20.04.2024

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Folge 50-21 vom 17. Dezember 2021 / Der Wochenrückblick / Salopp gesagt / Wieso wir müssen, was sie wollen, und warum trotzdem niemand Schuld hat

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 50-21 vom 17. Dezember 2021

Der Wochenrückblick
Salopp gesagt
Wieso wir müssen, was sie wollen, und warum trotzdem niemand Schuld hat
Hans Heckel

Wenn es darum geht, das Volk mit hässlichen Wahrheiten zu konfrontieren, hat sich mittlerweile ein festes Prozedere etabliert. Das Prozedere besteht aus drei Phasen.

In Phase 1 streiten die Verantwortlichen und ihre herbeigerufenen Experten die unangenehme Wahrheit erst einmal ab. Jeder, der sie dennoch beim Namen nennt, wird nicht selten bezichtigt, Ängste zu schüren oder gar ganz finstere Absichten zu verfolgen.

Phase 2 setzt ein, wenn die unangenehme Wahrheit eine immer mehr spürbarere Gestalt annimmt und daher kaum noch zu leugnen ist. Dann beginnen dieselben Politiker und ihre Experten damit, die trübe Realität häppchenweise zuzugeben. Aber nur ganz langsam, damit sich die Leute an das Unheil gewöhnen können.

Ist das geschafft, zünden die Verantwortlichen und ihre hilfreichen Fachleute Phase 3: Sie reden das Debakel schön. Beim Thema Inflation durchlaufen wir gerade den Übergang von Phase 2 zu Phase 3. 

Zur Erinnerung: Es ist erst Wochen her, da sagten hohe und höchste Stellen bis hin zur Spitze der Europäischen Zentralbank (EZB) voraus, dass wir es bei der derzeit rasanten Preisentwicklung nur mit einer kleinen „Buckel-Inflation“ zu tun hätten, die natürlich nichts mit der besinnungslosen Gelddruckerei der Notenbanken zu tun habe. 

Schuld sei vielmehr Corona, das erst die Lieferketten zerrissen und dann einen gigantischen „Nachhol-Konsum“ losgetreten habe. Und da bei der Geldpolitik von EZB und Co. nichts falsch gelaufen sei, verschwände die Inflation, sobald die Pandemie ihren wirtschaftlichen Schrecken verloren habe. 

Daraus wird wohl nichts, wie mittlerweile alle Zahlen nahelegen, weshalb längst die Häppchen-Fütterung für Phase 2 eingesetzt hat. Und nun läutet Thomas Straubhaar Phase 3 ein. Ja, für die Verbraucher in Deutschland werde „in der Tat vieles teurer“, gibt der bekannte Ökonom zu. „Aber genau das ist in weiten Teilen durchaus gewollt.“

Wie bitte? Es ist gewollt, dass sich die Deutschen, gerade die mit dem kleinen Geldbeutel, immer weniger leisten können? Von wem? Müssen das nicht echte Schurken sein, die Millionen von Menschen mit voller Absicht das Fell über die Ohren ziehen? Aber nein, vergessen Sie nicht, in Phase 3 ist Schönreden angesagt, und Straubhaar liefert. „So ist es politisch breit unterstützte Absicht, so rasch und so nachhaltig wie möglich für eine ökologische Kostenwahrung zu sorgen“, schalmeit er in einem Gastbeitrag für die „Welt“ und fügt an: „Gleiches gilt bei Arbeitsbedingungen in Billiglohnländern.“ Aha, der Geringverdiener in Berlin wird geschröpft, damit der Geringverdiener in Bangladesch kein Geringverdiener mehr ist. Etwa so?

Etwa so, aber es kommt noch besser, denn jetzt wird es trickreich! Plötzlich schlussfolgert der Professor in schönster Schein-Logik: „Was Deutschland in Corona-Zeiten erlebt, ist – salopp gesagt – schlicht die Notwendigkeit, dass das Leben teurer wird.“

Eben noch stand hinter der rapiden Teuerung eine „politisch breit unterstützte Absicht“. Nun verwandelt sich die „Absicht“ einen Absatz später in eine „Notwendigkeit“! Hinter Absichten steckt immer ein Urheber, der dafür die Verantwortung trägt. Notwendigkeiten stellen sich dagegen für gewöhnlich von selbst ein, ohne dass jemand sie gewollt haben muss, den man dafür zur Rechenschaft ziehen kann. 

Oft ziemlich allein auf der Welt

Das Muster kennen wir, es lief einst unter der Parole „alternativlos“. Ob Atomausstieg, Grenzöffnung, Lockdown oder jetzt die Inflation – alles, was die Politik mit Absicht lostritt, wird im Handumdrehen zur undiskutierbaren Notwendigkeit, der sich vernünftigerweise niemand in den Weg stellen darf. Mit den Unvernünftigen werden wir schon fertig.

Was müssen das für wirre Zeiten gewesen sein, als über die großen Fragen noch richtig gestritten wurde, mit zwei Lagern, die tatsächlich zu Wort kamen? Dagegen haben wir heute das Schlagwort der „False Balance“ entwickelt. Das heißt so viel wie „Falsches Gleichgewicht“ und bedeutet, dass man abweichende Meinungen gar nicht mehr zulassen darf, weil sie damit „aufgewertet“, ja, mit der „richtigen“ Meinung (Verzeihung, muss natürlich heißen: mit den Vertretern der beabsichtigten Notwendigkeit) sogar auf eine Stufe gestellt würden.  

Dass die deutsche Politik mit ihren angeblichen Notwendigkeiten oft ziemlich allein steht auf der Welt, tut der Selbstsicherheit unserer Beabsichtiger keinen Abbruch. Überall auf dem Planeten wachsen neue Atom- und auch Kohlekraftwerke in den Himmel, die Grenzen hat mittlerweile kein Land mehr so offen wie Deutschland, und Schweden ist auch ohne Lockdown nicht ausgestorben – die Sieben-Tage-Inzidenz liegt (Stand 14. Dezember) nicht einmal halb so hoch wie bei uns. Möglicherweise deshalb wird über die Lage im Land der Schären kaum noch berichtet – „False Balance“ wollen wir schließlich auch bei Auslandsreportagen vermeiden.

Das darf allerdings nicht heißen, dass wir diese störrischen Ausländer einfach machen lassen. Die neue Bundesinnenministerin Nancy Faeser (siehe S. 8) hatte kaum auf ihrem Kabinettsstuhl platzgenommen, da knöpfte sie sich die Polen vor wegen deren Unverfrorenheit, ihre Grenze schützen zu wollen. Die Sozialdemokratin will EU-Beamte an die Außengrenze zu Weißrussland entsenden und pocht darauf, dass Hilfsorganisationen Zugang zum Grenzgebiet erhalten.

Dass einige dieser „Hilfsorganisationen“ penetrant nach Schlepperbande müffeln, hat Faeser sicherlich auf dem Zettel. Ebenso wie die polnische Regierung, weshalb Warschau ausgerechnet diese Organisationen nicht an seiner Ostgrenze sehen will.

Beinahe ungesehen in der Sofaritze verschwunden wäre die Meldung, dass 40.000 Afghanen in die EU umgesiedelt werden sollen, von denen allein Deutschland 25.000 aufnehmen will, also 62,5 Prozent. Aufgrund des Zeitpunkts der Bekanntgabe muss dies noch von der Merkel-Regierung eingetütet worden sein, die uns auf diese Weise ein weiteres hübsches Abschiedsgeschenk hinterlässt. Frankreich und Spanien nehmen übrigens nur je 2500, die Niederlande immerhin 3000 und Österreich – nicht einen.

Um polnische Reparationsforderungen abzuwehren, hat der neue Kanzler Scholz bekanntlich auf die Bereitschaft Deutschlands hingewiesen, weiterhin hohe Lasten für die Europäische Union zu tragen. Der Afghanen-Deal der Vorgängerregierung macht vor, wie solche Versprechen in die Tat umgesetzt werden. Und dass man der Inflation nicht mit der Zinsschraube begegnet wie einst die erfolgreiche Bundesbank, liegt schließlich auch daran, dass bei höheren Zinsen die Euro-Südstaaten sofort pleite wären. So stellt die zinslose Inflationsenteignung der Deutschen auch eine jener hohen Lasten dar, die „wir“ gern tragen. Ein Professor Straubhaar redet da aber lieber über Ökologie und die unterbezahlten Arbeiter in der Dritten Welt. Moral macht sich halt besser.