25.04.2024

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Folge 52-21 vom 31. Dezember 2021 / Berlin / Rot-Rot-Grün wollen ein Jahr Burgfrieden halten / Unterschiedliche Positionen beim Thema Enteignung könnten zum Bruch der Koalition führen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 52-21 vom 31. Dezember 2021

Berlin
Rot-Rot-Grün wollen ein Jahr Burgfrieden halten
Unterschiedliche Positionen beim Thema Enteignung könnten zum Bruch der Koalition führen
Hermann Müller

Noch kurz vor Weihnachten ist im Berliner Abgeordnetenhaus die frühere Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) zur neuen Regierenden Bürgermeisterin gewählt worden. Zugleich nahm auch die Neuauflage des Regierungsbündnisses aus SPD, Grünen und Linkspartei die Arbeit auf.

Anlässlich der Unterzeichnung des Koalitionsvertrags hatte die neue Verkehrssenatorin Bettina Jarasch von den Grünen den Neustart des Dreierbündnisses angekündigt: „Heute beginnt RGR Staffel 2.“ Die Opposition bescheinigt der neuen rot-grün-roten Landesregierung einen „überaus wackeligen Koalitionsfrieden“. Der Berliner FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja will mit Blick auf den Volksentscheid zu Enteignungen von Wohnungskonzernen bei Rot-Grün-Rot sogar eine „Sollbruchstelle“ festgestellt haben.

Am 26. September hatten sich fast 60 Prozent der Berliner Wähler bei einer Abstimmung für die Initiative „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ ausgesprochen. Die Frage, wie mit diesem Abstimmungsergebnis umgegangen wird, schwebt auch nach Abschluss der Koalitionsverhandlungen als ungelöster Konflikt über dem Dreierbündnis von SPD, Grünen und Linkspartei weiter. 

SPD setzt auf Wohnungsneubau

Giffey hatte im Wahlkampf klar gegen Enteignungen von Wohnungsunternehmen Position bezogen. Stattdessen setzt die SPD auf ein Bündnis mit privaten Wohnungsbauunternehmen, das zu mehr Neubau von Wohnungen führen soll. Die Linkspartei hat im Wahlkampf dagegen offensiv für die Enteignungsinitiative getrommelt. Teile des Linke-Landesvorstands sind zudem eng mit der Initiative verwoben. 

Im Koalitionsvertrag haben SPD und Linke diesen Konflikt nicht gelöst, sondern eine Entscheidung vertagt. Vereinbart haben die drei Koalitionsparteien, zunächst eine Expertenkommission einzusetzen. Diese soll innerhalb eines Jahres Möglichkeiten zur Umsetzung des Volksentscheids prüfen. Anfang des Jahres 2023 soll die Expertenkommission schließlich für den Senat eine Empfehlung zum weiteren Vorgehen erarbeiten. Sollte diese lauten, dass die Enteignung von Wohnungsunternehmen rechtlich nicht zulässig ist, besteht durchaus die Möglichkeit, dass die Linkspartei die Koalition nach nur einem Jahr platzen lässt. Schon die Mitgliederbefragung zum Koalitionsvertrag hat ein beträchtliches Widerstandspotential gegen ein Bündnis mit SPD und Grünen zutage gefördert. Auch Parteichefin Katina Schubert hatte für den Koalitionsvertrag mit dem Argument geworben, die Linke könnte notfalls wieder aus dem Dreierbündnis aussteigen, „wenn uns die Partner versuchen, über den Leisten zu ziehen“. 

Auch die personelle Zusammensetzung des neuen Berliner Senats kann als kritisches Signal gesehen werden. Von den zehn Senatsmitgliedern aus der vergangenen rot-rot-grünen Landesregierung sind im neuen Senat nur noch zwei mit von der Partei. Wohlwollende Beobachter können die vielen neuen Gesichter auf der Regierungsbank optimistisch als ein Zeichen für einen Neuanfang interpretieren. Allerdings können sich auch Skeptiker im Verdacht bestätigt fühlen, dass die Probleme der Millionenstadt so groß sind, dass ein Großteil der bisherigen Senatsmitglieder lieber das Weite sucht.