08.05.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
Folge 03-22 vom 21. Januar 2022 / Target2 / Das deutsche Billionenrisiko ist kein Thema / Italien beendet 2021 mit einem historisch hohen Negativ-Saldo – EZB will von Reformen nichts wissen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 03-22 vom 21. Januar 2022

Target2
Das deutsche Billionenrisiko ist kein Thema
Italien beendet 2021 mit einem historisch hohen Negativ-Saldo – EZB will von Reformen nichts wissen
Norman Hanert

Nachdem Medien hierzulande schon Italiens parteilosem Ministerpräsidenten Mario Draghi viel Lob spendeten, hat die britische Wochenzeitung „The Economist“ Italien zum „Land des Jahres 2021“ gekürt. Nach Ansicht der Wirtschaftsjournalisten hat sich kein Land besser entwickelt als Italien. Treibende Kraft hinter dem Aufschwung Italiens sei Draghi: ein „kompetenter und überall auf der Welt geschätzter“ Mann.

Dazu passen nicht die Ungleichgewichte in Europa, die sich im Target2-System, dem Verrechnungssystem der Eurozone, widerspiegeln. Nach Daten der Banca d’Italia haben die Verbindlichkeiten der italienischen Zentralbank gegenüber anderen Notenbanken der Eurozone im vergangenen Dezember mit 589,98 Milliarden Euro einen historischen Höchststand erreicht. Größter Gläubiger im EZB-Verrechnungssystem Target2 war die Bundesbank. Ihre Forderungen an andere Zentralbanken der Eurozone betrugen zum 31. Dezember 2021 über 1,26 Billionen Euro.

Als der Wirtschaftswissenschaftler Hans-Werner Sinn vor einigen Jahren auf die Problematik der Target2-Salden hinwies, handelte er sich damit scharfe Kritik ein. Bis heute argumentieren einige Ökonomen, die sehr ungleiche Verteilung der Target2-Salden in der Eurozone stelle lediglich einen statistischen Posten innerhalb des EZB-Systems dar.

Noch zu seiner Zeit an der Spitze der Europäischen Zentralbank hatte Draghi selbst einen Hinweis darauf geliefert, dass die Target2-Forderungen der Bundesbank möglicherweise doch ein Risiko und kein Scheinproblem darstellen. In einem Brief an italienische Parlamentarier schrieb er im Jahr 2017, bei dem Austritt eines Landes aus der Eurozone müsste es seine Target2-Verbindlichkeiten restlos bezahlen. Angesichts des hohen negativen Target2-Saldos der Banca d’Italia besteht das Risiko für die Bundesbank, auf hohen Verlusten sitzenzubleiben. 

Eine Reform des Systems zum Abbau von Risiken ist für die EZB bislang kein Thema. Denkbar wäre eine Orientierung am Modell des Federal Reserve Systems in den USA. Für die Einzelbanken des US-Notenbanksystems besteht die Pflicht, innerhalb ihres Verrechnungssystems ihre Salden regelmäßig auszugleichen. In der Eurozone würde ein solcher Lösungsansatz vermutlich am Veto Italiens und Spaniens scheitern. Theoretisch denkbar wäre allerdings auch eine unkonventionelle Lösung. Die Bundesbank könnte beispielsweise ihre Forderungen an andere Zentralbanken nutzen, um ihre Goldreserven aufzustocken. 

Den politischen Willen vorausgesetzt, könnte auch die bundeseigene KfW-Bank in anderen Euroländern auf „Einkaufstour“ gehen und Vermögenswerte, etwa Aktien europäischer Unternehmen, erwerben. Beide Wege würden das Risiko vermindern, dass bei einem Ausfall der Target2-Forderungen das Eigenkapital der Bundesbank aufgezehrt wird.