29.03.2024

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Folge 01-22 vom 07. Januar 2022 / Ausstellung / Im Nonnenkloster weht ein reformatorischer Geist / Cranachs Meisterschüler – Lübeck stellt mit Hans Kemmer einen bedeutenden Maler der Renaissance- und Lutherzeit vor

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 01-22 vom 07. Januar 2022

Ausstellung
Im Nonnenkloster weht ein reformatorischer Geist
Cranachs Meisterschüler – Lübeck stellt mit Hans Kemmer einen bedeutenden Maler der Renaissance- und Lutherzeit vor
V.-M. Thiede

Der vor 460 Jahren verstorbene Lübecker Maler Hans Kemmer (um 1495–1561) feiert Ausstellungspremiere. Im Lübecker St.-Annen-Museum, einem früheren Nonnenkloster, sind in „Cranach – Kemmer – Lübeck. Meistermaler zwischen Renaissance und Reformation“ 22 der ihm zugeschriebenen 29 Bilder zu sehen. Hinzu treten 42 Gemälde und Grafiken von Lucas Cranach dem Älteren (1472–1553), seinen Mitarbeitern und einigen zeitgenössischen Lübecker Künstlern.

Die im Vorfeld durchgeführte Untersuchung der Gemälde Kemmers mittels Infrarotreflektografie machten Unterzeichnungen sichtbar, deren besondere Merkmale sich auch bei mehreren der in der Cranach-Werkstatt gemalten Bilder finden. Das veranlasst Dagmar Täube, Direktorin des St.-Annen-Museums, Kemmer als einen Meisterschüler Cranachs zu bezeichnen. Vermutlich war er ab 1515 in der Wittenberger Werkstatt tätig und kehrte spätestens 1522 in seine Heimatstadt Lübeck zurück.

Maler zweier Konfessionen

Zu den neuerdings Kemmer zugeschriebenen Gemälden aus Cranachs Werkstatt gehört eine beidseitig von ihm und mindestens einem weiteren Mitarbeiter bemalte Tafel (1515–1520). Sie zeigt auf der einen Seite die Seelen zweier Verstorbener, die von Engeln einer Schar von Heiligen vorgestellt werden, und auf der anderen die „Heilige Dreifaltigkeit“: Gottvater präsentiert seinen ans Kreuz genagelten toten Sohn. Auf dem Querbalken sitzt die Taube des Heiligen Geistes. Noch Jahrzehnte später griff Kemmer auf dieses von Cranach entwickelte Motiv zurück, wie die von ihm 1540 bemalte „Timmermann’sche Hochzeitsschüssel“ veranschaulicht.

Das von Kemmer 1530 gemalte Tafelbild: „Christus und die Ehebrecherin“ hat für die Forschung hohen Stellenwert, da es eines der wenigen von ihm sowohl signierten als auch datierten ist. Dieses Bildthema und mehr noch das Lehrbild „Gesetz und Gnade“, das sowohl in einer 1529 von Cranach gemalten als auch einer von Kemmer um 1545 geschaffenen Fassung ausgestellt ist, gelten als typische Beispiele der reformatorischen Kunst. Aber wie Cranach bediente Kemmer neben der neuen evangelischen auch die altgläubige Kundschaft, was die Schau mit einem seiner letzten Werke belegt. Es zeigt den papsttreuen Domherrn Christoph Tiedemann (1556).

Bis 6. Februar im St. Annen-Museum, St.-Annen-Straße 15, Lübeck, geöffnet Dienstag bis Sonntag von 11 bis 17 Uhr. Eintritt: 8 Euro. Telefon (0451) 1224137, Internet: www.st-annen-museum.de. Der Katalog (Hirmer Verlag) kostet im Museum 39,90 Euro, im Buchhandel 49,90 Euro.