29.03.2024

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Folge 52-21 vom 31. Dezember 2021 / Kein Aufbruch nirgends / Zum vierten Mal stellt die SPD nun den Bundeskanzler. Doch anstelle eines zauberhaften Neuanfangs präsentieren die Genossen ein wenig überzeugendes Personal und Inhalte aus alten ideologischen Mottenkisten. Für 2022 verheißt dies wenig Gutes

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 52-21 vom 31. Dezember 2021

Kein Aufbruch nirgends
Zum vierten Mal stellt die SPD nun den Bundeskanzler. Doch anstelle eines zauberhaften Neuanfangs präsentieren die Genossen ein wenig überzeugendes Personal und Inhalte aus alten ideologischen Mottenkisten. Für 2022 verheißt dies wenig Gutes
Holger Fuss

Schon vor dreieinhalb Jahrzehnten galten die Sozialdemokraten als so gut wie erledigt. 1987 veröffentlichte der große liberale Soziologe Ralf Dahrendorf in der Monatszeitschrift „Merkur“ einen vielbeachteten Essay mit dem Titel „Das Elend der Sozialdemokratie“. Bereits in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts, so Dahrendorf, hätten die Sozialdemokraten ihre beste Zeit hinter sich gehabt. Nicht nur, dass die SPD 1972 mit 45,8 Prozent ein Bundestagswahlergebnis erzielte wie vorher und nachher nie wieder. Zuvor, sagt Dahrendorf, seien Sozialdemokraten ein Jahrhundert lang die politisch treibenden Kräfte gewesen, sie hätten Totalitarismen getrotzt und gesellschaftliche Entwicklungen vorangebracht.

„Bis sie am Ende“, so Dahrendorf, „zur natürlichen Regierungspartei wurden und prompt ihre Kraft verloren.“ Ihre historische Mission war erfüllt, der Kapitalismus gezähmt, der Wohlfahrtsstaat eingerichtet und den Unterschichten durch Bildung sozialer Aufstieg ermöglicht. „Ein sozialdemokratischer Konsensus“ wurde „zur Haltung der Mehrheit“, selbst bürgerliche Parteien konnten sich einer „Sozialdemokratisierung“ nicht entziehen. Wie hellsichtig Dahrendorfs Analyse damals war, haben wir in den vergangenen 16 Jahren unter einer Kanzlerin Merkel erlebt – eine Christdemokratin, wie sie sich sozialdemokratischer kaum denken ließe. 

Unverhofft ins Kanzleramt gewichtelt

Nach einer bleiernen Zeit überwiegend Großer Koalitionen zwischen Union und SPD wurde uns nun in der Adventszeit eine neue Regierung beschert, eine rot-gelb-grüne Ampelkoalition, angeführt von einer SPD, die ihr Zweitstimmenergebnis von 25,7 Prozent zum Signal für neuen Aufbruch deklariert. Ein pfiffiger Kolumnist des „Focus“ hat überschlagen, dass in Deutschland zwölf Millionen Erwachsene ungeimpft sind und ebenso viele die SPD mit ihrem Spitzenkandidaten Olaf Scholz gewählt haben. Während die Ungeimpften als tyrannische Minderheit beschimpft werden, die eine geimpfte Mehrheit in Schach hält, reicht dieselbe Zahl von SPD-Wählern aus, um eine Kanzlerschaft von Scholz zu rechtfertigen.

Die deutsche Sozialdemokratie ist in ihre Post-Volkspartei-Ära eingetreten und zur Minderheiten-Veranstaltung verkommen. Ein Olaf Scholz hat kaum Rückhalt in der Bevölkerung und hat sich mit Hilfe einer Notgemeinschaft aus Grünen und FDP ins Kanzleramt gewichtelt. Selbst der neue Co-Parteichef Lars Klingbeil staunt, wie es möglich war, eine lange Zeit stabil bei 15 Prozent liegende Partei im Wahlkampfendspurt um zehn Punkte emporzukatapultieren. Dass dies dem SPD-Kanzlerkandidaten keineswegs aus eigener Kraft gelang, sondern er vielmehr seinen Erfolg der Schwäche seiner Konkurrenten Annalena Baerbock und Armin Laschet zu verdanken hat, wird von der Parteiführung betreten wie ein schmutziges Familiengeheimnis beschwiegen.

Wenig überzeugendes Spitzenpersonal

Und selbst nach der Regierungsbildung steht die SPD durchaus nicht als Siegerpartei da. Die Zusammenstellung des Kabinetts verbreitet nicht zuletzt wegen der SPD-Minister eine Aura bestürzender Mittelmäßigkeit. Die am ehesten ministrablen Persönlichkeiten haben zweifellos die Liberalen aufgestellt, allen voran Parteichef Christian Lindner als Finanzminister, den der Philosoph Peter Sloterdijk „das größte politische Talent“ nennt, „das Deutschland seit einem halben Jahrhundert hervorgebracht hat“.

Bei den Grünen ragt mit gutem Willen allenfalls Robert Habeck hervor, der jedoch erst noch beweisen muss, was er als Wirtschaftsminister taugt, sowie Cem Özdemir, der als Außenpolitiker im Landwirtschaftsministerium improvisieren muss, weil seine Parteichefin Baerbock ins Außenamt drängte und ihrer Partei damit ein bleibendes Trauma bereitet.

Die Personalie Lauterbach 

Auch die sozialdemokratischen Bundesminister zeigen vor allem, dass ihre Partei seit Langem an personeller Auszehrung leidet. Politische Begabungen, geschweige denn beeindruckende Persönlichkeiten sind nicht in Sicht. Fast scheint es, als habe Scholz darauf geachtet, dass keiner seiner Minister die Blässe des Kanzlers charismatisch überstrahlt. So ging das Gesundheitsressort zwar erwartungsgemäß an den Talkshow-Hyperventilierer Karl Lauterbach, doch der zeigte sich schon nach wenigen Tagen im Amt überfordert und sackte während einer Bundespressekonferenz vor TV-Kameras in einen Sekundenschlaf. Lästermäuler in Berlin behaupten, Lauterbach müsse zum ersten Mal richtig arbeiten und sei deshalb chronisch erschöpft.

Mit Lauterbach werden wir auf rheinische Art durch die Corona-Krise moderiert, immer stimmungsvoll mit augenzwinkernder Hinterlist. Die ersten Tage haben dies gezeigt: Mit einem Sperrfeuer an Schlagzeilen hält der Arbeitersohn aus Düren den Aufmerksamkeitspegel aufrecht. Da entdeckt er an einem Tag bei der Inventur zu wenig Impfstoff für das erste Quartal des neuen Jahres und verkündet anderntags triumphal, dass Moderna 35 Millionen Dosen vorzeitig liefern werde. Einmal gibt er sich sicher, dass die Pandemie „in den nächsten Monaten“ beendet sein kann, dann ist er wiederum gewiss, dass zum Jahreswechsel die fünfte, die Omikron-Welle, bevorsteht.

Es ist eine Kommunikation von Angstmache und Beschwichtigung im täglichen Wiegeschritt. Bestens geeignet, um eine Bevölkerung weiter zu verunsichern und zu zermürben, vor allem aber um zu verschleiern, dass die Probleme unseres Gesundheitssystems seit Langem existieren und von der Corona-Krise nur offengelegt wurden.

Seit 2003 unter dem sozialdemokratischen Kanzler Gerhard Schröder, auch unter Mitwirkung des SPD-Gesundheitsexperten Lauterbach, das Fallpauschalengesetz eingeführt wurde, wonach Krankenhäuser auf leistungsorientierte Entgeltsysteme umgestellt wurden, wurde das System der Krankenversorgung kaputtgespart. Chronischer Personalmangel, lange Wartezeiten für Patienten und Schließung unrentabler Krankenhäuser waren die Folge. Noch 2019 twitterte Lauterbach: „Jeder weiß, dass wir in Deutschland mindestens jede dritte, eigentlich jede zweite Klinik schließen sollten.“ Andere Häuser hätten dann „genug Personal, geringere Kosten, bessere Qualität, und nicht so viel Überflüssiges“.

Dilettanten in Schlüsselpositionen 

Ähnlich bizarr geht es im Verteidigungsministerium zu, das seit 2013 verlässlich in Frauenhand ist. Allerdings ist dafür die Bundeswehr nur noch bedingt einsatzfähig. Feministische Verteidigungspolitik sozusagen. Nun führt also die Sozialdemokratin Christine Lambrecht das Armee-Kommando, eine Rechtsanwältin aus Südhessen, die mit internationaler Sicherheitspolitik wenig Erfahrungen hat, jedoch zuvor als Justizministerin das Netzwerkdurchsetzungsgesetz verschärft und ein Paketboten-Schutz-Gesetz auf den Weg gebracht hat.

Entsprechend praxisnah ist auch ihre Drohgebärde gegenüber dem russischen Präsidenten Putin, der an der ukrainischen Grenze die Muskeln spielen lässt. Weil Lambrecht weiß, was autoritäre Herrscher einschüchtert, kündigte sie in der „Bild am Sonntag“ an: „Aktuell müssen wir Putin und sein Umfeld ins Visier nehmen.“ Die „für die Aggression Verantwortlichen“ müssten nämlich „persönliche Konsequenzen“ spüren, „zum Beispiel, dass sie nicht mehr zum Shoppen auf die Pariser Champs Élysées reisen können“. Frieden stiften durch Visumsentzug – so pragmatisch kann weibliche Politik sein.

Auch die neue Bundesinnenministerin, die hessische SPD-Chefin und ebenfalls Rechtsanwältin Nancy Faeser, hat ihr politisches Revier sofort prägnant markiert. Am Tage ihrer Minister-Präsentation im Willy- Brandt-Haus nannte sie als ihr „besonderes Anliegen“ die Bekämpfung des „Rechtsextremismus“ als „die größte Bedrohung, die unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung hat“. Später twitterte sie ihren Heimat-Begriff: „Heimat umfasst alle Menschen, egal wo sie herkommen.“ Auf demselben Kanal kam dann die Ansage: „Wer im Netz Hass und Hetze verbreitet, bekommt es mit der Polizei zu tun.“ Dabei hat sie die Begriffe ausreichend unscharf gewählt, damit die Aussage immer irgendwie stimmt.

Klar ist, dass Hass und Hetze nur in eine Richtung geahndet wird, denn mit Sicherheit wird der grüne Stadtrat in Leipzig Jürgen Kasek, gleichfalls Rechtsanwalt, nichts zu befürchten haben, nachdem er am zweiten Weihnachtstag zum Corona-Tod des Rastatter AfD-Fraktionschefs twitterte: „Corona hat mehr gegen Nazis getan als die Sicherheitsbehörden.“ Den Tweet nannte er anschließend „missverständlich und deswegen gelöscht. Sache richtiggestellt.“

Gut möglich, dass die Sprache und die Haltung der grünen Menschenverächter dem Gemeinwesen am meisten schaden, weil sie bis weit ins linksliberale bürgerliche Lager gesellschaftsfähig sind. Oder aber zumindest nicht auf Widerspruch stoßen, weil jeder, der dies tut, sich dem Verdacht aussetzt, ein „Rechter“ zu sein. Und damit zu jenen gehören würde, die unsere Bundesinnenministerin als Bedrohung unserer demokratischen Ordnung ausgemacht hat.

„Weiter so“ statt echtem Aufbruch

Kurzum: Von einem neuen Aufbruch kann bei der Ampelregierung schwerlich die Rede sein. Es ist ein „Weiter so“ der SPD mit neuen Partnern. Das Meinungsklima wird weiter an Freizügigkeit verlieren. Regierungskritische Medien wie die „Achse des Guten“ wurden bei YouTube gesperrt, die Online-Plattform „Reitschuster“ von der Bundespressekonferenz ausgeschlossen. Man muss nicht die Meinung dieser Kollegen teilen, um über solche Einschränkungen empört zu sein. Dass sich Springer-Chef Mathias Döpfner im Herbst öffentlich entschuldigen musste, weil er in einer privaten WhatsApp-Nachricht über „den neuen DDR-Obrigkeitsstaat“ witzelte, macht die Bigotterie in unserer Gesellschaft sichtbar, die uns 2022 noch verschärfter begegnen wird.

Es ist eine Kultur der „Wokeness“, von dem Philosophen Norbert Bolz als „die Wutkultur der Frigiden und Impotenten“ bezeichnet, die auf dem Erbschein der Merkel-Ära beurkundet, von den Ampel-Parteien im Koalitionsvertrag mit neuem Leben erfüllt wurde und nun ihren Durchmarsch fortsetzen kann. Sollte dies ungehindert gelingen, wird das ganze Land bald aussehen wie heute schon die SPD: bleich, lendenlahm und von großen Erinnerungen zehrend. Um es bildhafter auszudrücken: Deutschland wird zu einem bundesweiten Bremen.






Holger Fuß ist Publizist und schreibt für zahlreiche Zeitungen und Zeitschriften über Politik, Wissenschaft und Kultur. 2019 erschien von ihm „Vielleicht will die SPD gar nicht, dass es sie gibt. Über das Ende einer Volkspartei“ (FinanzBuch Verlag). 

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