24.04.2024

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Folge 52-21 vom 31. Dezember 2021 / Gedanken zur Jahreswende / Staatsversagen, ein Regierungswechsel und unüberwindbar scheinende Gräben / Das zu Ende gehende Jahr 2021 brachte unserem Land gleich mehrere Ereignisse und Entwicklungen, die auch seine mittlere und längerfristige Zukunft beeinflussen werden

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 52-21 vom 31. Dezember 2021

Gedanken zur Jahreswende
Staatsversagen, ein Regierungswechsel und unüberwindbar scheinende Gräben
Das zu Ende gehende Jahr 2021 brachte unserem Land gleich mehrere Ereignisse und Entwicklungen, die auch seine mittlere und längerfristige Zukunft beeinflussen werden
René Nehring

Seit alters her schauen die Menschen zur Jahreswende zurück auf die vergangenen zwölf Monate und blicken auf dieser Grundlage voraus, was im neuen Jahr auf sie zukommen könnte. Das nun zu Ende gehende Jahr 2021 brachte unserem Land gleich mehrere Ereignisse und Erkenntnisse, die unsere mittlere und längerfristige Zukunft beeinflussen werden. 

Im Juli offenbarte eine Hochwasserflut im Westen – vor allem an der Ahr – ein eklatantes Staatsversagen. Die Flut offenbarte gravierende Mängel im Katastrophenschutz, sie offenbarte die Unfähigkeit bei Entscheidern des politischen Lebens, im Krisenfall Führung zu zeigen, und sie offenbarte die Unfähigkeit des den Deutschen lieb und teuren öffentlich-rechtlichen Rundfunks, grundlegende Aufgaben zu erfüllen. Mindestens 184 Menschen kostete dieses multiple Versagen das Leben. Wohlgemerkt nicht in Lateinamerika oder in Afrika oder auf dem indischen Subkontinent, sondern in Deutschland. 

Ende einer Ära

Anders als die Flut selbst ist das Versagen wichtiger Institutionen kein Naturereignis, sondern das Ergebnis eines menschengemachten Prozesses. Nun rächt sich, dass immer öfter Führungspositionen und selbst Stellen im Mittelbau der Apparate nicht mehr nach Qualifikation, sondern nach der richtigen politischen Einstellung sowie nach äußeren Merkmalen wie Geschlecht oder Abstammung vergeben werden. In der Konsequenz sitzen nun vielfach Leute in der Verantwortung, die im Ernstfall nicht über die erforderlichen Fähigkeiten zur Leitung eines Ministeriums, einer Fachbehörde oder des Katastrophenschutzes verfügen. 

Ein großer Einschnitt ist auch der Regierungswechsel im Herbst. Unabhängig davon, wie man zu Kanzlerin Merkel steht, bedeutet ihr Abgang nach 16 Jahren das Ende einer Ära. Die neue Regierung wird von einem auf Bundesebene bislang nicht gekannten Parteienbündnis getragen, dessen Mitglieder bei vielen „harten“ Themen weit auseinanderliegen, bei den sogenannten weichen wie Gender, Zuwanderung oder Familie jedoch nicht. Was vermuten lässt, dass sich die Koalitionäre gerade hier schnell einigen dürften. 

Bei „harten Themen“ wie Außenpolitik, Energiewende und Landwirtschaft zeigen sich die Grünen, die hier jeweils die Ressortverantwortung tragen, nach 16 Jahren Regierungsabstinenz überaus ambitioniert (siehe auch die Seite 2). SPD und FDP hingegen geben sich bislang verhalten, wobei die Liberalen hauptsächlich damit ringen, wie sie ihre Wahlversprechen „keine Steuererhöhungen“ und „keine Impfpflicht“ einhalten können, beziehungsweise wie es für den Fall, dass diese doch kommen, es nicht nach einem Bruch der Wahlversprechen aussieht. 

Die dritte grundlegende Veränderung des Jahres sind die immer größer werdenden Gräben in unserer Gesellschaft. Zwei Jahre nach Ausbruch der Corona-Pandemie und ein Jahr nach dem Start der Impfungen ist das Land zutiefst gespalten. Während der Staat und die meisten Bürger darauf setzen, durch möglichst viele Impfungen die Pandemie endlich in den Griff zu bekommen, lehnt eine große Minderheit eine „Zwangsimmunisierung“ als unzulässigen Eingriff in die Unverletzlichkeit ihres Körpers ab. 

Eine tiefe gesellschaftliche Spaltung 

Besorgniserregend ist dabei die Zunahme der Gewaltbereitschaft. So werden vielerorts Polizisten mit Fäusten oder Reizgas attackiert und Politiker in Bund und Ländern durch Demonstrationen vor ihren privaten Wohnsitzen eingeschüchtert. Dass Gewalt – auch nur verbale – niemals ein legitimes Mittel der politischen Auseinandersetzung ist, scheint nicht mehr selbstverständlich zu sein. 

Allerdings haben auch staatliche Institutionen und Repräsentanten im Laufe der Corona-Pandemie selten überzeugt. Allzu oft wurde zu spät oder halbherzig gehandelt. Und obwohl bis heute keine gesicherten Daten über die Verläufe des Pandemiegeschehens vorliegen, setzt der Staat immer wieder auf pauschale Lösungen: im vergangenen Jahr die Schließung von Bundesländergrenzen, von Schulen oder von Restaurants, in diesem Jahr der weitgehende Ausschluss aller Ungeimpften vom öffentlichen Leben. Und dies, obwohl Länder wie Bayern oder Hamburg gerade erst zugeben mussten, den Impfstatus der Patienten auf den Intensivstationen bislang gar nicht erfasst zu haben. 

Geradezu plump sind die Versuche, Kritiker der Corona-Politik pauschal in die „rechte Ecke“ stellen zu wollen. Dabei geht die Zahl der Demonstranten längst in die Hunderttausende, die Zahl der Ungeimpften sogar in die Millionen. Dies sollte klugen Staatslenkern zeigen, dass die Skeptiker nicht alles nur „Rechte“ sein können – und dass ihre Zahl längst so groß ist, dass man sie weder zur Impfung zwingen noch sie dauerhaft aus dem öffentlichen Leben ausschließen kann. 

Gute Aussichten für 2022 sind all das nicht. Ein Hoffnungsschimmer war kurz vor Weihnachten die Aussage von Olaf Scholz, dass er auch „Kanzler der Ungeimpften“ sei. Wie wahr. Die Möglichkeiten der Bürger, auf die Geschicke des Landes Einfluss zu nehmen, sind begrenzt. Und doch kann jeder bei sich selbst anfangen. Wenn jeder Geimpfte in seinem Umfeld die Argumente der Ungeimpften wenigstens anhören würde und umgekehrt, wären die Gräben in unserer Gesellschaft weit weniger tief als derzeit. Das wäre doch ein guter Anfang für das neue Jahr.