28.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
Folge 02-22 vom 14. Januar 2022 / Meinung / Die verdrängte Selektion / Der Schutz der Hochbetagten rückte mit der Pandemie verstärkt ins Blickfeld – doch was ist mit den Ungeborenen?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 02-22 vom 14. Januar 2022

Meinung
Die verdrängte Selektion
Der Schutz der Hochbetagten rückte mit der Pandemie verstärkt ins Blickfeld – doch was ist mit den Ungeborenen?
Bodo Bost

Nach dem Triage-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts hat die grüne Familienministerin Anne Spiegel einen besseren Schutz für Hochbetagte gefordert, sie sagte: „Der Staat und wir alle als Gesellschaft haben die Pflicht, die Schwächsten unter uns besonders zu schützen“. Nach diesen Worten hätte man glauben können, der Papst habe gesprochen. Denn genau das fordern die Päpste seit Jahrzehnten. Nur meinen sie damit alle Schwächsten der Gesellschaft, die Ampel setzt sich jedoch nur für einen Teil ein. 

Für die Kirchenoberhäupter ist das Lebensrecht der Hochbetagten durch die Pandemie genauso bedroht, wie das Lebensrecht der ungeborenen Menschen am Anfang des Lebens. Besonders Papst Franziskus betont immer wieder, dass das Lebensrecht von beiden Enden des Lebens her immer stärker in Gefahr sei.  Mag sein, dass das jetzt im Zusammenhang mit der Medizinethik um die Triage besonders deutlich wird, aber bereits vor der Pandemie hatte der Papst dies immer wieder betont. 

Ministerin Spiegel hat mit ihrem Kommentar zum Lebensrecht der Hochbetagten selbst den Beleg dafür erbracht, dass Franziskus mit seiner Betonung der Bedrohung des Lebens von den beiden Enden her Recht hatte. Doch scheint es so, dass die Ampelkoalition die Bedrohung durch die Selektion am Lebensbeginn, also die Abtreibung, nicht nur verleugnet, sondern diese sogar begünstigt. Denn nichts anderes ist das von Spiegel vehement verteidigte Projekt zur Abschaffung des Paragraphen 219a, der ein Werbungsverbot für Abtreibungsärzte und -kliniken beinhaltet, und dessen Streichung die Ampel zu einem ihrer ersten gemeinsamen Regierungsprojekte gemacht hat. 

Wieder mehr Abtreibungen

Dass Abtreibung durchaus auch eine Selektion darstellt, beweisen nicht nur die Möglichkeiten der pränatalen Diagnostik, die heute dazu führen, dass fast keine Behinderten mehr geboren werden, weil durch diese Diagnostik eine Art vorgeburtliche Selektion des Lebens möglich ist und deshalb durchgeführt wird. Aber selbst Behindertenverbände, die jetzt das Karlsruher Triage-Urteil angestrengt haben, gehen nicht gegen die Diskriminierung von Behinderten bei der pränatalen Diagnostik im Zusammenhang mit Abtreibung vor. 

Die Pandemie schafft ihre eigenen Regeln und Gesetze. Sie wird die Lebenserwartung der Menschen, wenn auch vielleicht nur vorübergehend, verkürzen, weil vor allem ältere, vorbelastete und behinderte Menschen zur Gruppe der am stärksten Betroffenen gehören. Aber infolge von Corona, das zeigen nach fast zwei Jahren Pandemie Demographieforschungen immer mehr, ist es auch zu einem Einbruch bei der Geburtenhäufigkeit gekommen. 

Die weltweite Geburtenstatistik weist seit vergangenem Jahr nur noch eine Rate knapp über der Reproduktionsziffer von 2,1 Geburten pro Frau aus. Immer mehr Staaten verzeichnen historisch niedrige Geburtenziffern, immer mehr Ländern stehen erstmals rote Zahlen bei der Bevölkerungsentwicklung bevor. 

In Deutschland, wo es bereits seit 1973 negative Bevölkerungssalden gibt, hat die Pandemie erstmals seit Jahren wieder für ansteigende Abtreibungszahlen gesorgt. Schon die Statistik, ganz gleich wie man ethisch dazu steht, zeigt, dass beide Bedrohungen des Lebens durch Corona am Anfang und Ende des Lebens wissenschaftlich zusammengehören. 

Die Ampel will diesen Zusammenhang zwar noch nicht wahrhaben, sie spricht von der Pandemie nur als einer Bedrohung am Ende des Lebens, die Bedrohung am Anfang des Lebens scheint sie zu ignorieren, vielleicht aus Rücksicht auf ihre Wahlversprechen.