16.04.2024

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Folge 51-21 vom 24. Dezember 2021 / Identitätspolitik / Dreister Sturm auf Straßennamen / Studie unterstellt selbst Adenauer und Goethe „Antisemitismus“ – Marx bleibt seltsamerweise unerwähnt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 51-21 vom 24. Dezember 2021

Identitätspolitik
Dreister Sturm auf Straßennamen
Studie unterstellt selbst Adenauer und Goethe „Antisemitismus“ – Marx bleibt seltsamerweise unerwähnt
Norman Hanert

Jahrelang haben in Berlin palästinensische Gruppen zum Ende des Ramadan israelfeindliche „Al-Quds-Demonstrationen“ veranstaltet. Der Bundesverband der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus (Rias) registriert in der deutschen Hauptstadt jeden Tag im Schnitt drei judenfeindliche Vorfälle. Sehr häufig geht es nach den Erkenntnissen von Rias dabei um israelbezogenen Antisemitismus. Das Vorgehen gegen den Hass auf Juden und auf Israel, der in Teilen der Berliner Immigrantenmilieus grassiert, kommt einer Herkulesaufgabe für die Politik und die deutsche Gesellschaft gleich.

Samuel Salzborn, der Antisemitismus-Beauftragte des Landes Berlin, hat nun allerdings erstaunlicherweise ein Zeichen gesetzt, das in eine völlig andere Richtung deutet. Salzborn hat ein Dossier vorgelegt, das sich nicht etwa mit dem rabiaten und gewalttätigen Antisemitismus auf den Straßen der Hauptstadt befasst, sondern mit Berliner Straßennamen, bei denen die Autoren judenfeindliche Bezüge entdeckt haben wollen.

Die „Kontaktschuld“ geht um 

Gefertigt wurde das Dossier von dem Politikwissenschaftler Felix Sassmannshausen. Dieser nimmt für sich in Anspruch, mit seiner Arbeit das „Ergebnis einer umfassenden systematischen Recherche“ vorgelegt zu haben. Die Zusammenstellung umfasst insgesamt 290 Straßen und Plätze in Berlin. Der große Umfang der Auflistung resultiert nicht zuletzt aus einem recht weitgefassten Maßstab, den der Verfasser des Dossiers zugrundegelegt hat. 

Neben diversen Kurfürsten von Brandenburg, preußischen Königen, Philosophen wie Kant und Schopenhauer sowie Schriftstellern wie Fontane und Thomas Mann listet das Papier beispielsweise auch Goethe auf. Bei ihm sieht der Studienautor einen „Beleg für eine antisemitische Gefühlswelt“. Aufgelistet ist auch der DDR-Bürgerrechtler Jürgen Fuchs. In dessen Fall lautet die Begründung, er habe mit Blick auf die SED-Diktatur und das Wirken der Stasi davon gesprochen, dass diese ein „Auschwitz in den Seelen“ zu verantworten hätten. Implizit habe Fuchs damit „die Shoah relativiert“. Ähnlich lautet die Bewertung des Dichters Wolfgang Borchert. Laut dem Dossier trug dieser „zur Relativierung der Shoah bei, indem er sie mit der Situation der Vertriebenen nach 1945 verglich und implizite Parallelen zog“.

Im Fall des preußischen Architekten Karl Friedrich Schinkel ist es die Mitgliedschaft „in der frühantisemitischen Deutschen Tischgesellschaft“, die zur Aufnahme ins Dossier führte. Auf eine „Kontaktschuld“ läuft es auch bei anderen Personen hin, wenn beispielsweise bereits der Hinweis auf Mitgliedschaft im „antisemitischen Stahlhelm, Bund der Frontsoldaten“ für die Aufnahme in die Liste reicht. 

Zum Generalmajor Georg Maercker heißt es zudem, dieser sei „in die kolonialen Verbrechen der Reichswehr verstrickt“ gewesen. Dem Studienautor ist dabei offenbar entgangen, dass die Weimarer Republik zum Zeitpunkt der Gründung der Reichswehr am 1. Januar 1921 über gar keine Kolonien verfügte.

Selbst Konrad Adenauer hat Eingang in die Liste gefunden. Über den Kanzler,  der sich bekanntermaßen besonders stark für die deutsch-israelischen Aussöhnung eingesetzt hat, heißt es in dem Dossier: „Als erster Bundeskanzler versammelte er ehemalige NS-Funktionäre in seiner Regierung um sich.“ Überdies gebe es „verschiedene Hinweise auf antisemitische Ressentiments im Denken Adenauers“.

Marx: „Jüdischer Nigger Lasalle“

Angesichts der offenbar sehr weit gefassten Kriterien verwundert es, dass ein Name in der Aufstellung problematischer Straßennamen nicht auftaucht: Karl Marx. Im Werk von Marx findet sich immerhin eine 1843 geschriebene Rezension „Zur Judenfrage“. In der Rezension zu zwei Arbeiten von Bruno Bauer hatte Marx geschrieben: „Welches ist der weltliche Grund des Judentums? Das praktische Bedürfnis, der Eigennutz. Welches ist der weltliche Kultus des Juden? Der Schacher. Welches ist sein weltlicher Gott? Das Geld.“ 

Insofern Apologeten des Marxismus auf diese Äußerungen überhaupt eingegangen sind, haben sie diese häufig als Frühwerk im Schaffen von Marx abgetan. Allerdings finden sich auch in späteren Jahren Formulierungen, die ihn nach heutigen Maßstäben als unverbesserlichen Rassisten und Antisemiten erscheinen lassen müssten, der keiner Ehrung würdig ist. 

In einem Brief von Marx an Friedrich Engels aus dem Jahr 1862 bezeichnete er etwa den Breslauer Sozialisten und Urvater der deutschen Sozialdemokratie Ferdinand Lassalle als den „jüdischen Nigger Lassalle“. Der Begründer einer Ideologie, die für sich in Anspruch nahm, auf dem Boden der Wissenschaft zu stehen, attestierte in seinem Brief an Engels, Lassalle sei ein „sonderbares Produkt“, hervorgebracht aus der „Verbindung von Judentum und Germanentum mit der negerhaften Grundsubstanz“. Erstaunlich also, dass Marx mit diesen „Referenzen“ in dem Berliner Dossier nicht erwähnt wird. 

(Siehe auch den Kommentar auf Seite 8)