25.04.2024

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Folge 50-21 vom 17. Dezember 2021 / Nordseehäfen / Schulterschluss, um die Spitze anzuführen / Große Pläne für die Zukunft – Abstiegsängste und neue Konkurrenten schweißen deutsche Containerhäfen zusammen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 50-21 vom 17. Dezember 2021

Nordseehäfen
Schulterschluss, um die Spitze anzuführen
Große Pläne für die Zukunft – Abstiegsängste und neue Konkurrenten schweißen deutsche Containerhäfen zusammen
Norman Hanert

Traditionell liefern sich die Häfen Hamburg und Bremen im Containergeschäft einen harten Wettbewerb. Nachdem die Konkurrenz in Rotterdam und Antwerpen immer mehr Marktanteile gewinnt und Rivalen wie die Häfen in Danzig und Piräus immer stärker werden, nehmen die Nordseehäfen Hamburg, Bremen und Wilhelmshaven nun Kurs auf einen engeren Zusammenschluss.

Der Hamburger Hafenkonzern HHLA verhandelt bereits seit Mitte 2018 mit der Bremer Eurogate und der Logistikgruppe BLG über eine Zusammenlegung ihrer Containerterminals in den großen deutschen Seehäfen. Nachdem die Gespräche gut anderthalb Jahre lang zu keinem Ergebnis geführt hatten, wollen die Beteiligten offenbar noch vor dem Jahresende eine entsprechende Absichtserklärung unterzeichnen. Wie die HHLA-Chefin Angela Titzrath betont, geht es bei den Plänen nicht darum, die Hafenbehörden zusammenzulegen. Vielmehr sollen die acht Container-Terminals in Hamburg, Wilhelmshaven und Bremerhaven möglicherweise unter dem Dach einer gemeinsamen Gesellschaft künftig kooperieren. Gelingt dieser Zusammenschluss, dann könnten die drei deutschen Häfen mit ihrem Containergeschäft fast mit Rotterdam gleichziehen.

Aus Konkurrenten werden Partner

Deutschlands Nordseehäfen reagieren damit auf die Entwicklung auf der sogenannten Nordrange. Gemeint sind damit vor allem die Häfen Antwerpen, Rotterdam, Bremerhaven und Hamburg. Über die Nordrange werden fast 80 Prozent des europäischen Außenhandels abgewickelt. Die Marktanteile auf diesem riesigen Markt sind hart umkämpft. Während der Pandemie im vergangenen Jahr hat sich der Hamburger Hafen besser behaupten können als ursprünglich befürchtet wurde. Allerdings verzeichneten die Konkurrenten Rotterdam und Antwerpen höhere Wachstumsraten, sodass Hamburg und Bremerhaven auf der Nordrange insgesamt Marktanteile verloren haben. Ein wichtiger Faktor dabei ist, dass Rotterdam und Antwerpen derzeit effizienter und kostengünstiger arbeiten als die deutschen Kontrahenten. Für diese nimmt der Druck sogar noch zu.

Im Frühjahr haben Vertreter der Städte Brügge und Antwerpen, der flämischen Regierung und der Hafenbehörden eine Fusion der Containerhäfen Antwerpen und Zeebrugge beschlossen. Unter der Marke „Hafen von Flandern“ wollen beide belgischen Häfen langfristig Rotterdam, derzeit Europas größten Containerhafen, den Rang streitig machen.

Obendrein wächst Hamburg und Bremerhaven auch noch Konkurrenz in der Ostsee und im Mittelmeer heran. Im Danziger Hafen werden derzeit die Umschlagskapazitäten für Containerschiffe und auch die Schienenanbindung ausgebaut. Der Ostseehafen kann zudem mit niedrigeren Kosten punkten.

Auch der griechische Hafen Piräus ist nach der Übernahme durch die China Ocean Shipping Company (COSCO) im Jahr 2016 stark ausgebaut worden. So stark, dass der Hafen inzwischen immer öfter als Chinas „Einfallstor nach Europa“ bezeichnet wird.

„Champion, den wir bauen wollen“

Dementsprechend besteht bei den Häfen an der Deutschen Bucht der Handlungsbedarf, den wirtschaftlichen Abstieg abzuwenden. Noch vor dem Abschluss der Fusionsgespräche zwischen dem Hamburger Hafenkonzern HHLA und der Bremer Eurogate hat die Reederei Hapag-Lloyd bereits ein wichtiges Zeichen gesetzt. Im September gab die Hamburger Reederei ihren Einstieg beim Tiefwasserhafen JadeWeserPort in Wilhelmshaven bekannt. Das Unternehmen übernimmt dort 30 Prozent am Containerterminal. Bislang hat Hapag-Lloyd beim Containerumschlag vor allem auf die Terminals in Hamburg gesetzt. Mit der Beteiligung am JadeWeserPort ist davon auszugehen, dass Hapag-Lloyd schon aus Eigeninteresse künftig verstärkt auch Schiffe nach Wilhelmshaven schicken wird. 

Die Beteiligung von Hapag-Lloyd am JadeWeserPort kann auch als Signal an Hamburg verstanden werden. Über ihre Beteiligungsgesellschaft HGV ist die Stadt Hamburg nämlich größter Einzelaktionär der Hapag-Lloyd AG.

Niedersachsens Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) bezeichnete die enge Zusammenarbeit der Hafenstandorte sogar als „Voraussetzung für den europäischen Champion, den wir bauen wollen“.

Tatsächlich bescheinigt eine Untersuchung des Institutes für Seeverkehrslogistik und der Unternehmensberatung Roland Berger einer Kooperation der Container-Terminals in Hamburg, Bremerhaven, Bremerhaven und Wilhelmshaven großes Zukunftspotential. Laut den Gutachtern kann ein Verbund der beiden Terminalbetreiber Eurogate und HHLA aus Hamburg zu einer gemeinsamen „Deutsche Bucht AG“ zur Nummer eins unter den europäischen Häfen werden. Die Studienautoren sehen für die deutschen Nordseehäfen ein Umschlagpotential von 15 Millionen Standardcontainern pro Jahr. Rotterdam liegt derzeit bei 14,4 Millionen Standardcontainern, Antwerpen bei zwölf Millionen. 

Noch wichtiger als die Umschlagsmengen ist aus Sicht der Unternehmensberater das Potential an Synergien und Innovationsvorsprüngen durch eine Fusion. Die Containerterminals in der Deutschen Bucht können durch eine Zusammenarbeit in den Bereichen Verwaltung, IT, Vertrieb, Einkauf, Personal sowie Forschung und Entwicklung Gelder einsparen, die sie dann in die Entwicklung stecken können. Laut der Studie könnte das Geld für digitale Hafenlogistik, den Ausbau der Bahninfrastruktur und die Nutzung von Wasserstoff verwendet werden. Selbst gegenüber den Konkurrenten Rotterdam und Antwerpen könnten sich Hamburg und Bremerhaven damit einen Wettbewerbsvorteil verschaffen.

Wie schon beim Aufschwung des Hafens Piräus kann der chinesische Staatskonzern COSCO auch bei dem Plan, die deutschen Nordseehäfen zu einem „europäischen Champion“ zu machen, eine wichtige Rolle spielen. Bereits im September wurde bekannt, dass sich COSCO Shipping Ports als Partner mit einer 35-prozentigen Minderheitsbeteiligung an dem Hamburger Containerterminal Tollerort beteiligt. Die Chinesen haben angekündigt, Tollerort zu einem zentralen europäischen Knotenpunkt für den Warenverkehr mit China machen zu wollen.