26.04.2024

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Folge 51-21 vom 24. Dezember 2021 / Der satirische Wochenrückblick / Zeit, zu handeln / Was Angelique Coetzee fassungslos macht, und warum wir uns jetzt wirklich sputen müssen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 51-21 vom 24. Dezember 2021

Der satirische Wochenrückblick
Zeit, zu handeln
Was Angelique Coetzee fassungslos macht, und warum wir uns jetzt wirklich sputen müssen
Hans Heckel

Doktor Coetzee ist fassungslos. Doktor ... wer? Der Name von Angelique Coetzee dürfte höchstens einer Minderheit unter den Deutschen geläufig sein, was eigentlich erstaunlich ist. Oder auch nicht, aber dazu kommen wir noch.

Die Frau ist Vorsitzende des südafrikanischen Ärzteverbandes und hat in dieser Funktion die Entdeckung der Omikron-Variante weltweit bekannt gemacht. Und worüber ist sie fassungslos? In der britischen Zeitung „Daily Mail“ gibt sie Aufschluss: Nicht über Omikron, sondern über die Reaktion von Regierungen, die überall auf dem Globus Panik verbreiten. Die Maßnahmen, die ins Auge gefasst oder schon umgesetzt werden, seien völlig übertrieben und könnten „im Chaos enden“.

Die Variante sei weitaus milder als Delta, und dass sie sich viel schneller verbreitet, sei ein Chance, die unsere Politiker vermasseln könnten. Wörtlich schreibt Coetzee: „Im Kampf gegen Corona ist es, wie im Leben insgesamt, wichtig, dass man sich aussucht, welche Schlachten man schlagen will, und durch das Überreagieren auf Omikron laufen wir Gefahr, den Nutzen einer Variante zu verpassen, die vielmehr eine Freundin als eine Feindin sein könnte.“

Wie bitte? Omikron – eine „Freundin“? Laut Coetzee sind die Verläufe in ihrer Heimat fast alle äußerst milde, Todesfälle gebe es so gut wie keine und selbst die Krankenhausfälle seien – trotz Rekorden bei der Inzidenz – unter dem Eindruck von Omikron auf einen Bruchteil der Werte aus der Delta-Zeit zurückgegangen.

Was die Ärztin da beschreibt, entspricht exakt der Art, in welcher Pandemien idealerweise auf ganz natürliche Weise zu Ende gehen: Am Schluss tritt eine Variante in den Ring, die zwar viel ansteckender ist, aber im Verlauf weitaus harmloser als die Vorgänger. Die verdrängt die gefährlicheren Mutanten und macht es möglich, dass die Menschheit normal und ohne besondere Einschränkungen mit der Krankheit leben kann. So geschah es auch bei der Spanischen Grippe.

Nun verstehen Sie, warum der Name Angelique Coetzee bei uns kaum bekannt ist und die Medizinerin, die mit Omikron normalerweise in der ganzen Welt und damit auch bei uns hochprominent hätte werden müssen, ein mediales Schattendasein führt: Sie verbreitet das falsche „Narrativ“!

Der dieser Tage zum ersten Mal zusammengetretene Expertenrat der neuen Bundesregierung hat eine völlig andere Platte aufgelegt, die pure Panik verbreitet. Wegen Omikron werde die kritische Infrastruktur zusammenbrechen, heißt es im Szenario des Gremiums, das die Experten, wie bei straff geführten Kadern üblich, mit 19 von 19 Stimmen verabschiedet haben. Normalerweise entwerfen solche Stäbe mehrere Szenarien, doch der Expertenrat hat nur eines ausgeworfen, das des schlimmsten möglichen Falls – womit das, was da Szenario genannt wird, eigentlich einer Vorhersage gleichkommt.

Coetzees Quertreiberei kommt dem Panikorchester der Ampelregierung noch aus einem weiteren Grunde ungelegen. Man ist nämlich gerade dabei, das Register der Corona-Restriktionen zu einem sich selbst tragenden System auszubauen. Ein Zusammenbruch der kritischen Infrastruktur tritt ein, wenn so viele medizinische Kräfte, Polizisten, Feuerwehrleute, Wasser- oder E-Werks-Mitarbeiter, Lastwagenfahrer und so weiter nicht mehr arbeiten können, dass die von ihnen betriebenen Einrichtungen nicht mehr zuverlässig laufen können.

Die Angst vor dem „natürlichen Ende“

Jener Zusammenbruch wird nicht dem weitestgehend milden bis symptomlosen Omikron-Folgen geschuldet sein, sondern Ergebnis der laut Coetzee völlig übertriebenen Quarantäne-Maßnahmen der Regierung. Ein perfekter Kreislauf: Die Warnungen erzwingen die Maßnahmen, welche wiederum die Probleme selbst erschaffen, vor denen gewarnt wurde. Ein hochgefährliches Virus ist da gar nicht mehr nötig. Es reicht völlig aus, dass wir uns dafür eines einbilden.

Der größte Schrecken von Omikron liegt in der Prognose, dass uns diese Variante das „natürliche Ende“ der Pandemie einbrocken könnte. „Natürliches Ende“ klingt ja ganz nett, aber überlegen Sie mal, welche Sprengkraft in dieser Formulierung steckt! Dafür sollten wir kurz zurückblättern. Auf 2020 bezogen hatten Wissenschaftler der berühmten britischen Universität von Oxford untersucht, welche Auswirkungen die sehr unterschiedlichen Pandemie-Maßnahmen von rund einem Dutzend Staaten – von Knallhart-Lockdown bis fast gar keine Einschränkungen – auf das Infektionsgeschehen hatten. Wir berichteten schon darüber. Die Briten fanden keinerlei solcher Auswirkungen.

Wenn aber die Wirkung der Maßnahmen nicht erwiesen werden konnte und dann die Pandemie zu allem Überfluss auf natürliche Art verschwindet (heißt: „endemisch“ wird), könnte das die Frage aufwerfen, was diese Maßnahmen überhaupt gebracht haben. Eine entsetzliche Vorstellung! Da muss gehandelt werden, bevor es zu spät ist. Während Coetzee empfiehlt, die neue Variante weitgehend durchlaufen zu lassen, damit die Leute per Omikron-Infektion gegen weitere, möglicherweise wieder gefährlichere Mutanten immunisiert werden, brennt RKI-Wieler auf „maximale Kontaktbeschränkungen“. Warum? Wir haben einen Verdacht: Die Maßnahmen müssen verschärft werden, damit sie es waren, die das Ende der Pandemie erzwungen haben, wenn es denn kommt, und nicht etwa die „Natur“. 

Um uns Omikron vom Hals zu halten, dürfte es allerdings schon zu spät sein. In Hamburg, dem Bundesland mit der bislang höchsten Omikron-Verbreitung, hatte die Variante Anfang der Woche laut einem Experten bereits mindestens 30 Prozent der Neuinfektionen ausgemacht, wahrscheinlich sogar eher 40 bis 50 Prozent. Bei einer Verdoppelung alle drei Tage müsste die neue Mutante in der Hansestadt bis zum Jahresende klar dominieren. Erwartungsgemäß schießt die Sieben-Tage-Inzidenz an der Alster in nie gekannte Höhen, derweil die Zahl der Corona-Intensiv-Patienten seit dem Höhepunkt der vierten Welle von 67 auf 56 (Stand Dienstag) zurückgegangen ist.

Wenn Coetzee recht behält, könnte dies bereits das Ende der Pandemie einläuten, auch wenn das natürlich noch niemand wissen kann. Dennoch gilt es zu retten, was zu retten ist. Italiens Botschafter ist schon eifrig dabei. Er bezeichnet den astronomischen Corona-„Wiederaufbaufonds“ der EU als „Gamechanger“ hin zu einer dauerhaften Umverteilung der Staatsschulden in der gesamten Union. Olaf Scholz findet das ebenfalls toll, und wir freuen uns bereits riesig auf die Übernahme der Defizite unserer lieben Freunde vom Mittelmeer. Auch lassen sich einige Restriktionen vielleicht als „Klima-Restriktionen“ in die Zeit nach Corona hinüberretten, ebenso einige „Modifizierungen“ des Demonstrationsrechts. Ach, da fällt uns sicherlich noch eine Menge ein. Umsonst waren die Maßnahmen also auf keinen Fall.