07.05.2024

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Folge 03-22 vom 21. Januar 2022 / Zum 400. Geburtstag / Anna Margaretha von Haugwitz / Schöne Schlossherrin auf Schloss Spyker auf Rügen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 03-22 vom 21. Januar 2022

Zum 400. Geburtstag
Anna Margaretha von Haugwitz
Schöne Schlossherrin auf Schloss Spyker auf Rügen
Martin Stolzenau

Schloss Spyker bei Glowe auf der Insel Rügen gehört zum Landkreis Vorpommern-Rügen und wird nach dem letzten Besitzerwechsel 2006 vom neuen Eigentümer Dominik von Böttinger weiter als Hotel und zusätzlich auch als Kulturzentrum mit Lesungen, Konzerten sowie Ausstellungen genutzt. Das dreigeschossige Schloss in dem „für Rügen untypischen Falunrot“ mit vier runden Ecktürmen kann auf eine interessante Geschichte verweisen und gilt als der „älteste Profanbau der Ostseeinsel“ mit großer Anziehungskraft für Touristen. Zur Schlossgeschichte gehört die des schwedischen Heerführers und Staatsmannes Graf Carl Gustav Wrangel, der hier zusammen mit seiner Frau Anna Margaretha residierte und der Legende nach 1676 ermordet wurde. 

Das mit Spyker eng verbundene Leben der Frau Wrangel ist allerdings auch von filmreifen Turbulenzen geprägt. Sie wurde vor 400 Jahren als Anna Margaretha von Haugwitz in Mitteldeutschland geboren, verlor im Dreißigjährigen Krieg ihre Eltern und Geschwister und kam als achtjährige, bettelarme Waise in die Obhut des schwedischen Feldherrn Johann Baner, in dessen Tross sie von Schlachtfeld zu Schlachtfeld zog. Dabei kreuzte sie die Wege eines anderen schwedischen Feldherrn: Carl Gustav Wrangel, der das besitzlose, aber bildschöne Mädchen gegen den Widerstand seiner Verwandtschaft heiratete und dann im Schloss Spyker residierte. Der prachtvolle Bau profitiert bis heute von den Jahrzehnten in schwedischem Besitz mit der schönen Schlossherrin Anna Margaretha.

Sie wurde am 16. Januar 1622 im Herrenhaus des elterlichen Rittergutes inmitten der Stadt Calbe im jetzigen Bundesland Sachsen-Anhalt geboren. Als Vater ist Balthasar Joachim von Haugwitz nachgewiesen, der aus einer Landadelsfamilie stammte, die das Gut Calbe als „autarke Herrschaftsenklave mit niederer Gerichtsbarkeit“ nach den Vorbesitzern von Hacke und dann von Ingersleben bewirtschaftete. Vater von Haugwitz hatte nach dem frühen Tod seiner ersten Frau in zweiter Ehe 1618 Sophie von Veltheim geheiratet aus einer anderen mitteldeutschen Altadelsfamilie mit Stammsitz in der Grundherrschaft Harbke mit Schloss, Parkanlage und Lustwald. 

Die nunmehrige Frau von Haugwitz bekam neben Tochter Anna Margaretha mehrere Kinder, verlor ihren Mann schon 1626 bei einem Gefecht des Dreißigjährigen Krieges in Kurbrandenburg und erlebte dann 1630 die absolute Katastrophe. Calbe wurde von kaiserlich-katholischen Truppen besetzt, ausgeplündert und verwüstet. Besonders betroffen war das Rittergut. Die Witwe von Haugwitz und vier ihrer Kinder kamen um. Allein Tochter Anna Margaretha überlebte als Vollwaise, wurde von Verwandten ins nahe Zisterzienserkloster Egeln gegeben und hier zunächst katholisch erzogen. 

Nach der Inbesitznahme von Egeln und Umgebung durch den schwedischen Feldherrn Johann Baner nahm der protestantische General das Mädchen in seinem Familienverband als „Mündel“ auf. Anna Margaretha zog nun im Tross des Feldherrn mit dessen Familie von Kriegsschauplatz zu Kriegsschauplatz. Dabei fiel sie einem anderen schwedischen Offizier ins Auge: Carl Gustav Wrangel, der beim Einsatz in Pommern gerade zum Generalmajor befördert worden war und nun unter dem Oberbefehl Baners stand, der den Aufsteiger allerdings nicht mochte. 

Damit begann für die zur Schönheit gereifte arme Haugwitztochter ein neues Lebenskapitel. Der um neun Jahre ältere General Wrangel heiratete am 1. Juni 1640 im thüringischen Saalfeld die Vollwaise gegen den Einspruch seiner Familie. 

Anna Margaretha war gerade 18 Jahre alt und erlebte den weiteren Aufstieg ihres Mannes in der königlichen Gunst bis zum selbstständigen Feldherrn, Feldmarschall und Grafen von Salmis und zu Sölvesborg mit der Anhäufung von großer Macht und viel Landbesitz. Dazu kam das Amt des Generalgouverneurs von Schwedisch-Pommern nach dem Westfälischen Frieden. Sie brachte in dieser Zeit 13 Kinder zur Welt.

Das Ehepaar residierte einige Zeit in Nürnberg, oft im neuen Wrangelschen Palais in Stockholm oder im ebenfalls neuen Schloss Skokloster bei Uppsala und dann vor allem auf den pommerschen Besitztümern mit dem Rückzugsort Spyker. 

Die Eheleute beschäftigten Matthäus Merian d. J. als Hofkünstler und eignete sich eine riesige Kunstsammlung an. Ein Nachlassverzeichnis umfasste später 770 Gemälde. Vieles war Kriegsbeute, denn Wrangel führte auch nach dem Westfälischen Frieden weitere Kriegszüge. Er galt als einer der bedeutendsten Feldherrn seiner Zeit. Anna Margaretha war die schöne Gattin an seiner Seite, die die glanzvolle Hofhaltung ihres Mannes genoss und von mehreren Malern auf Bildern verewigt wurde.

Doch der Aufsteigerin war kein langes Leben beschieden. Nach drei glanzvollen Jahrzehnten starb sie am 20. März 1673 bei einem Aufenthalt nach Krankheit im Stockholmer Wrangel-Palais. Zuvor hatte sie in ihrem Testament auch ihre Vaterstadt Calbe mit 500 Taler bedacht. Ihr mächtiger Ehemann, der zuletzt kriegsmüde war, sich von ihrem Tod betroffen zeigte und auf Spyker zurückzog, wurde – der Legende nach – wegen Befehlsverweigerung insgeheim zum Tode verurteilt und auf Spyker hingerichtet. Von den 13 Kindern überlebten die Eltern nur drei Mädchen: Margarethe Juliane, Hedwig Eleonora Sofia und Augusta Aurora.

Die Wrangeltochter Eleonora Sofia, die mit dem Herrn zu Putbus auf Rügen verheiratet war, erbte nach dem Tod der Eltern Schloss Spyker. Zwischen 1817 und 1945 war Spyker dann dauerhaft im Besitz der Familie zu Putbus, die zwischenzeitlich den Fürstenrang erlangte. Nach der Bodenreform und Enteignung der Fürstenfamilie diente das Schloss bis zur Wende als FDGB-Ferienheim. Ab 1990 folgte mit Sanierungsmaßnahmen die Hotelnutzung und touristische Vermarktung. Dabei spielen die überlieferten Wrangelspuren eine wichtige Rolle. 

Info Heute ist dieses herrliche alte Gemäuer modern und behaglich eingerichtet. Der Gast erlebt in einer persönlichen und entspannten Atmosphäre die Schönheit der frühen Epochen und zeitgenössische Kunst. Stuckdecken aus der Wrangelzeit sind erhalten. Für angenehme Urlaubstage oder feierliche Anlässe bietet Schloss Spyker einen idealen Rahmen. Internet: www.schloss-spyker.de