29.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
Folge 51-21 vom 24. Dezember 2021 / Politik / Eine Partei will zurück in eine ungewisse Zukunft / Mit der Nominierung von Friedrich Merz zum neuen Vorsitzenden hat die Basis der Christdemokraten nun auch für die CDU das Ende der Ära Merkel eingeläutet

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 51-21 vom 24. Dezember 2021

Politik
Eine Partei will zurück in eine ungewisse Zukunft
Mit der Nominierung von Friedrich Merz zum neuen Vorsitzenden hat die Basis der Christdemokraten nun auch für die CDU das Ende der Ära Merkel eingeläutet
René Nehring

Das Ergebnis war eindeutig. Beim Mitgliederentscheid der CDU zur Neubesetzung der Parteispitze entfielen 62,1 Prozent der Stimmen auf Friedrich Merz. Mit so viel Zuspruch für den früheren Bundestagsfraktionsvorsitzenden gleich im ersten Wahlgang – beworben hatten sich auch der bisherige Kanzleramtsminister Helge Braun und der frühere Umweltminister Norbert Röttgen – hatte kaum jemand gerechnet. 

Damit endet ein in der jüngeren Geschichte beispielloser Versuch der Funktionärsschicht einer Partei, den bei der Basis beliebtesten Politiker zu verhindern. Bereits zweimal war Merz bekanntermaßen angetreten, die Nachfolge von Alt-Bundeskanzlerin Angela Merkel im CDU-Vorsitz zu übernehmen, seit diese 2018 ihren Rückzug von der Parteispitze verkündet hatte. Beide Male scheiterte er an den Mehrheitsverhältnissen der Parteitage, auf denen Merkels Gefolgsleute noch immer die Mehrheit hatten. Erinnert sei nur an den triumphierenden Jubel der Kanzlerin vor drei Jahren, als anstelle des favorisierten Merz die Kanzlerinnenvertraute Annegret Kramp-Karrenbauer obsiegt hatte. Schon damals sahen Umfragen unter den Mitgliedern eine klare Präferenz für Merz. Ebenso vor einem Jahr, als das „Parteiestablishment“ (O-Ton Merz) den braven NRW-Landesvater Armin Laschet auf den Schild hob, um abermals den Liebling der Basis zu verhindern. 

Die Sehnsucht der Mitglieder resultiert aus einer anderen Perspektive als diejenige der Funktionsträger. Sie haben sich nicht davon blenden lassen, dass die CDU 16 Jahre lang die Kanzlerin stellte und im Gefolge dessen zahlreiche attraktive Ämter besetzen konnte. Sie sehen vielmehr, dass ihre Partei nach den Kurswechseln bei Themen wie Wehrpflicht, Familie, Energie, Euro, Zuwanderung etc. inhaltlich kaum noch für etwas steht. Und sie haben einen klareren Blick für die Bilanz der Ära Merkel, zu der nicht nur zuletzt das schlechteste Wahlergebnis in der Geschichte der Partei gehört, sondern auch ein dramatischer Rückgang bei den Mitgliederzahlen (von 616.000 im Jahre 2000, als Merkel Vorsitzende wurde, auf derzeit 386.000), das Entstehenlassen einer neuen Konkurrenzpartei, zu deren Gründern zahlreiche langjährige CDU-Mitglieder gehörten, oder auch der Verlust einstiger Hochburgen wie Baden-Württemberg. 

Kaum erfüllbare Erwartungen

Ob Merz die in ihn gesetzten Erwartungen erfüllen kann, darf indes bezweifelt werden. Denn zum Erbe der Ära Merkel gehören auch diverse strategische Dilemmata. Zum einen basierten die Mehrheiten der vergangenen 16 Jahre auf der Voraussetzung, dass gegen die CDU keine Regierung gebildet werden kann. Tatsächlich regierte die Kanzlerin bis auf die Jahre 2009 bis 2013 nicht mit dem klassischen Partner der Union, den Liberalen, sondern mit dem traditionellen Hauptkonkurrenten, den Sozialdemokraten. Dies klappte nur, weil diese sich nicht trauten, eine Regierung mit der Linkspartei zu bilden. Nun zeigt sich, dass in dem Moment, wo die SPD mit den Grünen und der FDP zusammenfindet, auch Mehrheiten ohne die Union möglich sind. Was die drei Regierungsparteien denn auch genüsslich zelebrieren. 

Das zweite Dilemma betrifft den inhaltlichen Kurs. Wenn Merz wie angekündigt auf der rechten Seite die Konkurrenz von der AfD wirklich überflüssig machen und deren konservative Wähler zurückgewinnen will, muss er die Partei entsprechend programmatisch neu aufstellen –und würde umgehend auf der linken Seite diejenigen Wähler an Grüne und SPD verlieren, die Merkel einst geholt hat. Ein einfacher Kurswechsel wird der CDU somit kaum zurück zu alter Stärke verhelfen.

Die Lösung – aus Sicht der CDU – kann also nur ein breiteres personelles Angebot an die Mitglieder und Wähler sein. So wie einst in der Gründungsphase der Union, als sie Anhänger aus den verschiedensten religiösen, ökonomischen und sozialen Schichten vereinte. Die CDU braucht somit weit mehr als einen neuen Vorsitzenden oder einen anderen Kurs.