20.04.2024

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Folge 52-21 vom 31. Dezember 2021 / Grundsätze In den Verhandlungen zur Bildung der Ampelkoalition spielte ein Themenkomplex eine auffallend geringe Rolle: die Außen- und Sicherheitspolitik. Dafür bestimmte diese gleich die ersten Tage der neuen Regierung / Die erste große Richtungsfrage / Während Kanzler Scholz die bundesrepublikanische Außenpolitik weiterhin zur Wahrnehmung deutscher Interessen einsetzen will, schwebt seiner Außenministerin eine „Weltinnenpolitik“ vor – die Deutschland in zahlreiche neue Konflikte ziehen könnte

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 52-21 vom 31. Dezember 2021

Grundsätze In den Verhandlungen zur Bildung der Ampelkoalition spielte ein Themenkomplex eine auffallend geringe Rolle: die Außen- und Sicherheitspolitik. Dafür bestimmte diese gleich die ersten Tage der neuen Regierung
Die erste große Richtungsfrage
Während Kanzler Scholz die bundesrepublikanische Außenpolitik weiterhin zur Wahrnehmung deutscher Interessen einsetzen will, schwebt seiner Außenministerin eine „Weltinnenpolitik“ vor – die Deutschland in zahlreiche neue Konflikte ziehen könnte
Richard Drexl

Als Olaf Scholz kurz vor Weihnachten seine erste Regierungserklärung als neuer Bundeskanzler vortrug, spielte ein Themenkomplex lediglich eine Nebenrolle: die Außen- und Sicherheitspolitik. Obwohl diese für die größte Nation in der Europäischen Union und die Zentralmacht in der Mitte des Kontinents von elementarer Bedeutung ist, mussten sich die Interessenten für dieses Politikfeld lange gedulden. Die Ampel-Prioritäten liegen – im Koalitionsvertrag so angelegt – ganz woanders: mehr soziale Wohltaten, Förderung von Migration und Zuwanderung, von Klimapolitik und Digitalisierung, Kampf gegen Rechtsextremismus und Förderung von Demokratie nach links-grünem Verständnis. Für Konservative eine phasenweise schwer verdauliche Kost. 

Erst am Ende der Regierungserklärung kamen Außen- und Sicherheitspolitik mit einem Bekenntnis zur Vertiefung der Zusammenarbeit im Rahmen der EU zur Sprache. Scholz zufolge sollen Abstimmungen im Europäischen Rat mit qualifizierter Mehrheit einen „Gewinn an Souveränität“ bedeuten. Der neue Kanzler beweist dabei ein hohes Maß an Dialektik, wäre doch das Gegenteil anzunehmen: Abstimmungsergebnisse der europäischen Regierungschefs entgegen deutschen Interessen reduzieren die Durchsetzbarkeit der nationalen Politik und damit die eigene Souveränität.

Bekenntnisse zu NATO und EU  

Bekenntnissen zur deutsch-französischen und deutsch-amerikanischen Freundschaft wie zur NATO folgte die Sorge um die Sicherheitslage an der russisch-ukrainischen Grenze. Die EU darf sich demnach nicht spalten lassen, auch nicht von China mit dessen rasantem Aufstieg zur Technologie- und Militärmacht. Das war es denn auch schon, die Worte „Bundeswehr“ und „Streitkräfte“ kamen nicht vor, lediglich von den „eigenen Soldaten“ war am Rande die Rede. Irritierend blieb die Scholz-Einstufung „Europa ist eine wehrhafte Demokratie“ ohne weitere Erklärung im Raum stehen: Weder Europa noch die Europäische Union sind bekanntlich Demokratien im eigentlichen Sinne. Geradezu überheblich klang der Satz: „Wir können eine gerechtere Globalisierung durchsetzen.“ Derartiges hätte der geneigte Beobachter eher der neuen Außenministerin zugetraut.

Apropos Annalena Baerbock. Öffentlich in Erscheinung getreten ist sie bisher mit ihren Antrittsreisen nach Paris, Brüssel und Warschau. Wie für den Kanzler auch waren dies die ersten Pflichttermine im Ausland. „Unerschrockenheit, Intuition und Glück“ wurde Baerbock immerhin von der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ attestiert. Ganz anders die „NZZ“ nach der Verkündigung ihrer außenpolitischen Grundsätze in der „taz“. Baerbock wird zitiert mit: „Ich verstehe Außenpolitik als Weltinnenpolitik.“ Nimmt man dieses Bekenntnis wörtlich, würde sich die Bundesrepublik künftig etwa in die innenpolitischen Auseinandersetzungen der US-Demokraten mit den Republikanern genauso einmischen wie in die Nationalitätenpolitik Chinas. Die Endstufe innerstaatlicher Konflikte stellt aber die Gewalt dar, das Wegsperren der Uiguren ist eine gewaltsame Form innerchinesischer Auseinandersetzung.

Abkehr von bewährten Prinzipien

Das außenpolitische Rational Deutschlands war jedoch bisher die Zusammenarbeit über jeden ideologischen Graben hinweg, solange gegenseitig das Existenzrecht respektiert wurde. Das galt selbst im tiefsten Kalten Krieg der Sowjetunion gegenüber. Wozu eine Abkehr von diesem Grundsatz führen kann, verdeutlicht das Extrembeispiel des gewaltsamen Sturzes von Saddam Hussein. Die Bush-Regierung wollte den Irak nach US-Beispiel zur Musterdemokratie bekehren. Gewalt mit verheerenden Konsequenzen folgte dem überheblichen Weltbild auf dem Fuße.

Gewiss ist die politische Ausgangslage der unilateralen Weltmacht USA mit derjenigen Deutschlands nicht vergleichbar, es liegen in mehrfacher Hinsicht Welten dazwischen. Mit dem Beispiel ist jedoch zu verdeutlichen, wohin im Extremfall die Baerbocksche Politikmaxime führen könnte, die da lautet: „Eine wertegeleitete Außenpolitik (sei) immer ein Zusammenspiel von Dialog und Härte“. Dahinter ist die unverhohlene Absicht zu erkennen, sich in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten einzumischen. Selbstverständlich im Interesse einer „guten Sache“, nämlich der Menschenrechte wie dem Schutz unterdrückter Minderheiten, namentlich auch der Frauenrechte. Sollten die Chinesen aber nicht wie gewünscht klein beigeben, was dann? Müsste dem Boykott von Waren aus der Provinz Xinjiang dann nicht ein genereller Handelsboykott folgen?

Baerbock propagiert den Weg in eine hochgradig gefährliche Außenpolitik, den Bundeskanzler Scholz nicht gehen wird. Er ist für einen bedächtig abwägenden Politikstil bekannt. Der forschen und unbedarften neuen Außenministerin stehen bei konsequenter Verfolgung ihrer politischen Leitlinien schwierige Zeiten bevor. Es wird sich zeigen, mit welchen Maßnahmen Baerbock zum Beispiel im sich zuspitzenden Ukraine-Konflikt dem russischen Präsidenten Putin entgegentreten will. Wer die Lippen spitzt, muss bekanntlich auch pfeifen, sonst ist auch der restliche Ruf rasch dahin.

Ideologie vor Interessen 

Wer neue Grundsätze proklamiert, sollte auch die bis dahin geltenden samt Vor- und Nachteilen kennen. Für Deutschland gab es in der Vergangenheit stets zwei Maximen, nämlich die Sicherung des Friedens und die Wahrung der wirtschaftlichen Interessen. Genau das hat unser Land stark gemacht, die wirtschaftliche Prosperität hat eben auch zu Deutschlands Stellung in der Welt beigetragen und unserer Stimme Gewicht verliehen. Gefragt ist ein nüchterner Realismus statt ideologischer Verhärtungen, um den Unwägbarkeiten einer unruhigen Welt in Abstimmung mit den Partnern adäquat begegnen zu können. 

Baerbock sollte dies im eigenen Interesse rasch lernen, wenn nicht künftig die relevanten außenpolitischen Entscheidungen im Bundeskanzleramt fallen sollen.