07.05.2024

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Folge 03-22 vom 21. Januar 2022 / Ostpreussischer Brauch / Auf den Spuren des Krawulstocks / Mit einem speziellen Botenstock wurden Versammlungen im Bürgermeisteramt bekannt gemacht

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 03-22 vom 21. Januar 2022

Ostpreussischer Brauch
Auf den Spuren des Krawulstocks
Mit einem speziellen Botenstock wurden Versammlungen im Bürgermeisteramt bekannt gemacht
Brigitte Stramm

Bei einem Treffen der Kreisgemeinschaft Labiau im Archiv im Torhaus Otterndorf kam ein Foto zutage, das einen Krawulstock = Botenstock aus dem Großen Moosbruch zeigt. Wir schauten uns alle fragend an, Krawulstock? Was soll das denn bitte sein? An dem Tag konnten wir das Rätsel nicht lösen, doch in einer alten Schrift fand ich folgendes: „In den krummen Stab gehen – aus dem krummen Stab gehen, litauisch: I kriwule eiti – Isz kriwules eiti.“

Welche Funktion hatte der auf dem Foto abgebildete Krawulstock?

Das bedeutet so viel wie „ins Schulzenamt und aus dem Schulzenamt (Bürgermeisteramt) gehen“. Die Kriwule ist der krumme Stab, der im Schulzenamt steht und den der Schulze umhersendet, wenn eine Gemeindeversammlung stattfinden soll. Auch diese heißt Kriwule, beides auch Krawul genannt. Der Turnus für den Umgang der Kriwule steht genau fest, man sendet den Stab von Nachbar zu Nachbar, bis er wieder in das Schulzenamt zurückkehrt. Doch darf der Stab nicht ins Haus gebracht werden, der Träger klopft nur an die Tür, meldet, dass die Kriwule da sei und lehnt sie an die Wand. Die Kriwule muss sofort weiter befördert werden. Gewöhnlich zeigt ein angebundener Zettel den Gegenstand der Beratung an. Die Kriwules werden aus recht krummen Baumwurzeln geschnitten. Zur Dorf-Versammlung rufen nennt der Litauer „I Kruwa waryti“ auch „I Pulka waryti“ = In den Hausen zu Hauf treiben. Gemeindeversammlungen wurden als „Krawul“ bezeichnet.

Litauische Sprache bis ins 20. Jahr-hundert hinein

Unser nördlicher Teil des Kreises wurde auch Klein-Litauen genannt. Die alten Einwohner sprachen bis ins 20. Jahrhundert hinein Litauisch. Viele damals gebräuchliche Ausdrücke haben dort ihren Ursprung. Meine Großeltern sprachen auch noch Litauisch, was sie hauptsächlich taten, wenn wir Kinder etwas nicht hören sollten.

Text aus „Sprichwörter und preußische Redensarten von 1865“, (Bild im Labiau-Archiv s. II 193/1986)