29.03.2024

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Folge 01-22 vom 07. Januar 2022 / Energiemarkt / Warum Gas per Jamal-Leitung nach Osten strömte / Gazprom hat langfristige Lieferverträge erfüllt – Westen macht gute Geschäfte in Polen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 01-22 vom 07. Januar 2022

Energiemarkt
Warum Gas per Jamal-Leitung nach Osten strömte
Gazprom hat langfristige Lieferverträge erfüllt – Westen macht gute Geschäfte in Polen
Norman Hanert

Die angespannte Lage auf dem Energiemarkt Europas hat dazu geführt, dass der kleine märkische Ort Mallnow inzwischen sogar dem ein oder anderen Zeitungsleser in der englischsprachigen Welt ein Begriff ist. Von der Nachrichtenagentur Reuters, über den Wirtschaftsblog „Zerohedge“ bis hin zur Finanznachrichtenagentur Bloomberg berichteten weltweit Medien über „Germany’s Mallnow“. Im Zentrum des Interesses stehen dabei nicht das bemerkenswerte Landschaftspanorama des Oderbruchdorfes, sondern die aktuellen Vorgänge in der örtlichen Gasverdichterstation. Als Glied einer Kette hilft diese Station üblicherweise, Erdgas von der Jamal-Halbinsel im Nordwesten Sibiriens durch Russland und Weißrussland über Polen bis in die Bundesrepublik zu pumpen. Als im Dezember der Gasfluss aus dem Osten zeitweilig ausblieb, griffen dies hiesige Medien mit Schlagzeilen wie „Russland stoppt Gaslieferungen“ auf. 

Auch die ARD titelte: „Mitten in der kalten Jahreszeit hat Russland jetzt seine Gaslieferungen nach Deutschland durch die Jamal-Europa-Pipeline gestoppt.“

Käufer hielten sich zurück

Die Berichte englischsprachiger Medien, aber auch des deutschen „Handelsblatts“ und der „Wirtschaftswoche“ zeichnen ein differenzierteres Bild. Den Berichten zufolge ist sehr wohl Erdgas durch die Jamal-Pipeline geflossen, allerdings in östliche Richtung. Zum Hintergrund berichtet die Nachrichtenagentur Bloomberg unter Berufung auf sachkundige Marktbeobachter, dass sich Käufer in Europa im Dezember mit Bestellungen für russisches Erdgas zurückgehalten haben, weil sie ihre vertraglich vereinbarten Jahreskontingente bereits erhalten haben und Bestellungen, die über diese langfristigen Kontingente hinausgehen, angesichts der aktuellen Rekordpreise wiederum nicht attraktiv sind.

Derzeit gute Geschäfte machen können Marktteilnehmer, die sich Gas noch zu günstigen Preisen gesichert haben und dieses nun zu hohen Preisen auf den Markt werfen, wie Russlands Präsident Wladimir Putin auf seiner Jahrespressekonferenz vorrechnete. Laut Putin ist das Gas, das im Rahmen langfristiger Verträge an Deutschland geliefert wird, „drei-, vier-, sechs-, siebenmal billiger“ als die aktuellen Preise auf dem Spotmarkt.

Diese enormen Preisdifferenzen sind laut Putin der Hintergrund, warum Rohstoffhändler Gas aus deutschen Speichern wieder abpumpen lassen und beispielsweise via Jamal-Leitung in Richtung Polen leiten: „Wenn die eine Milliarde Kubikmeter Gas weiterverkaufen, machen sie fast eine Milliarde Dollar, 900-irgendwas, Profit“ so Putin. 

Angesprochen auf den angeblichen Lieferstopp bei der Jamal-Leitung sagte Putin, Gazprom habe im Dezember auf die Buchung von Kapazitäten bei der Pipeline verzichtet, „weil seine Vertragspartner und Unternehmen, vor allem die deutschen und französischen, die über diese Route Gas kaufen, keine Bestellungen abgegeben haben. Was soll Gazprom transportieren, wenn keine Bestellungen vorliegen?“ Mit Blick auf die EU-Kommission sprach sich Russlands Präsident zudem auch für die Beibehaltung langfristiger Lieferverträge aus: „Nein, die Europäische Kommission hat uns immer wieder gesagt, wir sollten zu Marktbeziehungen übergehen, der Markt wird es regeln. Und jetzt hat der Markt es geregelt und Gas kostet mehr als zweitausend Dollar pro tausend Kubikmeter.“ 

Der Markt hat es geregelt

Die früheren Bemühungen der EU-Kommission, den Anteil langfristiger Lieferverträge zurückzudrängen, hat für Industrie und Privathaushalte in diesem Winter möglicherweise nicht nur höhere Kosten zur Folge. Wie die „Welt am Sonntag“ berichtete, hat der Energieversorger RWE seine Handelspartner an der Strombörse EEX inzwischen vor Kraftwerksausfällen durch Mangel an Gas gewarnt.

Demzufolge befürchtet RWE, in der Zeit bis Anfang April Betriebsunterbrechungen bei mehreren Kraftwerken in Nordrhein-Westfalen.