18.04.2024

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Folge 01-22 vom 07. Januar 2022 / Politik / Deutschland droht ein energiepolitischer Sonderweg / Trotz Brüsseler Empfehlung, auch Kernkraft und Gas als „grün“ einzustufen, wird Berlin kaum von seiner Energie- und Mobilitätswende abweichen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 01-22 vom 07. Januar 2022

Politik
Deutschland droht ein energiepolitischer Sonderweg
Trotz Brüsseler Empfehlung, auch Kernkraft und Gas als „grün“ einzustufen, wird Berlin kaum von seiner Energie- und Mobilitätswende abweichen
René Nehring

Der Witz ist alt, aber immer wieder treffend: Ein Mann fährt auf der Autobahn und hört Radio. Plötzlich meldet der Verkehrsfunk: „Vorsicht! Auf der A ... ist ein Geisterfahrer unterwegs!“ Darauf schüttelt der Mann den Kopf und sagt: „Einer? Hunderte!“ 

Die Geschichte illustriert einigermaßen passend den deutschen Sonderweg in Sachen Energie- und Mobilitätswende. Seit die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel im Frühjahr 2011 als Reaktion auf die durch einen Tsunami ausgelöste Reaktorkatastrophe im japanischen Fuku­shima den vorzeitigen Ausstieg Deutschlands aus der Kernenergie verkündete, gibt es in diesem Land zu allen Fragen rund um die Strom- und Wärmeversorgung – wie auch in der Verkehrspolitik –keine ergebnisoffenen Debatten mehr. 

Obwohl die „Erneuerbaren Energien“ nicht ansatzweise in der Lage sind, den Strombedarf zu decken (von den weltweit höchsten Verbraucherpreisen ganz zu schweigen), verabschiedet sich Deutschland nahezu gleichzeitig von der Kernkraft und der Kohle. Und obwohl Elektro-Autos bislang weder mit ihren realen Kosten noch mit ihrer Reichweite noch mit der erforderlichen Infrastruktur eine echte Alternative zu Diesel- und Benzin-Fahrzeugen sind (siehe Seite 2), betreibt die Politik in diesem Lande den beschleunigten Ausstieg aus den bewährten Antriebsarten und den Wechsel zur E-Mobilität. 

Das Bizarre an der deutschen Haltung ist, dass keine andere Nation in der Welt unserem Land auf diesem Weg folgt. Zwar streben auch andere Länder einen schrittweisen Ausbau von Windkraft und Solarenergie sowie der E-Mobilität an. Doch folgt niemand dem deutschen Furor, alles Bewährte gleichzeitig zu beenden, solange die Alternativen nicht in der Lage sind, ausreichend Strom und Wärme zu liefern sowie Menschen und Lastgüter zu vernünftigen Konditionen zu transportieren.

Europäischer Geisterfahrer 

Dass Deutschland beim radikalen Umbau seiner Volkswirtschaft europaweit längst zum Geisterfahrer geworden ist, zeigte zur Jahreswende ein Papier der EU-Kommission. Dieses schlägt vor, unter bestimmten Bedingungen die Energiegewinnung durch Kernkraft und Gas als „klimafreundlich“ einzustufen – womit diese öffentlich gefördert werden können. Ein zentraler Satz des Papiers, das am Silvesterabend zur Beratung an die 27 EU-Mitgliedsstaaten versandt worden ist, lautet: „Es muss anerkannt werden, dass der fossile Gas- und der Kernenergiesektor zur Dekarbonisierung der Wirtschaft der Union beitragen können.“ 

Damit wird nicht nur die bisherige deutsche Fixierung auf Windkraft und Solartechnologie bloßgestellt. Es droht zudem eine weitere Schwächung des Wirtschaftsstandortes Deutschland. Schon bislang sorgte der selbstgewählte Ausstieg aus fossilen Energiequellen und der Kernenergie gleichermaßen für das Ende bewährter deutscher Spitzentechnologie in vormaligen industriellen Schlüsselbranchen sowie für Netzschwankungen und die Gefahr von „Blackouts“, die nur durch die Lieferung von Atomstrom aus Frankreich oder Tschechien gebannt werden können. Mit der Anerkennung der Kernkraft als „grün“ werden die europäischen Partner ihren Strom künftig nicht nur zuverlässiger anbieten können als deutschen Ökostrom, sondern – dank Brüsseler Förderungen – auch deutlich billiger. 

Obwohl der Brüsseler Vorschlag all jene mahnenden Stimmen im In- und Ausland bestätigt, die seit Langem vor einem gleichzeitigen Ende aller etablierten Energien und einer radikalen Mobilitätswende warnen, fielen sowohl die Antworten der deutschen Politik als auch der meisten deutschen Medien ablehnend aus. „Absolut falsch“ hieß es etwa bei „Energiewendeminister“ Robert Habeck, „Von der Leyen zerstört die Glaubwürdigkeit des Ökosiegels“ in einem Medienkommentar. 

Nach einer Bereitschaft, den eingeschlagenen Sonderweg nochmal zu überdenken, klingt das nicht. Warum auch? In der vorherrschenden deutschen Sicht sind die Geisterfahrer ja stets die anderen.