25.04.2024

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Folge 50-21 vom 17. Dezember 2021 / Corona-Demonstrationen / Ein heterogenes Gemisch geht auf die Straße / Eine einheitliche Protestbewegung gibt es nicht. Das Spektrum reicht von Linken über Liberale und Konservative bis hinein ins sehr rechte Spektrum

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 50-21 vom 17. Dezember 2021

Corona-Demonstrationen
Ein heterogenes Gemisch geht auf die Straße
Eine einheitliche Protestbewegung gibt es nicht. Das Spektrum reicht von Linken über Liberale und Konservative bis hinein ins sehr rechte Spektrum
Peter Entinger

Die anhaltenden Corona-Maßnahmen und die aufkommende Debatte über eine mögliche Impfpflicht erhitzen weiterhin die Gemüter. Vor allem in Mitteldeutschland kommt es seit Wochen zu erheblichen Protesten. 

Obwohl diese in aller Regel friedlich bleiben, haben Regierungsverantwortliche gleich welcher Couleur eine härtere Gangart angekündigt. Sachsens Verfassungsschutz hat die Befürchtung geäußert, dass sich die Gegner der Corona-Politik in der vierten Infektionswelle weiter radikalisieren. Teilnehmer aus der bürgerlichen Mitte ließen dabei unverändert keinerlei Tendenzen erkennen, sich von Extremisten klar zu distanzieren. 

Dies ist eine recht gewagte Einschätzung. Richtig ist, dass es eine einheitliche Protestbewegung nicht gibt. Dass die Corona-Maßnahmen vor allem aus dem rechten politischen Spektrum kritisiert werden, ist nichts Neues. Dies ist in den Niederlanden, Frankreich und Italien genauso. 

Martin Kohlmann in Sachsen

In Sachsen fokussiert sich das öffentliche Interesse auf Martin Kohlmann. Der Chemnitzer Rechtsanwalt steht an der Spitze der Regionalpartei „Freie Sachsen“. Die Formation hat sich Ende Februar aus Kritik gegen die sächsische Corona-Politik im Erzgebirge gegründet. Laut eigener Aussage verurteilen die „Freien Sachsen“ die Maßnahmen der Landesregierung aufs Schärfste und fordern eine „Politik der Vernunft“ unabhängig vom Inzidenzwert. 

Kohlmann sitzt für die Bürgerbewegung Pro Chemnitz im Stadtrat. Schon als Jurastudent bekleidete er hochrangige Funktionen bei den mittlerweile bedeutungslos gewordenen Republikanern. Kohlmann bezeichnet sich selbst in Interviews als „durch und durch bürgerlich“. Medien nennen ihn dagegen einen „Neonazi“. Fest steht, dass der Anwalt keine Berührungsängste nach ganz rechts hat. Im Vorstand seiner Organisation sitzt mit Stefan Hartung ein langjähriger NPD-Funktionär.

Wohl auch deswegen hat sich die Alternative für Deutschland bislang auffallend zurückgehalten. Die Parteispitze diskutierte nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur am vorvergangenen Montag darüber, ob man dem Unmut der Impfgegner auch auf der Straße eine Plattform bieten solle. Eine Mehrheit sprach sich dafür aus. Geplant sind regionale Veranstaltungen, teils auch mit Spitzenfunktionären der Bundespartei. Es sei aber auch die Sorge geäußert worden, dass man sich „in schlechter Gesellschaft“ befinden könnte. Denn außer Frage steht, dass sich in Sachsen auch Aktivisten der als rechtsextrem geltenden Kleinpartei „Der III. Weg“ unter die Demonstranten gemischt haben.

„Weniger, aber radikaler“

Die bis zur vergangenen Woche größte Demonstration im mitteldeutschen Raum fand übrigens nicht in Sachsen, sondern in Brandenburg statt. In Cottbus protestierten 1000 Menschen, darunter in der Mehrheit unauffällige Bürger. Die regionale Presse will unter den Teilnehmern aber auch militante Fußballfans aus dem Umfeld der Energie-Cottbus-Szene ausgemacht haben. Auch in diesem Fall war das Spektrum der Demonstranten sehr breit. Es reichte von Linken über Liberale und Konservative bis hinein ins sehr rechte Spektrum und von Familien mit Kindern über Bestreiter der Existenz des Coronavirus bis zu Esoterikern, Impfgegnern, Vertretern unterschiedlichster Verschwörungstheorien und Reichsbürgern. 

In Sachsen sind auch regelmäßig kleine und mittlere Unternehmer, die um ihre Existenz fürchten, bei Demonstrationen dabei, teilweise sogar als Redner. Die Behörden und die Politik verfahren derzeit offenbar nach dem Motto: teile und herrsche. Mehrere Innenminister betonten, die „bürgerliche Mitte“ müsse sich von den Demonstranten distanzieren, um nicht selbst in den Verdacht des Extremismus zu geraten. Möglicherweise funktioniert das sogar. 

Mandy Koch, Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei Thüringen, sagte in einem „MDR Aktuell“-Interview, dass man mit der Verschärfung der Maßnahmen auch eine Veränderung des Protestgeschehens sehen könne. Der Kreis der Demonstranten sei tendenziell kleiner geworden, so Koch, man müsse aber konstatieren, dass „der verbleibende Rest sich durchaus radikalisiert hat“.