19.04.2024

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Folge 52-21 vom 31. Dezember 2021 / Fernsehen / Das doppelte Tanz-Lottchen / Ein Stück Ost-West-Konflikt im deutschen Fernsehen – Das ZDF zeigt im neuen Jahr eine Serie über den Berliner Friedrichstadt-Palast

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 52-21 vom 31. Dezember 2021

Fernsehen
Das doppelte Tanz-Lottchen
Ein Stück Ost-West-Konflikt im deutschen Fernsehen – Das ZDF zeigt im neuen Jahr eine Serie über den Berliner Friedrichstadt-Palast
Anne Martin

Da sitzt die Besucherin aus dem Westen im Parkett des Ost-Berliner Friedrichstadt-Palastes und starrt gebannt auf eine Tänzerin in der ersten Reihe, die ihr bis aufs Haar gleicht. Kein Wunder, wie sich wenig später herausstellen wird: Christine ist ihre Zwillingsschwester. Sie selbst, Marlene, wurde unmittelbar nach der Geburt und kurz vor dem Mauerbau von ihrem Vater in den Westen entführt und wusste nichts von Schwester und gemeinsamer leiblicher Mutter in Ost-Berlin. 

Das soll sich ändern. Die Schwestern, die in gegensätzlichen Welten aufwuchsen und sich nun kurz vor dem Fall der Mauer wiederfinden, wechseln aus einer Laune heraus vorübergehend die Identitäten und tauchen ins Leben der anderen ein. Was dabei geschieht, zeigt das ZDF am 3., 4. und 5. Januar um 20.15 Uhr in drei Folgen von „Der Palast“. Und am 3. Januar läuft ab 19.25 Uhr eine Dokumentation über den Friedrichstadt-Palast.

Nach dem Tausch der Pässe fährt Tänzerin Chris mit der Bahn in den Westen und findet sich plötzlich im Kreis einer Unternehmerdynastie wieder. Marlene wiederum reist an das Krankenbett ihrer Mutter. Was wie ein märchenhafter Plot frei nach Erich Kästners „Doppeltem Lottchen“ beginnt, entwickelt sich zu einem spannenden Verwirrspiel, denn die vertauschten Schwestern bringen das Leben der jeweils anderen gehörig durcheinander. Was das teilweise etwas konstruiert wirkende Drehbuch zum Leuchten bringt, sind die Leistungen der Schauspieler: Heino Ferch gibt den verknöcherten und von Schuldgefühlen geplagten Vater, der sich wegen des Kinderraubs einen Gefühlspanzer zugelegt hat. Eine ungewohnt verhärmt und graumäusig aussehende Anja Kling spielt die Mutter, die immer noch an den Sozialismus glaubt. Und Jeanette Hain ist als eiserne Ballettmeisterin zu sehen, der ein Choreograph aus den USA vor die Nase gesetzt wird. 

In der unbestrittenen Hauptrolle aber glänzt der Friedrichstadt-Palast, jenes 1984 neu eröffnete Revuetheater, das den eingesperrten DDR-Bürgern den Glanz des Pariser Lido in ihr enges Leben bringen sollte, und das auch heute noch für seine langbeinigen Tänzerinnen berühmt ist. Einen grandiosen Auftritt legt die Neuentdeckung Svenja Jung (28) in der Doppelrolle der Christine/Marlene hin. Die in Tanz ausgebildete Schauspielerin wirbelt in der ersten Reihe der Revuegirls, als hätte sie nie etwas anderes gemacht, und meistert glaubhaft den fliegenden Wechsel zwischen der unbekümmerten Tänzerin und der spröden Firmenerbin. 

Zum glücklichen Ende hin drückt Regisseur Uli Edel noch einmal ordentlich Schmalz ins Festmenü. Die mal wieder aus dem Westen zurückpendelnde Chris wird wegen unerlaubten Grenzübertritts verhaftet und in ein Stasi-Gefängnis gesperrt. Glückliche Wendung des Schicksals: Ihrem Vater gelingt es, sie aufgrund seiner guten Geschäftsbeziehungen mit der DDR freizukaufen. Endlich kann er seine moralische Schuld begleichen und die einst zurückgelassene Tochter heimholen. In einem Film über ein glamouröses Revuetheater ist eben alles größer als in einem normalen Leben – auch die Fallhöhe des Schicksals.