26.04.2024

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Folge 51-21 vom 24. Dezember 2021 / GEDANKEN ZUM FEST / Welch eine Botschaft

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 51-21 vom 24. Dezember 2021

GEDANKEN ZUM FEST
Welch eine Botschaft
Burghard Gieseler

Von allen Göttern Griechenlands war mir Athene eigentlich immer die liebste. Denn keine andere Gottheit steht Menschen so konsequent bei und geht mit ihnen eine derart enge Verbindung ein wie sie. Für Odysseus beispielsweise ist sie gewissermaßen ein Schutzengel, der ihn auf seiner langen Heimreise stets begleitet und behütet. Und wenn ihrem Schützling einmal eine besonders gefährliche Situation bevorsteht, erscheint sie ihm in Menschengestalt und gibt ihm unerkannt wertvolle Tipps, wie er die Gefahr meistern kann.

So hilfreich die Menschwerdung der Göttin für ihren Schützling auch sein mag, sie gilt nur ihm, beruht auf Täuschung, verfolgt ein konkretes Ziel und ist deshalb zeitlich begrenzt.

Ganz anders die Menschwerdung, die wir am Heiligen Abend feiern. Sie gilt allen Menschen, sie beruht nicht auf Täuschung, sie verfolgt kein konkretes zeitlich begrenztes Ziel.

Gott nahm nicht vorübergehend Menschengestalt an, sondern wurde Mensch, ist Mensch. Wir alle haben ihn somit in uns. Welch eine Botschaft!

Weihnachten ist für uns aber auch ein schwieriges Fest. Denn mit Wehmut erinnern wir uns daran, wie Weihnachten früher, wie es in unserer Kindheit war. 

Bei uns zu Hause gab es am Heiligen Abend regelmäßig eine für uns Kinder etwas unbehagliche Situation, in der die sonst so frohe Stimmung in Traurigkeit umzuschlagen drohte. Wenn nämlich die Kerzen des Weihnachtsbaumes – eine nach der anderen – erloschen, dachte mein Vater an früher, an all die, deren Leben schon erloschen war: an seine Eltern, Geschwister, Freunde. Und er dachte an Ostpreußen.

Auch wenn ich gewiss eine frohe und unbeschwerte Kindheit hatte, so lag doch der Heimatverlust des Vaters – meine Mutter kam aus dem Westen – wie eine unsichtbare blutende Wunde auf unserem Leben. Manchmal frage ich mich, wie viele Generationen es wohl braucht, bis die Wunden verheilt sein werden, die Flucht und Vertreibung hinterlassen haben.

Es gab zwischen der Erlebnisgeneration und ihren Kindern eine verbreitete Sprachlosigkeit. Sei es, dass die Kinder nichts (mehr) von dem Heimatverlust ihrer Eltern hören mochten, sei es, dass Eltern nichts davon erzählen wollten oder konnten. So finden heute auch Menschen den Weg zu unserer ostpreußischen Gemeinschaft, die nicht viel über die Heimat ihrer Vorfahren wissen, die aber spüren, dass es da in ihrer Familiengeschichte etwas gibt – eine unsichtbare blutende Wunde, eine Entwurzelung, einen Heimatverlust. Sie sind auf der Suche nach Wurzeln und Heimat, nach sich selbst.

Liebe Leserinnen und Leser, wenn am Heiligen Abend auch Ihre Gefühle in Traurigkeit umzuschlagen drohen, denken Sie an das Kind in der Krippe, das ja so unendlich viel mehr ist als nur das rührselige Bild eines kleinen süßen Babys im Stall. Es steht für die Menschwerdung Gottes. Welch eine Botschaft!