26.04.2024

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Folge 50-21 vom 17. Dezember 2021 / Garnisonkirche Potsdam / Ein „Haus der Demokratie“ statt eines Kirchenschiffs / Neues Konzept sieht einen Profanbau mit einem Plenarsaal für die Stadtverordnetenversammlung als Ergänzung des Turms vor

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 50-21 vom 17. Dezember 2021

Garnisonkirche Potsdam
Ein „Haus der Demokratie“ statt eines Kirchenschiffs
Neues Konzept sieht einen Profanbau mit einem Plenarsaal für die Stadtverordnetenversammlung als Ergänzung des Turms vor
Hagen Nettelbeck

Vorletzten Mittwoch wurde in Brandenburgs Hauptstadt ein Konzept für die Garnisonkirche Potsdam vorgestellt, das in den Medien als „Kompriss“, als „Lösung“ und als „Durchbruch“ präsentiert und gefeiert wurde. Der Kernpunkt dieses neuen Konzeptes ist, dass man den Turm zwar stehen lässt, aber auf das Kirchenschiff verzichtet. Kritiker fragen, wieso es ein Kompromiss sein soll, wenn die Kirche auf die Fertigstellung der Kirche verzichtet. Doch auch die großen bürgerlichen Zeitungen übernahmen diese Sprachregelung, kein Redakteur der Leitmedien  schrieb, dass das kein Kompromiss sei. 

Die Vertreter der Stadt, der Garnisonkirchenstiftung und des bislang vom Abriss bedrohten Kultur- und Kreativzen­trums, dem ehemaligen Rechenzentrum, das zu DDR-Zeiten auf dem Kirchengelände entstand, hätten sich auf diesen Kompromiss verständigt, hieß es bei der Vorstellung des Konzepts in Potsdam. Im Mittelpunkt stehe ein „Haus der Demokratie“ auf dem Areal des früheren Kirchenschiffs, in dem unter anderem ein neuer Plenarsaal für die Potsdamer Stadtverordnetenversammlung entstehen soll.

Der Kuratoriumsvorsitzende der Stiftung Garnisonkirche Potsdam, der ehemalige Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz und Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland Wolfgang Huber, bezeichnete das Konzept als inhaltlich überzeugend. Er verzichtete auf jedes Wort der Kritik. Stattdessen beteuerte er: „Wir gehen diesen Weg aus Überzeugung.“

Ein neues Kirchenschiff soll nicht errichtet werden. Die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz hatte bereits vor einiger Zeit entschieden, dass im Fall der Errichtung eines neuen Kirchenschiffs auch architektonisch ein Bruch mit der Geschichte erkennbar sein müsse.

Die evangelische Kirche will den Turm für historische Aufklärung sowie Friedens- und Versöhnungsarbeit nutzen. Der Turm der Garnisonkirche ist bereits 56 Meter hoch, mit den Bauarbeiten ist man im Plan. Der Rohbau ist fast fertig. Es fehlt unter anderem noch die Turmhaube. Der Abschluss der Arbeiten ist für 2023 vorgesehen.

Sollte das Konzept angenommen werden, soll 2022 zunächst ein Raumprogramm entwickelt werden und danach ein Architektenwettbewerb folgen. Ziel sei es, bis Ende 2023 die planerischen Grundlagen für das Bauvorhaben zu schaffen.

Doch bislang ist dieses Konzept nur eine Idee, denn noch steht die Zustimmung vieler Beteiligter aus. Neben den Stadtverordneten müssen auch die Gremien der Stiftung Garnisonkirche und die des Ex-Rechenzentrums ihr Ja-Wort zu diesem „Forum“ geben. Und schließlich sind da noch die vielen Spender; nicht zwingend notwendig ist das grüne Licht der Fördergesellschaft für den Wiederaufbau der Garnisonkirche. Deren Chef Matthias Dombert hat ja bereits an dem Kompromiss mitgearbeitet. Dombert kündigte an, bei einer Mitgliederversammlung der Fördergesellschaft werde er für die Unterstützung dieses Konzeptes werben.

Den größten Schritt müssen dabei Kirche und Stiftung gehen. Denn sie müssen erklären, warum der Verzicht auf einen Kirchenbau im originären Interesse der Kirche liegen sollte. Kuratoriumsvorsitzender Huber bereitet eine ensprechrende Argumentation bereits vor, er sagte, der neue Ort solle für „zeitgemäßes verantwortliches Christsein“ stehen. Ein Kirchenschiff sei an der Stelle jedenfalls nicht nötig – an Kirchen im Umfeld gäbe es „keinen Mangel“. Was „jetzt vorgestellt wird, ist die sinnvollste Nutzung“ der Fläche des Kirchenschiffs, so Huber. Die geplante Nutzung durch die Stadtverordnetenversammlung sei Ausdruck gelebter Demokratie, der Kompromiss erfülle ihn als Demokraten und Christen „mit sehr viel Hoffnung“.

In einem Interview mit den „Potsdamer Neuesten Nachrichten“ („PNN“) sagte Huber, dass dieser „lange Prozess“ Menschen „zusammengeführt“ habe, „er hat sich am Ende als sehr ertragreich erwiesen. Für mich ist das, was jetzt vorgeschlagen wird, der inhaltlich überzeugendste Vorschlag für die Nutzung des Raums des Kirchenschiffs. Ich begrüße die erreichte Einigung und unterstütze die Errichtung eines Plenarsaales auf der früheren Fläche des Kirchenschiffes. Für uns ist das mit schwierigen Entscheidungen und schmerzlichen Klärungsprozessen verbunden. Aber wir gehen diesen Weg aus Überzeugung. Wir hoffen, dass sich die gute Atmosphäre, die sich in den Gesprächen entwickelt hat, als tragfähig erweisen wird.“ 

Hubers Argumentation, es gebe genügend Kirchen im Umfeld, wirft die Frage auf, was sich seit 2017 verändert hat – denn die anderen Kirchen, auf die der Geistliche verweist, standen ja auch schon vor vier Jahren. In der damailgen Diskussion war das allerdings kein Grund, auf ein Kirchenschiff zum Kirchturm zu verzichten. Da wird womöglich bei vielen Spendern der Eindruck entstehen, dass der Kirchenleitung einfach die sittliche Kraft fehle, zu ihren eigenen Zusagen aus dem Jahr 2017 zu stehen.