das nichts, aber auch gar nichts mit der gestellten Frage zu tun hatte.

Immerhin: Klarheit in Warschau

Polit-Analysten fragen sich allerdings, wie lange der frisch gewählte Kanzler mit dieser Masche durchkommt. Nicht mehr sehr lange – so die meist verbreitete Prognose. Dann könnte es spannend werden, gerade weil im Koalitionsvertrag vernebelte Bruchstellen der drei Ampel-Parteien ins Licht rücken werden, sobald sich Scholz zu mehr Klarheit genötigt sieht.

Immerhin hat er in Warschau polnischen Reparationsforderungen eine klare Absage erteilt. Dieses Kapitel sei vertraglich abgeschlossen. Er hat recht: Nach Ende des Kalten Krieges hat die frei gewählte polnische Regierung den Verzicht auf Reparationen vertraglich bestätigt. 

Scholz versprach in Warschau indes, dass Deutschland weiterhin bereit sei, hohe Summen in die EU-Kassen zu zahlen. Damit hat der Kanzler deutsche EU-Nettozahlungen in direkten Zusammenhang mit Kriegsreparationen gebracht, was eine gewisse Pikanterie besitzt. 

Warschau spielt indes wohl nur mit den Forderungen nach Weltkriegsreparationen. Dort weiß man, dass der Verzicht auf solche Forderungen Teil eines vertraglichen Gesamtwerks ist, in dessen Zusammenhang die deutsche Seite auch auf alle Rechtsvorbehalte hinsichtlich der alten deutschen Ostgebiete verzichtet hatte. Wer das eine wieder aufschnürt, öffnet auch das andere von Neuem. Das dürfte kaum im polnischen Interesse liegen.

Der ausstehende Abstimmungsbedarf zwischen Rot und Grün, namentlich zwischen Kanzler- und Außenamt, stellt nicht die einzige heikle Baustelle der Ampel dar.

Die Freidemokraten werden ihrer eigenen Wählerschaft einiges zu erklären haben. Im Wahlkampf als wackere Kämpfer gegen höhere Staatsverschuldung aufgetreten, bastelt Finanzminister Christian Lindner nun plötzlich an einem Nachtragshaushalt, was sehr nach Trickserei riecht. Und dass sich ausgerechnet die Liberalen dem Thema allgemeine Impfpflicht „öffnen“, dürfte bei ihrer freiheitlich gesinnten Kernklientel mehr als nur Staunen auslösen. Kommen jetzt noch als Subventionsabbau getarnte Steuererhöhungen hinzu, ist es mit der Glaubwürdigkeit schnell vorbei. Die FDP-Wahlkatas-trophe von 2013 lässt grüßen.