28.03.2024

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Folge 02-22 vom 14. Januar 2022 / Östlich von Oder und Neiße / Fachwissen über Polnischunterricht in der Bundesrepublik fehlt / Deutsche Minderheit wehrt sich gegen Kürzungen von Mitteln für den Deutschunterricht in Schulen, die der Polonia zukommen sollen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 02-22 vom 14. Januar 2022

Östlich von Oder und Neiße
Fachwissen über Polnischunterricht in der Bundesrepublik fehlt
Deutsche Minderheit wehrt sich gegen Kürzungen von Mitteln für den Deutschunterricht in Schulen, die der Polonia zukommen sollen
Chris W. Wagner

Es regt sich zarter Widerstand in den Reihen der Deutschen Minderheit gegen die Entscheidung des polnischen Parlaments, die Bildungssubvention für Deutschunterricht als Muttersprache zu kürzen beziehungsweise zu Gunsten der Polonia in der Bundesrepublik abzuschaffen.

In einer Pressekonferenz Ende Dezember in Oppeln [Opole] haben neben Vertretern der Deutschen Minderheit auch Sprecher der Bewegung „Polska 2050“ ihren Unmut über die Kürzung kundgetan. Die Kürzungen treffen vorwiegend Schüler der beiden oberschlesischen Woiwodschaften. In der Woiwodschaft Oppeln lernen knapp 30.000 Schüler Deutsch als Muttersprache, was mehr als 46 Prozent aller Kinder ausmacht, in der ostoberschlesischen „Woiwodschaft Schlesien“ sind es 21.000, was 40 Prozent aller Schulkinder ausmacht. 

46 Prozent der Schüler in Oppeln haben Deutsch als Muttersprache

Rafał Bartek, Vorsitzender der Sozial-Kulturellen Gesellschaft der Deutschen in der Woiwodschaft Oppeln und Mitglied des Oppelner Sejmiks (Landtag) sprach vom Alleinstellungsmerkmal der Region, das aus der kulturellen und sprachlichen Vielfalt resultiere. „Diesen Reichtum wollen wir an nachfolgende Generationen weitergeben, denn er bietet die Möglichkeit zur wirtschaftlichen Entwicklung. Darauf bauen wir unsere regionale Identität auf“, so Bartek. Piotr Sitnik sprach als Schulleiter einer Fachschule in Kreuzburg [Kluczbork]. Es gebe viele deutsche Unternehmen, so Sitnik, die dringend junge Menschen mit Deutschkenntnissen suchten. 

Die gesellschafts-politische Bewegung um den liberalen Politiker, Journalisten und Publizisten Szymon Hołownia, „Polska 2050“ hat am 29. Dezember eine Anfrage an das polnische Außenministerium gestellt, „denn in der Begründung der Kürzungen hieß es, der Polnischunterricht in der Bundesrepublik Deutschland würde nicht von der deutschen Regierung finanziert. Daher fragen wir das Außenministerium, woher es solche Erkenntnisse zieht und welche polnischen Verbände in Deutschland solche Probleme signalisieren würden“, sagte Michał Gramatyka von „Polska 2050“. 

Derweilen meldeten sich Vertreter der Polonia in Deutschland selbst zum Thema. In einem Schreiben an Polens Bildungsminister Przemysław Czarnek zeigt man sich erstaunt, vermeintlich vorteilhafte Lösungen für in der Bundesrepublik lebende Polen zu präsentieren, ohne die aktuellen Bedürfnisse der polnischen Gemeinschaft und deren komplexe Situation abgesprochen zu haben. „Unsere Stellung bestätigt die Tatsache, dass der Tätigkeit der polnischen Regierung sowie der öffentlichen Verwaltung der Republik Polen bezüglich der Fragen der polnischen Gemeinschaft in Deutschland aktuelle Studien und Fachwissen über die Polonia in Deutschland fehlen“, heißt es im Brief vom 15. Dezember, also zwei Tage vor der Abstimmung im polnischen Parlament, über die Subventionskürzung für den Deutschunterricht als Minderheitensprache zugunsten des Polnischunterrichts im Ausland.

Wissenschaftler und Forscher warnen vor negativen Folgen

Es folgten Petitionen polnischer Akademiker, Vertreter der Wirtschaft und Eltern, die für ihre Kinder muttersprachlichen Deutschunterricht beantragt haben. „Als Wissenschaftler und Forscher nationaler und ethnischer Fragen sind wir uns der weitreichenden negativen Folgen der Stigmatisierung jeglicher Minderheiten sowie potentieller Konflikte nationaler und ethnischer Natur bewusst. Daher protestieren wir entschieden gegen solche Verfahren und erwarten die Einstellung diskriminierender Aktivitäten“, steht es im offenen Brief der Akademiker. Am 20. Dezember folgten Stellungnahmen aus dem Landtag der Woiwodschaften Ermland-Masuren, am 4. Januar aus der Woiwodschaft Schlesien. In diesen wird darauf hingewiesen, dass die Kürzungen entscheidend „die Jüngsten treffen – Kinder und Jugendliche aus Minderheitenkreisen, die in ihrem Recht eingeschränkt werden, ihre eigene Kultur und Sprache im Schulsystem zu pflegen.“

Die Jugendorganisation der Deutschen in Polen BJDM startete die Aktion #sprachlos (#niemaMowy). Die Symbolik ist so einfach wie wirkungsvoll: „Jeder, der symbolisch seine Kritik an  den Kürzungen des Deutschunterrichts als Minderheitensprache zum Ausdruck bringen will, macht ein Porträtbild mit der Hand vor dem Mund und lädt es in den sozialen Netzwerken unter #sprachlos hoch“, heißt es seitens des Bundes der Jugend der Deutschen Minderheit. Dieser Aktion haben sich bereits zahlreiche Aktivisten der Deutschen Minderheit angeschlossen. „Bis 1989 war der Deutschunterricht in der Woiwodschaft Oppeln verboten, ich konnte in der Schule kein Deutsch lernen, meine Eltern haben mit mir aus Angst vor Repressionen nicht in deutscher Muttersprache gesprochen. Seien wir nicht gleichgültig!“, schreibt die stellvertretende Marschallin der Woiwodschaft Oppeln, Zuzanna Donath-Kasiura, die unter anderem für die Bildung zuständig ist.