26.04.2024

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Folge 52-21 vom 31. Dezember 2021 / Musik / Rückkehr in den Sperrbezirk / Musikalisches Urgestein aus Bayern: Die Spider Murphy Gang feiert Bühnenjubiläum. Derweil gibt ein „Gang-Mitglied“ sein Solo-Debüt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 52-21 vom 31. Dezember 2021

Musik
Rückkehr in den Sperrbezirk
Musikalisches Urgestein aus Bayern: Die Spider Murphy Gang feiert Bühnenjubiläum. Derweil gibt ein „Gang-Mitglied“ sein Solo-Debüt
Markus Bauer

Im neuen Jahr steht ihr 45. Jahrestag an. Ob es gefeiert werden kann, steht angesichts Corona in den Sternen. „Mir san a bayerische Band“: Damit beschreiben sie sich selbst, die Zeile kennt seit Beginn der 80er Jahre fast jede Generation in Bayern und darüber hinaus. Die Rede ist natürlich von der Spider Murphy Gang. Ihre Kracher „Skandal im Sperrbezirk“ und „Schickeria“ sind seit 1981 bei Festen und Partys Dauerbrenner.

Doch mit Feiern und großen Auftritten ist es seit März 2020 schwierig. Diese Zeit nutzte daher Barney Murphy (eigentlicher Name: Gerhard Gmell), Gründungsmitglied und bis heute Gitarrist bei der Spider Murphy Gang, zu seiner ersten Solo-CD. Bandkollege und Mitgründer Günther Sigl (74) hat bereits 2010 mit seiner Band ein Album veröffentlicht, und auch Keyboarder Ludwig Seuss hat nebenher seine eigene Gruppe, mit der er tourt und Platten aufnimmt. Da „Radio Hitz“, die letzte Scheibe der „Gang“, schon gut 20 Jahre zurückliegt, freuen sich (nicht nur) die Musikfans auf jede neue Aktivität im Spider-Dunstkreis.

Auf den zehn Songs von Murphys Solo-CD „Gemischte Platte“ ist er erstmals als Sänger zu hören. Denn die Lieder der Spider Murphy Gang stammen fast alle von Sigl, der sie auch singt. In den vergangenen Jahren hat sich Barney Murphy (67) intensiv dem Gitarrenspiel gewidmet. Waren bisher vor allem der Rock ’n’ Roll und hier Chuck Berry das Idol, erweiterte er nun seine Gitarren-Fertigkeiten im Swing, Jazz und Gypsy. Django Reinhardt oder Dorado Schmitt sind ihm nacheifernswerte Vorbilder. 

Reminiszenz an Rosi

So ist das Album eine gelungene Mischung aus Spider-Nummern, darunter eine Reminiszenz an Rosi aus dem „Skandal im Sperrbezirk“, Swing-Stücken wie „Sheik of Araby“, das auch die Beatles im Repertoire hatten, und jazzigem Swing („Bossa Dorado“). Aber auch das „Harry Lime“-Thema aus dem Film „Der dritte Mann“ (Original von Anton Karas mit der Zither) ist Murphy und seinen Mitstreitern gut gelungen. Am Schlagzeug saß mit Andreas Keller der seit 2016 aktive Spider-Drummer. Auch Otto Staniloi, seit 1986 bei der „Gang“ für die Blasinstrumente zuständig, sowie Seuss wirkten bei einigen Stücken mit. „Barney und der Swinger Club“, so der Bandname, wollen – wenn möglich – 2022 diese und sicher noch etliche mehr Songs auch live spielen.

Das Gleiche gilt für die Spider Murphy Gang, zumal im 45. Jahr ihres Bestehens. Doch die Bandhistorie beginnt früher. Sigl hing 1971 den Banker-Beruf an den Nagel, um sich ganz der Musik zu widmen. Für seine Musikgruppe suchte er per Inserat einen Schlagzeuger. Die Annonce las in Kulmbach Franz Trojan, der auch als Profimusiker durchstarten wollte. Dann stieß der Fernmeldetechniker Gmell dazu, der den Spitznamen „Barney“ trug. Mit Fritz Haberstumpf bildeten die Musiker die Band „Stummick“. Mitte 1977 verließ Haberstumpf die Gruppe, im Sommer übten sie zu dritt, bis Murphy von dem Pianisten Michael Busse erzählte, der in München Physik studieren wollte und nebenher als Pianist Anschluss an eine Band suchte. Bei einem Besuch Sigls und Murphys bei Busse waren die zwei Gitarristen hin und weg von Busses Piano-Spiel – und verpflichteten ihn. 

Die Urbesetzung der Band stand, es fehlte nur noch der Name. Dieser war einem Textabschnitt im „Jailhouse Rock“ von Elvis Presley entlehnt. Am Anfang des Abschnitts heißt es „Spider Murphy 

played the tenor saxophone“, am Schluss „the whole rhythm section was the Purple Gang“. Daraus wurde „Spider Murphy Gang“ – und Barney hat seitdem den zweiten Teil seines Künstlernamens.

Als erste West-Band in der DDR

Von den Auftritten der Gruppe in München erfuhr der Moderator des Bayerischen Rundfunks (BR) und Rock ’n’ Roll-Enthusiast Georg Kostya und verpflichtete die „Spiders“ als Hausband für seine Sendung „Rockhouse“ – jedoch unter der Bedingung, dass sie in jeder Sendung ein Lied in Bairisch singen. Sigl und Co. fanden Gefallen daran. Der erste Titel ist „Rockhouse“, der Titelsong der Reihe, viele weitere folgten. 

Während in der Musikszene die Neue Deutsche Welle Fahrt aufnahm, erschien 1980 die LP „Rock ’n’ Roll Schuah“. So traf 1981 der auf Hochdeutsch gesungene „Skandal im Sperrbezirk“ mit der neuen Pop-Richtung zusammen. Dass das von der Prostituierten „Rosi“ handelnde Lied im BR nicht gespielt wurde, tat ein Übriges: Die Nachfrage nach der Single und der zweiten LP „Dolce vita“ war enorm. Wegen des Bannes für „Rosi“ schob die Gruppe als weitere Single „Schickeria“ nach – ebenfalls mit Top-Quoten. Dieses Lied wurde im Radio gespielt – wie weitere aus dieser und der Vorgänger-LP auch. 

Nun lief es so richtig – ausgedehnte Tourneen, Berichte in Jugend- und Klatschmagazinen, Gold- und Platinplatten, TV-Auftritte. 1983 kam der Film „Die Spider Murphy Gang“ in die Kinos, im selben Jahr spielte die „Gang“ als erste westdeutsche Band in der DDR. Zwar tourte sie nach dem Abflauen der Neuen Deutschen Welle weiter, doch die neue LP „Wahre Liebe“ (1985) und die Single „Cadillac“ waren nicht mehr so stark gefragt. 

Auch wenn die Plattenverkäufe zurückgehen, live ist die Spider Murphy Gang im ganzen deutschsprachigen Raum angesagt. Auch personelle Umbesetzungen taten keinen Abbruch: Seuss ersetzte Busse, für den 2021 gestorbenen Trojan stießen Paul Dax und später Andreas Keller zur Gruppe. Als weiterer Gitarrist kam Willie Duncan dazu. Auf den Saxofonisten Willy Ray Ingram folgte Staniloi. Bei den Unplugged-Konzerten war als Perkussionist zuletzt Dieter Radig, ein Jugendfreund Sigls, dabei. Als Vertretung von Seuss greift inzwischen auch mal Wolfgang Götz in die Tasten.

Nun bleibt abzuwarten, was das Jahr 2022 bringt. Die Spider Murphy Gang steht ebenso in den Startlöchern wie Sigl, Barney Murphy und Seuss mit ihren Solonummern. Und auch Busse, Ur-Pianist und -Keyboarder, ist musikalisch wieder aktiv.